Schweitzer Fachinformationen
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Mit lautem Gelächter verabschieden sich die fünf Studenten von ihren drei Kommilitonen, die noch auf ein Beck's in der Kneipe >Rote Ameise< im Viertel sitzen bleiben. Professor Schlaufheimer ist bereits vor einer halben Stunde gegangen. Er hatte seine acht Studenten auf ein Bier eingeladen. Die jungen Leute sind Teilnehmer seines Arbeitskreises >Die neuen Partisanen - der Weg in das Unrecht<. Schlaufheimer, Professor für Jura und Rechtsethik, hat mit ihnen in heißen Diskussionen darüber gestritten, ob sich aus den Studentenbewegungen Ende der 60er Jahre in Italien oder Deutschland zwangsläufig Terrorgruppen bilden mussten.
Der Professor, ein Mann um die 40, ist das große Vorbild seiner Studenten. Mit seinen langen, dunklen Locken, der schlanken Statur und der immer gleichen Kleidung - schwarze Hose, schwarzer Rolli - unterscheidet er sich kaum von seinen Schülern. Der Professor ist einige Tage zuvor aus Chile zurückgekehrt, wo er sich mit Vertretern der Kirche getroffen hatte, um sich über die Menschenrechtsverletzungen und die Zustände in den Foltergefängnissen zu informieren. Sein Bericht hat bei den Studenten großes Entsetzen hervorgerufen.
Und nun besitzen die USA und einige westeuropäische Länder die Frechheit, dem Diktator Pinochet Wirtschaftshilfe zuzusagen. Wobei das eigentlich nicht verwunderlich ist, denn schließlich haben die Amerikaner den Putsch im vergangenen Herbst unterstützt.
Die Kneipe ist, obwohl es bereits auf die Sperrstunde zugeht, immer noch voll, und dichter Zigarettenqualm dringt in jede Ritze der schlichten Holztische und Stühle, bleibt in der Kleidung der Gäste hängen.
»Wir sollten es machen wie der Andi«, tönt einer der drei Studenten, ein Junge von vielleicht 19 Jahren, mit fettigen blonden Haaren und einem Ziegenbärtchen. Das Kinn hat er tief in seinen grob gestrickten Pullover gesteckt, sodass nur die Unterlippe mit dem Bartansatz knapp hervorlugt.
»Was nuschelst du da, was für ein Andi?«, fragt seine Tischnachbarin. Ihre Gedanken sind eben noch bei Schlaufheimer gewesen. Einfach ein klasse Typ. Und diese Augen! Dunkelblau, himmlisch.
»Ja, der Andi eben. Der hat echt Courage. Hat einfach 'ne Bombe ins Karstadt-Kaufhaus geworfen. So etwas sollten wir machen. Und wenn die Bullen uns festnehmen, werden wir der Öffentlichkeit zurufen, was wir von dem Schwein Pinochet halten.« Der Blonde hat sich in Rage geredet.
Das Mädchen stoppt seinen Redefluss. Wie eine etwas zu groß geratene Audrey Hepburn sitzt sie mit übereinandergeschlagenen Beinen am Tisch. Ihre schwarzen Haare hat sie hochgesteckt und mit einer riesigen Sonnenbrille dekoriert.
»Jetzt halt mal die Luft an, Nummer 3. Da gehen doch jede Menge unschuldiger Leute drauf. Und überhaupt. Von welchem Andi faselst du die ganze Zeit? Nummer 6, du bist doch unser Mister Allwissend, von welchem Andi ist denn hier die Rede?«
Der als Nummer 6 Angesprochene rollt mit den Augen. Mit einer fahrigen Handbewegung schiebt er sich die dunklen Haarfransen, die ihm in die Stirn hängen, hinter sein linkes Ohr. Er zieht noch einmal an seiner Zigarette und drückt sie auf der Tischplatte aus.
»Stehst du heute auf dem Schlauch? Er meint den Baader. Der hat doch mit der Gudrun und noch ein paar Leutchen vor ein paar Jahren Brandsätze in einem Frankfurter Kaufhaus gelegt und gezündet. Ging um die Scheiße in Vietnam.«
»Ach, der Andi. Klar. Aber haben sie den nicht geschnappt, zusammen mit dem Jan-Kurt und dem Holgi?« Sie nippt an ihrem Bier.
Nummer 6 stöhnt genervt auf. »Jan-Carl1, nicht Jan-Kurt, und der andere heißt auch nicht Holgi. Das ist doch kein Meerschweinchen. Holger, Hol-geer, hörst du?«
Das Mädchen nickt ergeben. »Andererseits, eigentlich sind das doch richtige Verbrecher«, wirft sie ein, »ich meine, ihretwegen sind doch auch schon ein paar Menschen ums Leben gekommen. So weit darf das Ganze auch nicht gehen. Da hätt ich dann doch Skrupel.« Das Mädchen verstummt leicht verunsichert, als ihre beiden Begleiter sie ungläubig anstarren.
»Das glaub ich jetzt nicht. Wo hat denn unser Prinzesschen die letzten Jahre verbracht? Hat dir nicht eben der Schlaufi berichtet, was gerade in Chile passiert? Man muss auch mal Farbe bekennen. Meinst du, der Benno2 ist nur zum Spaß auf die Straße gegangen und hat sich über den Haufen schießen lassen?« Ziegenbärtchen haut mit der Faust auf den Tisch.
»Er und die anderen haben in Berlin gegen ein Unrechtsregime protestiert. Und was machen unsere Bonzen? Laden den König von Persien ein und knallen den Benno ab wie einen räudigen Köter.«
»Schah«, korrigiert ihn sein Gegenüber.
»Schah, König, Kaiser. Ist doch alles die gleiche Scheiße. Man muss schon für seine Prinzipien einstehen, Nummer 4. Zur Not mit Gewalt. Klar, Unschuldige sollten dabei nicht draufgehen .«
»Ja, aber .«, versucht seine Kommilitonin einzuwenden.
»Nix aber. Schau dir doch die Guerillas an. Ich meine unsere Guerillas, die vom 2. Juni.« Er trinkt das Beck's direkt aus der Flasche und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab.
Das Mädchen zuckt hilflos mit den Schultern und schüttelt schweigend den Kopf.
»Kriegst du gar nix vom echten Leben mit?«, der Dunkelhaarige wirft theatralisch den Kopf in den Nacken und hebt die Hände.
»Jetzt pass mal auf, Kleines, es ist dringend an der Zeit, dass du Nachhilfe bekommst. Bei dir hat der Schlaufi ja eindeutig versagt. Oder schläfst du mittwochs immer?« Er winkt der Bedienung mit der leeren Flasche. Sie nickt und bringt ihm ein neues Bier.
»Also«, fährt er fort, »der Benno starb am 2. Juni, so heißen auch die Guerillas - >Bewegung 2. Juni<. Die machen auch mit Bombenanschlägen auf sich aufmerksam. Hier mal ein Yachtclub, da mal auf die Bullen höchstpersönlich, alles in Berlin. Bremen ist ein richtig dröges Nest dagegen.«
Das Ziegenbärtchen hebt erneut die Faust und verteidigt seine Heimatstadt.
»Also bitte. So dröge auch wieder nicht. Der passive Widerstand hat hier Tradition. Ich war 68 dabei, als wir in Bremen mit Sitzblockaden die Erhöhung der Bus- und Bahnpreise verhindert haben. Es fing mit wenigen Leutchen an, am Schluss waren wir ein paar Tausend. So eine Demo müssten wir Studenten doch auch wieder hinkriegen. Ist besser, als 'ne Bombe ins Karstadt-Kaufhaus zu werfen. Da hat Nummer 4 recht.« Um seine Worte zu unterstreichen, hebt er seine Flasche und prostet dem Mädchen zu.
Der andere lässt sich nicht beirren. »Du weißt doch selbst, wie sie mit Demonstranten umgehen. Und wenn sie in noch so friedlicher Absicht kommen. Der Benno ist tot, den Rudi3 hat es fast ins Jenseits befördert. Und glaubt ihr, wir könnten einfach so gegen Pinochet demonstrieren, wo jetzt die Amis und der Westen den Arsch unterstützen? Nee, da müssen wir uns was Besseres einfallen lassen. Wir müssen dem chilenischen Volk unsere Solidarität bekunden, sie finanziell unterstützen. Eine Bank überfallen oder so. Los, ihr beiden Null-Nummern, macht euch mal ein paar Gedanken.«
»Ich find das mit den Nummern doof.« Das Mädchen trinkt den letzten Schluck seiner abgestandenen, lauwarmen Cola-Cognac-Mischung. »Die Idee von Schlaufi, uns nur noch mit Nummern anzusprechen, damit wir unsere Identität verlieren, so wie die Insassen im Foltergefängnis, war ja am Anfang klasse, aber jetzt? Das Seminar ist doch rum, was soll der Unsinn dann noch?« Sie spielt mit dem Bierdeckel, der vor ihr liegt. Ihre Stimme, der sie bewusst eine rauchige Note verleiht, klingt nun nörglerisch, als sie fortfährt:
»Wenn wir uns schon dem Befreiungskampf anschließen, dann brauchen wir auch richtige Decknamen. Ich nenn mich Gretchen, wie die Frau vom Rudi. Dann bist du der Rudi und dich nennen wir Benno.«
»Ach nee, guck mal einer an. Wenn's um die Liebe geht, hört Madame auch zu. Gretchen - sehr schön aufgepasst. Aber ihr seid doch Kindsköpfe. Decknamen, so ein Quatsch«, grinst das Ziegenbärtchen die beiden Freunde an.
»Nix da, wenn schon, denn schon.« Der Dunkelhaarige zottelt seine Haare zurecht und setzt sich sein grünes Wollkäppi auf. Die Zigarette, die er sich frisch angezündet hat, hängt locker in seinem Mundwinkel, sein linkes Auge hat er leicht zusammengekniffen, weil der Rauch das Auge reizt. Aber Hauptsache, lässig aussehen und versuchen, sich nichts anmerken zu lassen.
»Nennt mich fortan Che Guevara«, gibt er großkotzig von sich.
Das Ziegenbärtchen glotzt seinen Freund an, entlässt Kinn und Bärtchen aus dem Wollpulli.
»Also, so brauchst du mir auch nicht zu kommen«, raunzt er den Kumpel beleidigt an. »Du pickst dir wohl immer die Rosinen raus. Wenn schon, dann ist das mein Deckname. >Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche<, hat Che gesagt. Der Spruch ist auf meinem T-Shirt aufgedruckt. Auf meinem, wie ihr vielleicht mal mitbekommen habt.« Er tippt sich mehrfach mit dem Zeigefinger auf die Brust.
Das Mädchen versucht zu beschwichtigen, legt die Hand auf seinen Unterarm.
»Wisst ihr was, wenn ihr euch nicht einigen könnt, dann teilen wir uns den Namen. Ich taufe dich hiermit auf den Namen Che«, sie weist mit dem Finger auf das Ziegenbärtchen und deutet das Kreuzzeichen an. Dann wendet sie sich dem anderen zu. »Du, mein Lieber, sollst auf den Namen Gue hören, und meiner Wenigkeit sei für immer der Name Vara verliehen. Amen.«
Die beiden Jungs sehen sich an. Was ist denn in die gefahren? Dann prusten sie...
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