Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es war heiß, und es gab schon viele Fliegen, als meine Tante Ana Rosa meinen Cousin Pablo, meine Cousine María und mich in die Bäckerei Orejón schickte. Ich hatte ein T-Shirt an, auf dem stand: »Meine Großeltern, die mich sehr lieb haben, haben mir dieses T-Shirt aus Vigo mitgebracht«, das meine Großmutter Mari Cruz und mein Großvater Vicente auf einer staatlich geförderten Seniorenreise für mich gekauft hatten, und María trug ein Baumwollkleid mit Fransen und einem aufgedruckten Hund, dem vom vielen Waschen Körperteile fehlten. Wir sollten die Baguettes für die Tortillabrote kaufen, und ich befehligte den Marschtrupp als stolzer Feldwebel, weil Pablo sechs war, María fünf, ich aber schon acht. Die Tür war noch zu, denn es war früh, also klingelten wir. Der Orejónbäcker öffnete, und im ersten Moment, bevor ich den Kopf hob und ihm ins Gesicht sah und ihm erklärte, dass wir Brot kaufen wollten, sah ich nur einen haarigen Bauch, und der Nabel war ausgestülpt.
Er führte uns in den Verkaufsraum, wo es nach Mehl und nach Ofen roch und noch schummrig war, und gab uns die Brote. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, tuschelten wir über seinen ausgestülpten Nabel, weil wir alle drei auf seiner Höhe gewesen waren und ihn bemerkt hatten, und dann rannten wir los zum Haus von meinen Großeltern, was auch das Haus von Pablo und María war und von meiner Tante Ana Rosa. Hüpfend liefen wir die Calle el Cristo hinunter und riefen dabei, dass der Nabel vom Orejónbäcker ausgestülpt war, und wie ausgestülpt der Nabel vom Orejónbäcker war. Pablo konnte seinen auch rausholen, und wenn er das tat, nannten wir ihn Marsmännchenmaul, und wenn die Ana Rosa ihn dabei erwischte, dass er das tat, dann schimpfte sie mit ihm, und wenn sie meine Cousine Marta oder mich, die älter waren als Pablo, dabei erwischte, dass wir ihn aufforderten, das zu tun, dann schimpfte sie mit uns, wir würden ihn aufhetzen. Bei unserer Ankunft erzählten wir drei ihr im Chor aufgeregt das vom Orejónbäcker, während wir ihr die Brote gaben, und sie sagte, wir sollten sie nicht um das Wechselgeld betuppen und schnell machen und unsere Rucksäcke packen, die Juli und Pepe seien gleich da.
Pepe war auch ein Onkel von mir, einer der Brüder meines Vaters, und die Juli war seine Frau, und wir würden zusammen mit ihren Kindern, die auch meine Cousinen und Cousins waren, ins Aquopolis nach Villanueva de la Cañada fahren. Meine Eltern waren wieder heim nach Ontígola gefahren und hatten mit meinem Onkel und meiner Tante ausgemacht, dass die mich nach dem Tag im Wasserpark nach Hause bringen würden. In den Peugeot 309 von meinem Onkel Pablo und der Ana Rosa stiegen, ohne Kindersitze und Gurte, mein Cousin Pablo und meine Cousine María, also ihre Kinder, und ich mit meinem Cousin Alberto, dem Mittleren von Pepe und der Juli. In den schwarzen Ford Orion von Pepe und der Juli stiegen deren Tochter Isabel, meine Cousine, die wie María fünf Jahre alt war und der ihre Brüder beigebracht hatten, alle Vokale zu rülpsen, außerdem ihr Bruder Mario, von meinen Cousins einer der Ältesten, und zwei Freunde von ihm: Edu und Repi, der lange Haare hatte und einen Mittelscheitel und der für mich aussah wie Quimi aus der Serie Compañeros, aber das sagte ich ihm nicht.
In beiden Autos saß einer zu viel, und als wir die Autobahn erreichten und sahen, dass die Guardia Civil dort stand, wurde mein Onkel Pablo nervös und fürchtete, wir würden einen Strafzettel bekommen, deshalb mussten wir umdrehen und die Nationalstraße nehmen. Es war nicht meine erste Fahrt als eine zu viel im Auto. Mit fünf war ich auf dem Schoß meiner Tante Arantxa von Criptana nach Ontígola gefahren und hatte mich geduckt, als meine Großmutter María Solo sagte, ich solle mich ducken, da vorn würde die Guardia stehen. Mit meinen Eltern war das nie vorgekommen, obwohl wir fast jeden Freitag von Ontígola nach Criptana fuhren und sonntags wieder zurück, erst im Lada und später im Clio.
Die Ana Mari nahm immer viel zum Anziehen mit, und mein Vater lachte darüber, dass sie so viel zum Anziehen mitnahm, wo wir bloß zwei Tage ins Dorf fuhren. Die Kleidungsstücke, die leicht verknitterten, hängte sie auf Bügeln an die Handgriffe im Fond des Lada, und einen Gutteil der Fahrt brachte sie damit zu, mit mir zu schimpfen, weil ich sie anfasste, und wenn ich antwortete, ich würde sie gar nicht anfassen, was nicht stimmte, weil ich zu gern mit der Hand über die Sachen von der Ana Mari strich, dann sagte sie, ich solle nicht schnippisch sein und nicht solche Antworten geben. Dann fing ich an, aus dem Fenster zu schauen, und spielte, ich würde Dinge in den Wolken sehen, weil das die Kinder in Filmen taten, wenn sie im Auto unterwegs waren, still aus dem Fenster schauen und Dinge in den Wolken sehen. Aber das wurde mir schnell langweilig, und ich sagte zu meinem Vater, dass er die Kassette von El Último de la Fila rausnehmen und für mich die von den Toreros Muertos einlegen sollte, die mit dem Lied übers Pinkeln.
Wir fuhren wegen der Familie so oft nach Criptana, aber auch, damit die Ana Mari und mein Vater, die beide Anfang zwanzig waren, ihre Freunde treffen konnten, Onkel Domingo und Onkel Juan, wie ich sie nannte, und wenn sie mit ihnen feiern gingen, dann sagten sie zu mir, sie würden auf die Beerdigung von Manolo Cacharro gehen. Die ersten Male glaubte ich das, wie sollte ich auch eine Beerdigung bestreiten, ich war ja ein Kind und kannte mich nicht aus mit dem Tod, aber eines Abends baute ich mich vor ihnen auf und fragte, wie oft dieser Manolo Cacharro denn noch vorhätte zu sterben. Meine Großmutter María Solo, bei der sie mich ließen, wenn sie feiern gingen, lachte und sagte, die beiden würden was trinken gehen, aber wir beide würden den Russischen Salat zu Abend essen, den sie uns gemacht hatte, und dann Tute spielen, und morgen sei ja Wochenmarkt in Las Mesas und da müsse ich meinem Großvater Gregorio und ihr beim Aufbauen helfen.
Aber an dem Aquopolis-Tag hatte ich nicht bei meiner Großmutter María Solo übernachtet, sondern bei Pablo und María, die Bettdecken mit den 101 Dalmatinern hatten und außerdem Rex, den Dinosaurier aus Toy Story. Über die Nationalstraße kamen wir ohne Strafzettel an, und eine Weile stritten wir, ob wir erst zu den Hangrutschen oder zum Splash gehen sollten, und ich erzählte meinen Cousins und Cousinen, dass es in Aranjuez auch ein Aquopolis gab, bloß dass alle »das Schwimmbad vom Toten« dazu sagten, weil dort einer gestorben war, der die Rutsche runtergerutscht war, und sie glaubten mir nicht, aber es stimmte.
Wir einigten uns darauf, am besten erst zu den Hangrutschen zu gehen, weil Isabel und María, die noch klein waren, dort rutschen durften, und als wir ankamen, sahen wir einen Reporter der Realityshow Aquí hay tomate mit einem Mikrofon in der Hand, und bei ihm war Aramís Fuster. Sie steckte in einem Badeanzug mit Leopardenmuster und trug das Haar in einem üppigen hohen Zopf. Während sie die Stufen ins Wasser hinabstieg, schaute sie von einer Seite zur anderen und strich sich mit sinnlicher Geste übers Haar, und wir rannten zu den Handtüchern, um der Juli und der Ana Rosa davon zu berichten, und machten sie mit wiegenden Hüften nach. Die Ana Rosa meinte lachend, ich solle zu ihr hingehen und Hallo sagen, und wir rannten zurück zum Becken, und als der Kameramann sie aufforderte, aus dem Wasser zu kommen, trat ich hinter der Hecke hervor, wo wir gestanden hatten, schaute hoch und fragte sie: »Aramís, krieg ich einen Kuss von dir?«, und sie gab mir einen, und der Reporter von Tomate verabschiedete sich mit einem Blick in die Kamera und rief: »Seht ihr? Sogar die Kinder sind verrückt nach ihr!«
Meine Cousins und Cousinen erzählten es meiner Tante Ana Rosa und meinem Onkel Pablo und meinem Onkel Pepe und der Juli, und die lachten noch Jahre später über das »Aramís, krieg ich einen Kuss von dir?«, und immer wenn sie darauf zu sprechen kamen, war mir das sehr peinlich, denn Aramís war durchgeknallt, und geküsst hatte sie mich, weil ich sie darum gebeten hatte, aber ich hatte ja auch noch nie einen Promi aus der Nähe gesehen. José Bono, eigentlich Pepe, seit die Ana Mari ein Selfie mit ihm gemacht hatte, als er zur Rathauseinweihung nach Ontígola kam, also Pepe, den Präsidenten der Region, hatte ich schon aus der Nähe gesehen, aber einen richtigen Promi nie.
Als sie mich sonnenverbrannt und mit geröteten Augen nach Ontígola zurückbrachten und meinen Eltern davon erzählten, lachten die auch und malten sich aus, wie sie Telecinco verklagen und einen Batzen Geld einstreichen würden, sollte ich im Fernsehen ohne die Pixel auftauchen, die über das Gesicht von Andreíta gelegt wurden, der Tochter vom Torero Jesulín und dem Fernsehpromi Belén Esteban.
Die Ana Mari und mein Vater waren gerade aus dem Leclerc zurückgekommen, und ich war sauer auf sie, weil sie ohne mich dort gewesen waren, wo ich doch so gern in den Leclerc ging. Er hatte erst vor kurzem in Aranjuez eröffnet und war der erste große Supermarkt, den ich in meinem Leben gesehen hatte, und es war dort ganz anders als bei der Rocío, in der Bäckerei von der Benita oder beim Orejónbäcker, dessen haariger Bauch und ausgestülpter Nabel mit das Erste gewesen waren, was ich gleich nach dem Aufstehen gesehen hatte.
Einkaufen war fast immer Sache meines Vaters, und manchmal nahm er mich mit in die Markthalle von Ocaña, um Hähnchen zu kaufen, und ich hatte das Gefühl, dass der Geruch nach totem Tier und nach Chlorreiniger und nach den Kohlblättern auf dem Boden an mir kleben blieb. Andere Male fuhren...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.