Schweitzer Fachinformationen
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Im Laufe meiner langjährigen Arbeit als Biologin im Freiland habe ich mehrere Tausend Kotproben sowohl von Bären als auch von Wölfen untersucht. Shit happens, und das ist auch gut so: Mithilfe der Ernährungsstudien können wir indirekt auf das Verhalten der Tiere zurückschließen. Finden wir Mais im Bärenkot, so war der »Verursacher« sicherlich auf einer Plünderung auf den Feldern. Habe ich Schafsfell im Kot, dann weiß ich, dass er sich an Weidetieren vergriffen hat, was mitunter in Zukunft zu einem Problem werden kann, aber nicht automatisch muss. Die Analyse von Bärenkot ist bei Weitem nicht so geruchlich herausfordernd wie im Falle von Wolfskot, da es sich bei Wölfen um pure Fleischfresser handelt. Die bei der Verdauung von Fleisch entstehenden Merkaptane riechen wirklich fürchterlich, weshalb der Kot auch so stark stinkt. Zusätzlich haben sehr territoriale Tiere Duftdrüsen am After, die ein zusätzliches, stark riechendes Sekret absondern. Damit werden auch Reviergrenzen markiert, und Tiere aus anderen Territorien können diese Grenzen sozusagen leicht »erschnüffeln«.
Als ich in Polen meine Diplomarbeit zum Ernährungsverhalten von Wölfen mithilfe von Kotanalysen begann, sagte mir meine damalige Betreuerin: »Also entweder du gewöhnst dich innerhalb von drei Tagen an den Gestank, oder aber du hast keine Chance.« Offenbar hat das Gewöhnen gut geklappt, ansonsten hätte ich niemals so viele »Kackehaufen« absolvieren können. Im Gegenzug dazu ist der Bärenkot ein Potpourri an verschiedenen Futterelementen, von fruchtig bis nussig, aber manchmal auch voller Insekten oder mit Knochen, Fell, Zähnen und Krallen von Säugetieren. Unter all den drei großen Raubtieren ist der Bär das Tier, das am intensivsten mit den sich veränderten Futterbedingungen seiner Umgebung in einem Wechselspiel steht. Eigentlich sind sämtliche interne Prozesse des Bärenkörpers ideal auf die Bedingungen in der Umwelt abgestimmt. Die inneren Prozesse (oder im Fachdeutsch der Metabolismus) des Bärenkörpers verändern sich sehr stark im Laufe eines Jahres, was wirklich einzigartig ist und den Bären zu einem sehr besonderen großen Beutegreifer macht - allerdings wird er dadurch auch am sensibelsten für Veränderungen, was ihn mitunter in sehr große Schwierigkeiten bringen kann, beispielsweise wenn ein wichtiger Futterstoff in der entsprechenden Zeitperiode nicht verfügbar ist. Aber er hat im Vergleich mit den anderen zwei großen Beutegreifern, Wolf und Luchs, die vielfältigste Speisekarte und kann immer, falls einmal kein Fleisch zur Verfügung steht, auf pflanzliche Alternativen zurückgreifen, was ihm in Notzeiten einen bedeutenden Vorteil verschaffen kann.
Leider konnte ich für die wichtigen, innerlichen Zustände im Bärenkörper keine deutsche Übersetzung finden, sondern muss in diesem Falle wirklich die Fachbegriffe aus dem Englischen präsentieren. Die Begriffe können jedoch etwas verständlicher umschrieben werden. Eigentlich geht es um die aufgenommene Kalorienmenge, die sich über den Jahresverlauf ändert, da die Natur dem Bären unterschiedlich kalorienreiche Ernährung anbietet.
Wenn Bären aus dem Winterschlaf wieder zurück ins Leben kommen, dann haben sie nicht den vielmals zitierten Bärenhunger, sondern ernähren sich eher unterkalorisch. Die ersten Tage nach dem wirklichen Aufwachen sind Bären eigentlich genauso erschöpft wie viele Menschen, die eine anstrengende Partynacht hinter sich haben. Alles tut irgendwie weh, ist verspannt, der Kopf brummt, und der Kreislauf macht auch noch nicht so richtig mit. Viele Menschen, die Bären aus ihren Höhlen herauskriechen sahen, beschreiben ihr Aussehen als eher schäbig und verschlafen. Das Fell ist an vielen Stellen vom langen Liegen eingedrückt, und die Bären müssen sich immer wieder hinsetzen und können sich noch nicht wirklich bewegen. Der russische Bärenwissenschaftler Danilov und sein Team hatten ein unglaublich interessantes Projekt: Zusammen mit seinen Kollegen beobachtete er systematisch und über einige Jahre hinweg mehrere bekannte Bärenhöhlen, um genau zu beschreiben, was Bären eigentlich wirklich nach der Winterruhe machen. Die Bedingungen waren einfach, manche würden sie nahezu als primitiv bezeichnen. Die Bärenwissenschaftler saßen nämlich ganz einfach auf Bäumen oder in eigens angefertigten Unterständen und arbeiteten in »Beobachtungsschichten«. Über viele Stunden passierte wahrscheinlich erst einmal gar nichts, aber an effektiver Beobachtungszeit des Bärenverhaltens wurden über 14 000 Stunden notiert. Die Ergebnisse sind dadurch sehr eindeutig: Die Bären tappen die ersten Tage relativ verwirrt über den noch oft vorhandenen Schnee und kommen erst langsam wieder zu Kräften. In dieser Zeit trinken sie sehr viel und beginnen mit leichter Kost. Immer wieder müssen sich die Bären hinlegen und machen längere Pausen.
Die Frühjahrskost des Bären ist relativ karg und entspricht eher einer typischen Fastenzeit, die auch viele Menschen gerne im Frühling absolvieren, um den Körper zu reinigen und zu entgiften. Die Bären fressen hauptsächlich Gräser und verschiedene Kräuter, die ihnen die Natur langsam zur Verfügung stellt. Wahrscheinlich haben diese Kräuter auch im Falle des Bären einen Entgiftungseffekt, der sehr wichtig ist nach der langen Schlafenszeit, da sich Giftstoffe im Körper akkumuliert haben. Da Bären im Winterschlaf keinen Stoffwechsel haben, ihr Körper aber trotzdem weiter auf winziger Sparflamme arbeitet, sammeln sich dennoch einige Endprodukte an, die dann ausgeschieden werden müssen. Der gewaschene und getrocknete Bärenkot aus Gräsern und insbesondere Kräutern sieht fast so aus wie loser Kräutertee, den man sich in Drogerien und Apotheken kaufen kann. Teilweise riecht er so aromatisch, dass man nahezu am Geruch erkennen kann, welches Kraut der Bär konsumiert haben muss. Zudem fressen Bären auch gerne die Überreste an Bucheckern, die sie noch im Wald finden. Nach der langen Zeit unter der Schneedecke sind sie leichter verdaulich, als wenn sie frisch im Herbst vom Baum fallen. Beginnen die Samen jedoch zu keimen, verändern sie ihren Geschmack und werden bitter, weshalb die Bären sie dann verschmähen.
Im Laufe des Frühjahres und mit steigenden Temperaturen kommen allerdings kleine Kriechtierchen mit ins Spiel, die aus dem angeblich veganen oder vegetarischen Bären ein Raubtier werden lassen - wenn es sich auch nur um einen Insektenräuber handelt. Bären brauchen Protein, das für sie (wie für alle anderen Lebewesen auch) überlebenswichtig ist. Und deswegen hält er es allein mit der Pflanzenkost nicht lange aus, schließlich hat er ein ähnlich gestaltetes Verdauungssystem wie die Allesfresser Schwein und Mensch und keinen so komplizierten Apparat wie die meisten Pflanzenfresser, die in einem langwierigen und chemisch aufwendigen Prozess selbst aus unattraktiver Rinde noch essenzielle Bestandteile inklusive Protein herausziehen können.
Bären mit ihrem buchstäblichen »Saumagen« können zwar so einiges fressen, brauchen aber Protein in einer leicht verwertbaren Form, um es entsprechend aufschließen zu können. Zwischenzeitlich könnte man sie daher als Insektenfresser bezeichnen. Zuerst beginnen sie mit Ameisen, hier schmeckt ihnen insbesondere die großen Holzameise (Componotus ssp.), da sie am wenigsten Ameisensäure, aber in ihrem großen Körper sehr viel Protein enthält. Andere Ameisenarten (Formiceae) werden zwar nicht verschmäht, aber sie sind eher zweite Wahl, denn sie haben einen geringeren Proteinanteil und größere Wehrhaftigkeit durch den erhöhten Anteil an Ameisensäure. Bären mögen es auch nicht besonders, von Ameisen angepinkelt zu werden, das gilt insbesondere an der empfindlichen Nase, aber auch an den Lippen.
Die Ameise rühmte sich ihrer Kraft vor dem Bären und sagte, sie sei stärker als der Bär. Und die Ameise hob wirklich ein größeres Ding auf als der Bär, denn keines ist so stark wie die Ameise. Darüber ergrimmte der Bär und fraß die Ameise auf. Seitdem hat der Bär angefangen, Ameisen zu fressen, und frisst sie, solange er auf Erden watschelt.
(nach Dänhardt; aus Finnland)
Leicht verdauliches Protein bekommen Bären im Frühjahr jedoch auch, wenn sie Fallwild finden können, also Schalenwild - dazu zählen z. B. Rehe, Hirsche, Gämsen und Wildschweine -, das den Winter nicht überlebt hat. Viele Bären gehen sogar mithilfe ihrer guten Nase aktiv auf die Suche nach Fallwild und werden im Gebirge oft an Abhängen gesehen, wo Lawinen abgehen. Die Nase des Bären ist ein physisches Wunderwerk und kann attraktives Futter auf eine Entfernung von 5 bis 9 Kilometer orten. Danilov und sein Team konnten effektiv beobachten, dass die Bären im Gebirge ganz genau wissen, dass immer wieder Gämsen, Steinböcke oder andere Säugetiere von den Schneemassen mitgerissen werden und dabei zu Tode kommen. Unter dem Schnee bleiben sie quasi frisch, und der endlich hungrig gewordene Bär hat keine allzu große Arbeit, um an das präferierte Fleisch zu kommen.
Von wegen Vegetarier: Zu guter Letzt gehen einige Bären ganz aktiv auf die Jagd nach Schalenwildarten wie Rothirsch, Rehwild oder Wildschwein, wobei insbesondere die noch wehrlosen Jungtiere gesucht werden. Einige slowakische Kotproben erzählen hierbei ihre eigene Geschichte: Anhand der zahlreichen, kleinen Wildschweinhufe, die nach Waschung des Bärenkotes in der...
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