Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Das ist Vicenç Ballador junior, der Ada fragt, ob sie je einen Unfall gebaut hätte, und das ist Ada, die antwortet:
»Mein einziger schwerer Unfall war, als dein Vater uns mit dem Traktor überfahren hat.« Vicenç lacht, und Ada parkt mit einem vorbildlichen Manöver ein.
Das sind Ada und Vicenç zehn Minuten später in einer Bar. Ada tippt ihre Flasche gegen seine.
»Chin-chin. In England stößt man immer an, bevor man trinkt. Es ist unhöflich zu trinken, ohne anzustoßen.«
»Und wie prostet man?«, fragt er.
»Cheers.«
»Cheers. Das muss toll gewesen sein.«
»Ja, echt toll.«
Das sind Sílvia und Gil, die hereinkommen und sich ungefragt zu ihnen setzen. Das ist Sílvia, die Ada ins Ohr flüstert:
»Sag, dass es nicht wahr ist«, und Ada, die erwidert:
»Es ist nicht wahr.«
Und das ist Gil, der mittlerweile erklärt, dass der Mann, der eben spielt, einmal Vorprogramm von Leonard Cohen gewesen ist. Der auf der Bühne ist Nick Garrie, mit seinen sechzig Jahren, der heiseren Stimme und der Gitarre im Schoß, die zwischen seinen Armen und Beinen wie ein Kind wirkt. Vicenç sagt:
»Der ist wie ein Höhlenbär.«
Und Nick Garrie bestellt einen Gin Tonic in den Raum hinein und erzählt, nachdem er geheiratet habe und Vater geworden sei, habe er die Musik aufgegeben, und nach der Trennung von seiner Frau sei die Musik dann wieder zu ihm zurückgekommen. Das Publikum lacht. Der Gin Tonic wird ihm gebracht, und er sagt: »Gracias«, trinkt einen Schluck und stimmt ein Lied an, das so geht: »In every nook and cranny. And I have been everywhere.«
Und Vicenç fragt:
»Verstehst du den Text?«
Ada nickt und ruft aus:
»Wie kommst du eigentlich klar, wenn ihr auf Tournee seid?« Und Vicenç sagt:
»Das war ja nur einmal, und da habe ich nicht geredet.«
Das ist Nick Garrie nach dem Konzert, der vor der Tür trinkt und raucht. Das ist Sílvia, die ihn durch die Glastür beobachtet und zum vierten Mal wiederholt, dass sie hingehen und ihm irgendetwas sagen sollten. Aber Ada hat keine Lust, und dem Mann geht es anscheinend gut, allein auf der Straße. Und das ist Vicenç junior, der zu Ada sagt, er lebe nicht mehr bei seinen Eltern auf dem Hof, und wenn sie wolle, würde er ihr seine neue Wohnung zeigen.
Beim Hinausgehen sagt Sílvia noch einmal:
»Sag, dass es nicht wahr ist.« Und Ada antwortet:
»Nein, er zeigt mir nur seine neue Wohnung.«
Und das sind Ada und Vicenç, wie sie gut zwanzig Minuten später angezogen und mit verschlungenen Beinen auf seiner Couch liegen. Ada hält seinen Kopf und streicht ihm das volle Haar nach hinten.
»Ich habe nie gesagt, dass das schlimm ist«, sagt Vicenç.
»Du hast gesagt, ich hätte Brustwarzen wie Kekse«, ruft Ada, und er richtet sich auf und stützt sich auf einen Ellbogen.
»Du lieber Himmel, aber du hast die schönsten Brüste, die ich je gesehen habe.«
Und mit dem freien linken Arm streichelt er ganz zart ihre rechte Brust. Sie küssen sich ein paarmal. Er singt:
»Kiss me in the nose«, er unterbricht sich. »Mund heißt nose?«
Sie sagt:
»Nein, nose heißt Nase, Mund heißt mouth.«
»Kiss me in the mouth, baby, sexy, lady.«
Und Ada lacht und setzt sich auf ihn, und Vicenç greift ihr mit beiden Händen unters T-Shirt und schiebt es hoch, rasch, und bevor sie irgendwelchen Widerstand leisten kann, murmelt er:
»Haut an Haut, Haut an Haut.«
Das ist Vicenç, der seinen Pullover auszieht. Das ist Vicenç' dicker, nackter Hals unter dem rötlichen Bart. Und das sind seine Augen, die dieselbe Farbe haben wie der Bart und Ada ansehen, und die breiten Arme und Schultern und die breite Nase und die breite Stirn und die breiten Ohren, die weit genug vom Schädel abstehen, um im Winter schnell kalt zu werden. Und das ist die Haut der Bäuche, die sich berühren, dass die Körper erzittern. Und das sind Ada und Vicenç, die einander die Zungen in den Mund schieben. Er drängt ihr seine Erektion zwischen die Beine. Sie schlängelt sich über sein Gesicht und bewegt sich sanft auf und nieder und denkt, wie erstaunlich es ist, dass Hände sich an so vieles erinnern. Wie ein Stier kämpft sich Vicenç allein aus der Hose, wobei er aufpasst, dass er Ada nicht abwirft, und sie öffnet ihren Büstenhalter und legt ihn auf den Nachttisch, während sie sich auf seinem Körper hält, fast ohne die Couch zu berühren, als wäre Vicenç ein Boot.
Nach einer Weile sagt er:
»Es wäre peinlich, eine Anglizistin zu heiraten und nicht zu wissen, was Mund heißt. Wie war das Wort?«
Ada denkt »heiraten« und erwidert:
»Mouth.«
Und sie schlafen miteinander.
Das ist Ada, die auf dem Nachhauseweg an Can Ballador vorbeikommt, dem Hof von Vicenç' Eltern, bremst und von der Straße aus die dunklen Mauern und das Vordach und die blauen Fenster und den Gemüsegarten und den Traktor und den nächtlichen Dreschplatz betrachtet.
Und das ist Ada, schlaflos zu Hause, die Nick Garrie auf YouTube hört. »In every nook and cranny. And I've been everywhere.« Unter dem Video gibt es einige Kommentare. Der oberste Kommentar der Liste ist zwei Jahre alt, von einer gewissen Jessica S., und lautet:
Dieser Mann war Lehrer an meiner Schule und ist der irrste Französischlehrer, den ich je hatte. Er brachte uns im Unterricht alle seine Lieder bei, und ich werde ihn immer in Erinnerung behalten xxxxxxxx Wenn Sie dies lesen, Monsieur Nick, ich bin die Jess aus Langley Manor, falls Sie sich noch erinnern xx
Und in der Zwischenzeit singt Monsieur Nick bei Ada zu Hause: »In allen Ecken und Winkeln, überall bin ich gewesen, und nirgendwo habe ich eine Liebe gefunden, lai-lai-lai-lailailai, keine Liebe gefunden.«
Und Ada stellt sich Jessica S. vor.
Jessica S., die von Zeit zu Zeit Nick Garrie hört. In Nächten wie dieser, in denen sie nicht schlafen kann.
Das ist Jessica S., die Platten von Nick Garrie auflegt, wenn sie das Bedürfnis nach ein bisschen Melancholie hat. Wenn sie drei Tage lang nicht aus ihrem graugrünen Winkel im ländlichen England herausgekommen ist. Wenn sie Lust hat, sich an die Zeit in Langley Manor zu erinnern. Die Zigaretten hinter der Turnhalle. Den billigen Wodka. Das Glücksgefühl, einfach so. Dann legt sie die CDs von Monsieur Nick auf, über die Jahre, immer wieder. Mit sechzehn, mit siebzehn, und später mit zwanzig, dreiundzwanzig, fünfundzwanzig und siebenundzwanzig. Wenn sie das Gefühl hat, aus ausreichend dickem Glas zu sein, um den Erinnerungen standzuhalten, und schlimmstenfalls den Tränen.
Das ist Jessica S., die Jessica S., deren Haar von einem Blond ist, das orange wirkt, voll und glatt und lang, die ein rundes, von hellen Sommersprossen gesprenkeltes Gesicht hat und so blasse Brauen und Wimpern, dass sie sie schminken muss, und große erstaunte Augen. Und das ist Jessica S., die singt: »She played the harp outside some eastern station, with faraway travelling eyes that cried, she sang lai lailai, she sang lai lailai«, während sie die Waschmaschine anstellt und an Vera denkt.
Das ist Vera. Vera, die Portugiesisch konnte, weil ihre Großeltern aus Mosambik waren. Vera, die besser tanzte als alle anderen, die Zöpfe trug, an denen ihre Mutter eine ganze Nacht lang flechten musste, die laut lachte und dabei alle Zähne zeigte und dich, wenn sie etwas von dir wollte, ansah wie eine Katze. Und das sind die Kinder der Kinder der Kinder der Kinder der Kinder der Moskitos, die eines Nachts in Mosambik, als Vera und ihre Schwester Monde sich auf der Terrasse betranken, ohne Mückenschutzmittel aufgetragen zu haben, zustachen und beide mit Malaria ansteckten. Für Monde war es eine Malaria mit drei Kreuzen, für Vera eine mit vier Kreuzen. In Mosambik misst man Malaria in Kreuzen:
+++++ cinco cruzes
++++ quatro cruzes
+++ três cruzes
++ duas cruzes
+ uma cruz
O número de cruzes indica o nível de gravidade da doença, desde 5 até 1 (o mais grave).
Monde musste ins Krankenhaus, und Vera blieb im Haus ihrer Tanten, um sich auszukurieren. Und das ist der Vater von Monde und Vera, der sich bei anderer Gelegenheit eine Malaria mit einem Kreuz eingehandelt hatte. Und sie dachten schon, er würde sterben. Aber er starb nicht.
Und das ist der erste von all den Tagen, die folgen sollten. Das sind Jessica und Vera, die eine Katze finden. Eine weiche Katze mit teerfarbenem Fell. Die flaumigste, zierlichste Katze, die man je gesehen hat. Das ist die Katze, die sich schnurrend in Jessicas Hand schmiegt, und Vera lacht, und Jessica ruft aus:
»Los, komm. Die nehme ich mit.«
Und Vera fragt:
»Du klaust eine Katze?«
Und Jessica nimmt die Katze auf den Arm und antwortet:
»Ich will eine Katze.« Sie geht ein paar Schritte und fügt hinzu: »Die ist weich wie Mehl.«
Und Jess hält Vera die Katze hin, damit sie sie anfasst. Und das ist die Katze, die sich über beider Brust fläzt. Wie über vier Brückenpfeiler. Und das ist Vera, die die Katze liebkost, ihr den Mund nähert und etwas auf Portugiesisch zu ihr sagt. Und das ist die immer entspanntere Katze. Und das sind die Nase, die Augen und die feinen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.