Entgeistert stolperte er rückwärts in das Schlafgemach zurück und hob langsam die Hände. Der Eindringling war ein schlaksiger, mittelgroßer Bursche, der sich sein Halstuch über Mund und Nase gezogen hatte. Der Revolver in seiner Faust glänzte matt im Mondlicht, das durch die Fenster ins Zimmer fiel, als er Herman Knoxville folgte und die Waffe sofort auf dessen Frau richtete.
»Keinen Laut, Ma'am. Sonst muss ich Sie beide töten!«, zischte er warnend, und Geraldine presste sich die Faust vor den Mund. Ihr Gesicht wurde aschfahl, während ihr Gatte kraftlos mit dem Hintern auf die Matratze sackte.
Der Einbrecher war nicht allein. Entsetzt erkannten die Eheleute, wie zwei weitere Männer durch die Tür kamen, deren Gesichter ebenfalls unter den Augen von Bandanas verhüllt waren.
»Wie . wie sind Sie . hier reingekommen?«, fragte Knoxville mit stockender Stimme. Verstohlen warf er einen Blick zum geöffneten Fenster hinüber und fragte sich, wofür er seine Nachtwächter bezahlte.
»Ab jetzt öffnen Sie Ihren Mund nur noch, wenn ich Ihnen eine Frage stelle, verstanden?« Der Maskierte starrte ihn an und hob dabei auffordernd die Augenbrauen, bis Knoxville nickte.
»Sehr vernünftig«, raunte der Mann und wandte sich seinen beiden Begleitern zu. »Na los!«, sagte er mit leiser Stimme.
Einer der beiden ging um das Bett herum und hielt zwei Seile in seinen Händen. Als er sich Geraldine näherte, riss die Frau die Augen auf, und ihre Lippen bildeten ein entsetztes »O«.
»Bleiben Sie still und machen Sie keine Zicken, Lady!«, befahl der Anführer. »Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie tun, was wir sagen.«
Ein leises Krächzen kam aus der Kehle der Frau, doch es gelang ihr, den Schrei, der hinauswollte, im letzten Moment zu unterdrücken.
»Wir werden Sie beide jetzt fesseln. Danach beantworten Sie mir ein paar Fragen zu Ihren Habseligkeiten, insbesondere zum Bargeld und dem Schmuck Ihrer geschätzten Gattin, Mr. Knoxville. Sollten Sie sich als kooperativ erweisen, sind Sie uns schneller los, als Sie morgens Zeit auf dem Abort verbringen.«
»Damit kommt Ihr nicht davon, Ihr Schweinehunde«, stieß Knoxville hervor und ballte die Fäuste. »Ich werde euch .«
Er erstarrte, als er die kalte Mündung des Revolvers auf seiner Stirn spürte. »Kein Wort ohne Frage, schon vergessen?«, knurrte der Maskierte. »Ich treibe keine Späße, alter Mann!«
»Jetzt sei doch ruhig, Herman«, wimmerte Geraldine leise, und er drehte sich halb zu ihr um, um zu sehen, wie sie von dem Banditen an das schmiedeeiserne Kopfteil des Bettrahmens gebunden wurde.
Herman Knoxville knirschte mit den Zähnen und schob voller Zorn das Kinn vor, doch er zwang sich zu schweigen.
Sie banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und legten seiner Frau noch einen Knebel um, gingen dabei aber wenigstens einigermaßen glimpflich mit ihr um. Als Geraldine hilflos ans Bett gefesselt war, zog ihn einer der Männer auf die Beine. Erstaunt spürte er, wie kraftlos sich seine Beine plötzlich anfühlten. Die Muskeln unterhalb der Hüften schienen sich in Gelee verwandelt zu haben, und hätte ihn der maskierte Bandit nicht unter der Achsel festgehalten, wäre er wohl zu Boden gegangen.
»Sie haben Angst. Das ist keine Schande«, raunte ihm der Anführer zu, während er den Lauf seines Revolvers in Knoxvilles vorspringenden Bauch bohrte. »Halten Sie an ihr fest. Sie könnte Ihnen das Leben retten.«
Knoxville stieß scharf die Luft aus. Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Blase unter Kontrolle zu halten.
»Wo ist Ihr Safe?«
Als Knoxville in die Augen über dem Tuch sah, die ihn schmal und fuchsartig fixierten, glaubte er für einen Moment, dass er diesen Blick irgendwo schon einmal gesehen hatte.
Der Bursche hob die linke Augenbraue. »Das war eine Frage, also dürfen Sie jetzt sprechen.«
Knoxville ließ die Schultern hängen, dann deutete er mit einer Kopfbewegung zu einem Gemälde an der Wand. »Er ist hinter dem Bilderrahmen dort«, brachte er leise hervor.
Der hochgewachsene Kumpan mit dem dunkelgrünen Halstuch vor seinem langgezogenen Gesicht ließ ihn los, und er blieb schwankend stehen, während der Mann das Bild von der Wand nahm und beiseitestellte.
Dahinter kam ein Wandtresor zum Vorschein, nach neuester Bauart mit drei Rädchen versehen, auf denen Zahlenkränze eingestanzt waren.
»Die Zahlen, Mr. Knoxville«, forderte der Anführer ihn auf, und der Rinderbaron nannte sie ihm.
Der Bandit vor dem Tresor drehte die Rädchen in die entsprechenden Positionen, legte den Hebel um und öffnete die Tür des Tresors. Seine Augen weiteten sich ein wenig, er griff hinein und holte ein paar Dollarbündel hervor, die er dem Anführer mit triumphierender Geste entgegenstreckte.
Der nickte zufrieden. »Einpacken«, befahl er seinem Kumpan und winkte dem anderen Mann zu, der immer noch neben Knoxvilles Gattin am Bett stand. »Hilf ihm dabei.«
Während die beiden Banditen Jutesäcke aus den weiten Taschen ihrer Langjacken zogen, wandte sich ihr Anführer wieder Knoxville zu. »Der Schmuck Ihrer Frau. Wo werde ich den wohl finden?«
Geraldine riss die Augen auf und wimmerte unter dem Knebel leise vor sich hin, doch der Maskierte zuckte nur die Schultern. »Die Dame wird es verschmerzen, Sir«, sagte er, und Knoxville war sich sicher, dass der Bastard unter dem Tuch hämisch grinste.
»Drüben in der Lade des Schminktischs«, presste er hervor und warf Geraldine dabei einen bedauernden Seitenblick zu. »Eine grüne Schatulle. Aber bitte lassen Sie Ihr wenigstens den Goldring mit dem Smaragd. Er ist ein Erbstück meiner Großmutter und ihr Ehering.«
Der Maskierte drückte ihn mit der linken Hand zurück auf das Bett, bevor er zum Toilettentisch hinüberging und die Schublade darunter aufzog. Er nahm die Schatulle heraus, öffnete sie und warf einen langen Blick auf den Inhalt.
»Herrje, Herman«, brummte er. »Das muss wohl wahre Liebe sein. Sie haben sich ja richtig in Unkosten gestürzt, möchte ich meinen.« Mit dem Lauf seines Revolvers kramte er in der Schatulle herum, bevor er den Deckel wieder schloss und sie in seine Manteltasche gleiten ließ.
Seine beiden Begleiter hatten mittlerweile alles aus dem Tresor in ihre Beutel gestopft und sahen nun fragend zu ihrem Anführer.
»Der Ring. Bitte .«, rang sich Knoxville eine weitere Demütigung ab.
Vergeblich. »Wäre Ihr der Ring so wichtig, würde Sie ihn doch wohl am Finger tragen, denke ich«, entgegnete der Maskierte. »Nichts für ungut, Herman. Aber Leute wie Sie müssen lernen, dass zu viel protziger Reichtum den Charakter verdirbt. Sie haben ohnehin noch Unmengen an Geld auf der Bank und all diese Rinder auf Ihren Weiden, sodass sich die Verluste, die Sie heute verschmerzen müssen, dagegen wie ein Furz im Wind ausnehmen.«
Er trat vor das Bett und schlug Knoxville auf die Schulter. Eine Geste, die fast freundschaftlich hätte wirken können, wäre der Hieb dafür nicht deutlich zu kräftig ausgefallen. Der Rancher zuckte zusammen und blickte wütend zu dem Banditen auf.
»Sie werden nicht davonkommen, Sie Dreckskerl«, stieß er hervor, »Wie immer auch Ihr Name lautet, ich werde Sie jagen lassen, bis Sie am Galgen enden!«
Der Maskierte nickte langsam, dann wandte er sich zu seinen Männern um. »Knebeln und an das Bett binden«, befahl er, und die beiden gehorchten. Nur zwei Minuten später lehnte der Rancher genau wie seine Gattin zu Bewegungslosigkeit und Schweigen gezwungen neben ihr am Kopfende des Ehebettes.
»Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie unseren Besuch als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit verstehen, Mr. Knoxville«, sagte der Anführer der Einbrecher, während seine Begleiter bereits zur Tür hinaus waren. »Obwohl ich Ihnen eine derart christliche Gesinnung ehrlich gesagt nicht zutraue.« Er griff nach dem Türknauf und schob dabei den Revolver ins Holster. »Und wenn Sie dem Sheriff einen Namen nennen wollen, habe ich einen Vorschlag: Sagen Sie einfach, Billy the Kid hätte seine Aufwartung gemacht, um Ihnen etwas von der Last des unverdienten Reichtums abzunehmen.«
Mit diesen Worten schloss sich die Tür vor dem Maskierten, und Knoxville benötigte eine Weile, um zu kapieren, was er gerade vernommen hatte.
»Billy the Kid?«
Lassiter musterte sein Gegenüber sekundenlang aus verengten Augen, weil er an einen Scherz glaubte und an diesem Nachmittag absolut nicht in der Stimmung war, sich hinter die Fichte führen zu lassen.
Die malträtierten Rippen würden jedes Lachen sofort mit üblen Schmerzen beantworten, und das Pflaster über der Wange, das eine noch nicht ganz verheilte Schnittwunde verbarg, konnte nicht mal ein schmales Lächeln vertragen, ohne sich abermals von der Haut zu lösen.
Der letzte Auftrag hatte einige Spuren bei ihm hinterlassen, und eigentlich hatte er die Kanzlei von Douglas Kirk nur aufgesucht, um seinen Abschlussbericht abzugeben und sich danach für eine oder zwei Wochen in Albuquerque auszukurieren.
Doch Kirk war kein Mann, dem der Schalk im Nacken saß. Der Advokat mit dem hageren Raubvogelgesicht und den dünnen weißen Haaren, die sorgfältig von den Seiten über den...