Schweitzer Fachinformationen
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Wenn wir auf unserer Lebenshöhe angekommen sind, eröffnet sich ein sinnbildlicher Panoramablick, der zur Standortbestimmung einlädt. Bevor wir die Zukunft ins Visier nehmen, ist es jetzt Zeit, den Blick ins Tal der Vergangenheit zu richten und die Wege zu betrachten, die uns hierhergeführt haben. Dieses Innehalten beinhaltet die Chance, manches - vielleicht inzwischen Überfälliges - zu verabschieden. Da sind zum einen die inneren Abschiede, wie von der vielfach gepriesenen Jugend, Schönheit und Kraft, aber auch die äußeren, die vor allem lieb gewonnene Rollen, Autoritätsverhältnisse und Einflussbereiche betreffen. Vieles hat sich im Laufe der Jahre verändert und fordert dadurch auf, es herzugeben, loszulassen, oder nötigt zum Rücktritt. Das fühlt sich zunächst nach Schaden oder Verlust an, führt danach aber in eine neue Freiheit.
Katrin Matzer erzählt: Als ich selbst in die Phase des Wechsels eintrat, stellte ich mir verstärkt viele Fragen: Wo stehe ich in meinem Leben? Warum bin ich dort, und wollte ich da jemals hin? Als Teenager und später Schulabgängerin hatte ich viele Pläne. Ich wollte Bücher schreiben, die Welt bereisen und so viele Menschen wie möglich kennenlernen, um mich mit ihnen auszutauschen. Und damit nicht genug: Das alles wollte ich mit möglichst viel Leidenschaft tun.
Nach einem Jahr Auslandsaufenthalt (das eines der besten Jahre in meinem Leben war) und einer anschließenden kaufmännischen Ausbildung entschied ich mich, BWL mit Schwerpunkt International Business und Fremdsprachen zu studieren, da mir sowohl der wirtschaftliche als auch der sprachliche Teil lag. Damals war es mir nicht bewusst, aber heute weiß ich, dass man bei der Entscheidung für ein Studium oder einen Beruf immer auch andere Fähigkeiten, Interessen und Talente brachliegen lassen muss und diese nicht leben kann, weil alles auf einmal eben nicht geht. Heute frage ich mich auch, ob ich damals die richtige Entscheidung getroffen habe. War das wirklich eine Wahl aus Leidenschaft?
Während des Studiums lernte ich meinen jetzigen Mann, damals ebenfalls BWL-Student, kennen. Wir stiegen in unsere ersten Jobs ein, heirateten, bekamen zwei Kinder und bauten ein Haus. Und spätestens mit dem Hausbau hat sich das bürgerliche Leben irgendwie verselbstständigt. Solange die Kinder klein waren, stellte ich das alles nie infrage. Ich wollte das alles so. Jetzt, wo ich in unserem eng bebauten Wohngebiet quasi zu den Nachbarn »rüberspucken« kann, empfinde ich mich oftmals als sehr eingeengt. Sowohl in der Wohn- als auch in der Lebenssituation. Es fühlt sich so festgefahren an. Einbahnstraße. Jeder hat sich sein Stück Wohlstand geschaffen und muss es mit Rennen im Hamsterrad verteidigen. Das kommt mir alles gerade sehr wenig sinnstiftend vor, und ich frage mich, ob wir überhaupt darüber nachdenken, was wir eigentlich wollen und was uns wichtig ist, oder einfach alle tun, was man halt so tut. Es stellt sich im Grunde die Frage: Wofür das alles?
Ich glaube, ich habe früher nicht über das »Wofür« nachgedacht. Die Frage hat sich nicht gestellt. Jetzt, da viele für mich wichtige Dinge, wie Kinder und Familie, bereits realisiert sind, stellt sich die Frage nach einem neuen Ziel, nach dem Zweck meines Daseins. Natürlich ist die Familie weiterhin sehr wichtig für mich und bleibt ein Daseinszweck, aber da sich die Situation verändert, die Kinder Teenager sind, nicht mehr lange bis zum Schulabschluss haben und das Haus in absehbarer Zeit verlassen werden, ändert sich die Art der Fürsorge und gibt neuen Freiraum, der sinnvoll gefüllt werden will. Diesen neuen Sinn muss ich jetzt für mich finden. Vielleicht kann ich jetzt die Talente und Interessen leben, die ich damals bei der ersten (Berufs-)Entscheidung unberücksichtigt gelassen habe? Ich bin selbst gespannt!
Wie läuft eigentlich das Leben ab? Es ist in den meisten Fällen keine ansteigende Gerade, sondern eher wie ein Bogen, wie ihn die Sonne beschreibt, wenn sie bis zum Zenit aufsteigt, von da aus langsam wieder absteigt und bis zum Sonnenuntergang ihren Lauf vollendet. Zumindest sieht unser Auge das so, obwohl die Sonne sich ja streng genommen gar nicht bewegt. Ihr Lauf sieht rund aus, und das ist vergleichbar mit unserem Leben: Mit dem Erreichen der Lebensmitte - wenn also theoretisch genauso viel Lebenszeit hinter uns liegt, wie wir noch vor uns haben - ist der Aufstieg des Lebensbogens geschafft. Statistisch gesehen erreichen wir Frauen die Mitte mit 42 Jahren.
Als das bei mir der Fall war, stellte sich, wie bei vielen meiner Altersgenossinnen, ein ziemlich ernüchterndes Lebensgefühl ein. Ich war auf der Höhe des Lebens angekommen, und ich begann, Bilanz zu ziehen. Alles schien mir bekannt zu sein. Was hatte das Leben denn noch zu bieten? Ich war erschöpft von meiner Reise, oder war es vielleicht von der hohen Arbeitslast der mittleren Jahre? Es war die Zeit, in der mein Mann und ich sowohl unsere flügge werdenden Kinder als auch die alt gewordenen Schwiegereltern unterstützten und für sie da sein mussten. Dazu kamen Berufstätigkeit und viel ehrenamtliches Engagement. Neben der permanenten Überbeschäftigung entstanden Gefühle der Bekanntheit und Monotonie. In vielem machte sich eine Routine bemerkbar, die zunehmend die Frage nach dem »Wozu« stellte. Wozu rackerte ich mich mit Haushalt, Familie und Gemeinde ab? Warum gestattete ich es mir nicht, nach Feierabend faul auf dem Sofa zu liegen, sondern nahm ständig abends Termine wahr oder beantwortete E-Mails?
Viel Tamtam und wenig Wirkung. Und was wollte ich eigentlich bewirken? Was konnte ich denn bewirken? Nichts! Ich hatte mich im »Zuviel« verloren, und gleichzeitig war mir die Leichtigkeit abhandengekommen. Das Leben stand in diesen Jahren auf existenzielle Weise auf dem Prüfstand. Ich sehnte mich nach etwas Unbekanntem. Alles in meinem Leben war so vertraut, fast eintönig und langweilig, obwohl ich keine Langeweile kannte. Zusätzlich spürte ich, dass mir meine Zeit irgendwie davonlief. Wenn ich noch mal den Kitzel des Fremden spüren und neues Land erobern wollte, dann müsste ich es jetzt tun.
Haben Sie schon mal eine Bergwanderung unternommen? Wenn ja, wissen Sie, wie anstrengend es ist, Höhenmeter hinter sich zu bringen, um endlich den Höhenkamm oder das Gipfelkreuz zu erreichen. Das ist Aufstieg pur. Doch dann, wenn wir auf der Höhe angekommen sind, erschließt sich eine wunderbare Sicht. Ganz ähnlich ist es, wenn wir in der Lebensmitte angekommen sind. Wir haben den Aufstieg des Lebensbogens gemeistert und genießen eine Art Panoramablick. Was können wir da alles entdecken! Wenn wir zurückschauen, sehen wir den Weg, der hinter uns liegt, vielleicht mit unseren Umwegen, Sackgassen, Wegkreuzungen. Wir haben vieles erreicht und kennen das Leben. Auf dem Höhepunkt des Lebens beginnen wir unwillkürlich, Bilanz zu ziehen, denn wir spüren, die verbleibende Zeit ist angezählt. Damit wird die Zeit kostbarer, sodass der Wunsch entsteht, diese nicht zu vergeuden, sondern zu genießen, zu investieren und sinnvoll zu nutzen. Denn mit diesem Wissen schauen wir auch nach vorne und erkennen, dass der Weg schon bald wieder ins Tal abfällt. Midlife-Zeit ist Umbruchzeit, in der wir das Bisherige hinterfragen und infolgedessen überdenken, welchen Weg wir für unsere weitere Reise nehmen wollen. Es ist auch die Zeit, in der wir uns überlegen, ob das jetzt schon alles war, oder ob das Leben vielleicht noch etwas anderes zu bieten hat. Noch mal was Neues, Unbekanntes, Aufregendes. Vielleicht noch mal verlieben und die Wirkung von Adrenalin spüren, noch mal neue Weichen stellen, noch mal Abenteuer erleben, bevor der Abstieg beginnt.
Dieses alles auf den Prüfstand stellen, verbunden mit der Sehnsucht, dem Leben noch mal eine neue Richtung zu geben, kann in eine wirkliche Sinnkrise führen, die sich meist im Alter von Mitte vierzig bis Anfang fünfzig ankündigt. Sie verläuft manchmal still und ist kaum bemerkbar, manchmal kommt sie aber auch spektakulär daher, stellt alles infrage und treibt wundersame Blüten. Ich denke an einen mir bekannten Professor, der in der Lebensmitte plötzlich seine langjährige Ehefrau gegen eine seiner Studentinnen austauschte. Als Krönung wurde er Anfang fünfzig noch mal Vater. Oder ich erinnere mich an eine Ratsuchende, die beschloss, ihren langweiligen Ehemann und ihr Einfamilienhaus samt eintönig empfundenem Alltag hinter sich zu lassen. Sie wollte zu neuen Ufern aufbrechen, sich endlich mal um ihre Bedürfnisse kümmern. Doch auch Jahre später hat sie noch nicht gefunden, wonach sie sucht, sondern verhält sich eher wie ein ichzentriertes Kind, dem ihre ganze Fürsorge gilt. Ihre Sinnkrise hat sich zu einer ausgesprochenen Lebenskrise entwickelt.
Krisen beinhalten immer Gefahren und Chancen. So kann die Midlife-Krise zur großen Gefahr werden, wenn Betroffene alles über Bord werfen, was ihnen bisher lieb und teuer war, um dadurch noch mal eine reizvolle Unbekanntheit des Lebens zu entdecken und neu anzufangen. Andere sind weniger risikofreudig und ziehen eine ernüchternde Lebensbilanz. Sie distanzieren sich dabei von jeglicher Erwartung und entwickeln sich zunehmend in einen Skeptiker und Verächter des Lebens.
Die Krise kann jedoch auch zur Chance werden, wenn der bisherige Lebensweg so angenommen wird, wie er eben war. Eine liebe Freundin zum Beispiel hat in ihrem Leben manche Abzweigung genommen, die sie sich im Nachhinein gerne erspart hätte. Doch sie ist weder bitter noch vorwurfsvoll geworden, sondern trägt in einer reifen Gelassenheit die Verantwortung für ihre Umwege. All das hat sie in eine tiefere Beziehung...
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