Das Lamm Gottes
"Ihr seid erlöst worden . mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken; der zwar zuvorerkannt ist vor Grundlegung der Welt, aber offenbart worden ist am Ende der Zeiten um euretwillen" (1. Pet 1,18-20).
Das Lamm - ein ewiger Gedanke Gottes
Mit diesen Worten führt uns der Geist Gottes zurück in die Ewigkeit, um uns einen Einblick in die wunderbare Geschichte des Lammes zu geben. Christus als das Lamm Gottes war kein Gedanke Gottes, den Er erst nach dem Sündenfall beschlossen hätte, sondern das Lamm war "zuvorerkannt vor Grundlegung der Welt". Nur wurde der ewige Gedanke an das Lamm erst dann in der Zeit sichtbar, als die Sünde in die Welt gekommen war. So spricht die Geschichte Abels bis heute von der Notwendigkeit des Opfers des Lammes, obwohl er schon vor vielen Jahrtausenden gestorben ist. Indem er Gott den Erstling seiner Herde opferte, offenbarte er die erste große Wahrheit, die jeder arme Sünder lernen muss, der zu Gott kommt: "Ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung" (Heb 9,22).
Das Lamm zum Brandopfer
Bei Abraham wird die Geschichte des Lammes weitergeführt, als in dieser wunderbaren Szene auf dem Berg Morija sein Glaube erprobt wurde (1. Mo 22). Gott sagt gewissermaßen: "Ich werde den Glauben Abrahams offenbar machen, den ich schon lange in seinem Herzen gesehen habe. Er ist vor mir gerechtfertigt worden durch Glauben, jetzt soll er auch durch Werke gerechtfertigt werden, die die Echtheit seines Glaubens an mich beweisen werden" (vgl. Jak 2,21). Wir können davon ausgehen, dass mit Sicherheit keiner so geprüft wurde wie Abraham. Hiob wurde durch den Verlust seiner Kinder, seines Besitzes und seiner Gesundheit geprüft, aber Abrahams Prüfung war tiefer. Von Hiob wurde verlangt, seinen Verlust anzunehmen; von Abraham wurde jedoch verlangt, ein Opfer zu bringen. Das eine war passive Akzeptanz, das andere aktiver Gehorsam.
Wie weit ging die Aufforderung: "Nimm deinen Sohn!" Und noch tiefer durchdrang das Schwert seine Seele, denn es musste sein einziger Sohn sein; und immer tiefer ging sein Schmerz, denn es musste Isaak sein, auf dem alle Verheißungen ruhten. Schließlich, als wäre die Prüfung noch nicht schwer genug, musste es auch der sein, den du lieb hast.
Doch es liegt mehr in dieser beeindruckenden Szene als nur die Glaubensprüfung Abrahams. So kostbar diese auch war, es gab etwas, was noch wertvoller und bewegender war: Hinter dieser Begebenheit steht die erhabene Geschichte des Vaters und des Sohns, von Gott und dem Lamm, von Christus und dem Kreuz. Abel zeigt uns, dass es ein "Schaf zum Brandopfer" geben muss; Isaak stellt die Frage: "Wo aber ist das Schaf?" Und Abraham gibt die einzig mögliche Antwort: "Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer." Kein von Menschen bereitgestelltes Lamm konnte in der Lage sein, der Heiligkeit Gottes oder der Sünde des Menschen zu begegnen. Gott selbst musste das Lamm stellen. Abraham weist auf das Kommen des Lammes hin, als er die verheißungsvollen Worte ausspricht: "Gott wird sich ersehen das Schaf zum Brandopfer."
Als Nächstes greift Mose die Geschichte des Lammes auf. Er zeigt das Wesen von dem, der allein den Ansprüchen Gottes begegnen kann. Das Lamm, das Gott sich ersehen wird, wird ein heiliges, fleckenloses Opfer sein, ein Lamm "ohne Fehl" (2. Mo 12,5).
Jesaja vervollständigt die alttestamentliche Geschichte des Lammes. Er zeigt uns die Art und Weise, wie das Lamm Gottes sein Werk vollbringen musste. Christus musste ein widerstandsloses, williges Opfer werden, denn Jesaja sagt von Ihm prophetisch: "Wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf" (Jes 53,7).
Christus, das wahre Lamm Gottes
Wenn wir uns dem Neuen Testament zuwenden, lassen wir die Schatten und Bilder und Prophezeiungen hinter uns und finden uns in der Gegenwart dessen wieder, der die Erfüllung all dieser Vorbilder ist. Johannes der Täufer beginnt die Geschichte des Lammes, wie sie uns im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums aufgezeichnet ist. Abraham hatte vorausschauend gesagt: "Gott wird sich das Schaf ersehen." Und Johannes antwortet darauf, "hinblickend auf Jesus, der da wandelte", über die zurückliegenden Jahrhunderte hinweg: "Siehe das Lamm Gottes." Als die Botschaft an Abraham gerichtet wurde, "Nimm deinen Sohn", so war das nur ein Vorbild auf Jesus, der hier als der Sohn Gottes bezeugt wird (V. 34). Wenn Gott zu Abraham sagte: "Deinen einzigen", dann hören wir jetzt den Geist Gottes bezeugen, dass Jesus der "eingeborene Sohn" ist (V. 18). Musste Abraham Isaak, den Sohn der Verheißung, opfern, dann wird Jesus als "der Christus" bezeugt; als der, in dem alle Verheißungen erfüllt werden (V. 41). Und so wie Abraham schließlich die Worte hörte: "Nimm deinen Sohn ., den du lieb hast", so wird Jesus als der Sohn vorgestellt, "der im Schoß des Vaters ist" (V. 18).
Wenn Johannes eine Antwort auf Abraham gibt und uns das Lamm in seiner Erniedrigung vorstellt, haben Philippus und Petrus eine Antwort auf Mose und Jesaja und stellen das Lamm in seinen Leiden vor. Philippus findet den Kämmerer, der gerade die große Prophezeiung Jesajas liest: "Er wurde wie ein Schaf zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm stumm ist vor seinem Scherer, so tut er seinen Mund nicht auf . Und anfangend von dieser Schrift verkündigte er [Philippus] ihm das Evangelium von Jesus" (Apg 8,32.35). Petrus erinnert uns daran, dass wir erlöst sind "mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken" (1. Pet 1,19).
Das Lamm in der Herrlichkeit
Der Apostel Johannes führt die Geschichte des Lammes in Offenbarung 5 fort, indem er uns das Lamm in seiner Herrlichkeit vorstellt. Die Erde hinter sich lassend, wird Johannes im Geist in den Himmel getragen und sieht zur Rechten Gottes ein Buch des Gerichts, das aber auch den Segen enthält, der durch Gericht erreicht wird. Doch wer kann das Buch öffnen? Und wenn niemand das Buch öffnen kann, wie können dann die Gerichte ihren Lauf nehmen? Wie kann der Segen erreicht werden? Wie kann das Böse gerichtet und wie sollen die Herrlichkeiten des Reichs eingeführt werden? "Wer ist würdig, das Buch zu öffnen?", ist die Frage, die an die versammelten himmlischen Heerscharen gerichtet wird. Es scheint, als ob sich Johannes in der unzählbaren Schar der Erlösten umschaut und doch niemand im Himmel findet, der würdig wäre, das Buch zu öffnen.
Dabei gehören so viele große Männer Gottes zu dieser Menge: Denken wir nur an Henoch, der mit Gott wandelte oder an Abraham, der auch mit Gott wandelte. Denken wir ebenso an Mose, der von Gott begraben und an Elia, der von Gott entrückt wurde - alle sind sie da, aber keiner ist würdig, das Buch zu öffnen. Also geht der Blick Johannes' auf die Erde, doch wenn er im Himmel niemand gefunden hat, dann wundert es uns nicht, dass er auch auf der Erde keinen findet, und noch weniger, dass er keinen unter der Erde findet, der würdig wäre, das Buch zu öffnen oder es nur anzublicken.
Daraufhin bricht Johannes in Tränen aus. Aber Tränen wird es im Himmel nicht geben. Auf der Erde mag das Weinen eine Nacht anhalten, in der Hölle wird das Weinen in Ewigkeit andauern, aber im Himmel wird Gott "jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen" (Off 21,4). Johannes ist der einzige Mensch, der je im Himmel geweint hat, und obwohl er sehr weinte, durfte er doch nicht lange weinen. Er hört einen der Ältesten sagen: "Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe, der aus dem Stamm Juda ist, die Wurzel Davids, das Buch zu öffnen und seine sieben Siegel" (Off 5,5).
Und Johannes, der so damit beschäftigt gewesen war, im Himmel, auf der Erde und unter der Erde nach einer würdigen Person zu suchen, hatte dabei den Thron ganz übersehen. So wendet er sich jetzt dem Thron zu, um den alles überwindenden Löwen zu sehen, und er "sah inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen wie geschlachtet." Der Löwe, der überwindet, ist das Lamm, das geschlachtet wurde.
Auf der Erde hatte Johannes die Worte gehört: "Siehe, das Lamm Gottes." Er war dem Lamm in seiner Erniedrigung gefolgt. Er hatte unter dem Kreuz gestanden und war Zeuge des Lammes in seinen Leiden gewesen. Er hatte zugesehen, wie die Menschen seine Hände und Füße durchbohrten an dem Ort der drei Kreuze, "wo sie ihn kreuzigten, und zwei andere mit ihm, auf dieser und auf jener Seite, Jesus aber in der Mitte" (Joh 19,18). Johannes hatte den Herrn Jesus als den Auferstandenen gesehen, am Abend des Auferstehungstags, als Jesus kam und in der Mitte stand und seinen Jüngern seine Wundenmale in seinen Händen und seiner...