Schweitzer Fachinformationen
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10 Uhr Öland
»Seht mal, dort ist es schon!« Die Begeisterung des Vaters war nicht zu überhören. »Dort vorne, gleich sind wir da.«
»Ist was?« Mereta sah kurz von ihrem Handy auf, blinzelte in die Sonne, entdeckte ein Schild. »Ach das!«, kommentierte sie dann enttäuscht.
»Eketorp«, korrigierte der Vater leicht aggressiv.
»Na gut, dann eben Ekedings.«
»Aber wenn wir hier fertig sind, gehen wir in diesen Sommarpark!«, forderte Renke, die ältere Schwester, eine Erneuerung des Versprechens der Eltern ein.
»Ja. Habe ich nicht vergessen. Aber zuerst sehen wir uns diese Burganlage an.« Die Mutter zog zwei Schokoriegel aus der riesigen Handtasche und reichte sie in den Fond. »Diese Anlage stammt aus der Eisenzeit und dem Mittelalter. Hier nennt man sie auch Fornborg.«
»Glaubst du wirklich, ich bin noch so klein und blöd, dass man mich mit Schokoriegeln ruhigstellen kann? Diese blöde Burg ist sicher absolut langweilig. Da habe ich keinen Zweifel«, giftete Mereta.
Die Schwester sah betont neugierig aus dem Fenster, starrte dann durch die Windschutzscheibe. »Und wo soll diese Burg denn sein? Ich seh keine. Nichts. Keinen Turm, keine Zinnen, keinen Wassergraben.«
Renke klang enttäuscht.
»Diese Burgen sind völlig anders als die Mittelalterburgen, die ihr aus Deutschland kennt. Sie hatten eine Holzwand oder - wie diese hier - eine Mauer aus Stein zum Schutz vor Angreifern, bei anderen gibt es einen Erdwall, der das Areal umgibt. Innerhalb des Walls standen Hütten aus Holz, gedeckt mit Stroh. Einige waren für den Schutz der Menschen auf den umgebenden Höfen gedacht. Ist ja viel einfacher bei einem Angriff, diese kleinere Fläche als lauter verstreut liegende Einzelgehöfte zu schützen. Und durch die Weite drumherum waren Angreifer schnell zu entdecken.« Die Mutter schob die retournierten Schokoriegel schulterzuckend in die Tasche zurück.
Der Vater parkte den Wagen vor einem Restaurant. »Hier, seht mal. Die haben eine tolle Karte und man kann draußen sitzen. Torten gibt es auch. Im Internet werden sie bestens bewertet. Wir gehen das Stück zur Burg, sehen uns alles in Ruhe an und kommen zum Essen hierher zurück.« Er rieb in Vorfreude die Handflächen aneinander.
»Dann können wir auch gleich hier bleiben«, knurrte Mereta. »Ist ja schon geöffnet. Und für mich haben die eh nix. Oder glaubst du, die haben dicke Grillen im Angebot?«
»Bisher wurden nur selten Anlagen komplett restauriert. Man hat sich sehr viel Mühe gegeben, dem Besucher das Leben der Menschen damals vor Augen zu führen. Diese Burg ist in mancherlei Hinsicht besonders; unterscheidet sich von den anderen. Denn: Eketorp war keine reine Schutzburg für den Fall eines Überraschungsangriffs wie die meisten anderen«, er warf seiner Frau einen missbilligenden Blick zu, »sondern immer bewohnt und belebt. Eigentlich wie eine kleine Gemeinde oder eben ein Dorf hinter Mauern. Ihr solltet euch alles gut ansehen.« Der Vater tat, als habe er den Unwillen der Tochter gar nicht bemerkt, die Kommentare nicht gehört.
»Mann! Muss ich da wirklich mit?«, maulte das Mädchen nun lauter und setzte dann mit schlauer Miene hinzu: »Ich kann doch viel besser auf unser Auto aufpassen, wenn ich drin sitze. Falls einer beim Parken Probleme hat und uns rammt.«
»Oh, du bist um das Auto besorgt? Welch seltenes Ereignis!«, gab der Vater zurück und hievte sein nur mit größter Anstrengung in Bewegung zu setzendes Gewicht vom Fahrersitz. »Aber nein! Du bleibst nicht hier sitzen mit deinem Allzeitfreund Nokia. Ich sehe keine Gefahr für unseren Wagen, und selbst wenn, würde ich dich nicht als Wache zurücklassen. Sonst würdest du Interessantes verpassen. Du kommst mit.«
Dabei schob er die kräftigen Arme unternehmungslustig unter die Träger seines überdimensionierten Trekking-Rucksacks und kommandierte: »Na los. Alle raus hier!«
Von der Rückbank war deutlich das Wort »Bildungszwang!« zu hören.
Kaum war das Handy in den Rucksack geschoben und das Mädchen ausgestiegen, nörgelte es erneut: »Boah, Sonne ist hautschädlich! Und wir müssen das ganze Stück laufen! Ungeschützt. Ich werde doch besser im Auto bleiben!«
»Mereta, nun ist es aber gut. Kaum berührt dein Fuß den Boden, schon hast du einen neuen Grund zu meckern. Die ganze Familie Faktor 50 geschützt! Und du kannst gern dein Basecap aufsetzen! Wir gehen alle zusammen diese Burg ansehen und basta!« Jetzt klang sogar die Mutter gereizt.
Renke, die erkannte, es sei besser, die Verärgerungsgrenze nicht gänzlich auszuloten, stieß ihrer Schwester den Ellbogen in die Seite und flüsterte: »Lass gut sein!«
Ihrer Meinung nach bestand eine realistische Chance dafür, dass der Vater bei anhaltendem Widerspruch den Besuch des Freizeitparks ersatzlos streichen würde.
Während die Eltern sich mit wachsender Begeisterung umsahen, folgten die Schwestern in deutlichem Abstand mit zur Schau gestelltem Desinteresse.
»Sehr eindrucksvoll, nicht wahr?« Der Vater setzte sich in Bewegung.
»Oh, ja. Faszinierend!«, gab die Mutter zurück und fischte aus der Tasche eine Digitalkamera.
Die Schwestern zuckten mit den Schultern. Dummes Gehabe. Sie kannten das schon: vor dem Spaß - erst die Kirchen und Museen, das Schloss oder eben eine blöde Burg, die nicht einmal wie eine aussah. Ein gemauerter Kreis? Da gab es sicher nicht einmal eine Folterkammer. Und nach Moorleichen sah es hier auch nicht aus.
Sie hatten es ja geahnt: total langweilig!
Renke warf der wütend den Weg entlang stampfenden Schwester einen weiteren warnenden Blick zu.
»Was sollen wir hier?«, zischte Mereta ihr zu, während der Vater die Tickets für die Familie löste.
»Staunend herumgehen und ein begeistertes Gesicht machen«, erklärte die Schwester sachlich.
»So, es kann losgehen. In den einzelnen Hütten sehen wir auch Handwerker bei der Arbeit - mit den überlieferten Materialien und Werkzeugen. Man kann unterschiedliche Aktivitäten ausprobieren - zum Beispiel Bogenschießen, Brotbacken und vieles mehr. Ihr werden auf eure Kosten kommen. Ein Café und einen Shop gibt es auch. Wir sollten uns der nächsten Führung anschließen, damit wir alles mitkriegen«, fasste der Vater kurz zusammen.
»Ich bin aber nicht begeistert. Kein Stück«, zischte die Jüngere Renke zu.
»Egal. Dann gib dir wenigstens Mühe, so auszusehen. In den Freizeitpark möchtest du doch auch - und dort wirst du begeistert sein. Nimm dich einfach zusammen, umso schneller sind wir hier wieder raus.« Die Ältere hob die Hände gen Himmel und zuckte mit den Schultern.
»Boah, war ja klar! Du bist immer auf ihrer Seite. Und überhaupt, ich geh nicht mit in irgendwelche blöden Häuser mit Strohdach! Mir ist völlig rille, wer darin gewohnt oder gearbeitet hat.«
Damit ließ sich Mereta auf den Rasen neben dem Weg plumpsen, warf den Rucksack ins Gras.
»Ich jedenfalls gehe nicht weiter. Die Stauner in der Familie können mich auf dem Rückweg hier einsammeln«, knurrte sie, machte Anstalten, ihr Handy aus dem Rucksack zu fummeln.
Renke zische warnend: »Wage es nicht! Er braucht sich nur umzudrehen, und schon ist dieser Tag endgültig gelaufen. Ich für meinen Teil möchte gern in den Freizeitpark.« Rasch checkte sie, ob die Eltern weit genug voraus waren, um von dieser neuen Aktion Meretas nichts mitzubekommen. Gut, der Abstand reichte wohl, und so ließ sich Renke neben der Schwester auf den Rasen fallen, um sie etwas zu »entschärfen«, wie sie solche Beruhigungsaktionen nannte.
Mereta starrte Renke wütend an. »Ach ja? Ich gehe nicht neben euch her und gucke aufs Display. Ich sitze hier. Wer nicht herguckt, sieht gar nicht, dass ich mit WhatsApp beschäftigt bin. Also geht alle brav weiter und dreht euch nicht um!«
Sie warf sich herum, um in Bauchlage zu kommen - und sah .
Schrie, nein kreischte laut und gellend auf, sprang auf die Füße, begann auf einem Bein zu hüpfen und sich die Hände an der Hose abzustreifen. Ihre Stimme überschlug sich, sie heulte auf.
Ratlos beobachtete Renke diese Aktion, hielt sie für einen weiteren, aus dem Ruder gelaufenen Versuch der Schwester, Unruhe zu stiften und den Aufbruch zu erzwingen.
Keine gute Idee, wusste sie.
»Hör mit dem albernen Theater auf! Du bist so eine Idiotin.«
Doch die Schwester hörte nicht auf.
Hatte sie sich eventuell verletzt? In einen Ameisenhaufen gesetzt?
Entschlossen stemmte Renke sich hoch, trat einen Schritt näher an die Jüngere heran.
Erkannte sofort den Ernst der Situation.
Wusste, was zu tun war.
Entschlossen fing sie den Körper der zappelnden Schwester ein, schlang ihre Arme fest um deren Brust und Becken, fixierte sie kraftvoll, nahm ihr jede Bewegungsfreiheit. Dann hob sie das Mädchen leicht an und drehte es so, dass die Stelle, auf die sie gebannt starrte, aus dem Blickfeld verschwand.
Ein kleiner Kreis Schaulustiger bildete sich - vergrößerte sich rasch.
»Call the police!«, rief Renke mit deutlicher Hysterie in der Stimme. »We do need the police here!«
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis auch die Eltern bemerkten, dass die beiden Mädchen etwas entdeckt haben mussten, und zu der Menschenansammlung stießen.
»Was habt ihr jetzt schon wieder angestellt?«, polterte der Vater über die Köpfe all der anderen Menschen hinweg.
Die Mutter stand günstiger, erhaschte einen Blick auf die...
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