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Am Ende des grauen Betonwegs vor dem Eingang des Kobe Bryant Gymnasium blühte ein provisorischer Gedenkgarten voller Farben und Erinnerungen: Kerzen, Kränze, Sneaker und Trikots hatten sie zur Sporthalle gebracht, das Kastanienbraun und Weiß standen für die Lower Merion High School Aces, Lila und Gold für die Los Angeles Lakers, das Orange und Braun symbolisierte Basketbälle, Rosen sah man in Gelb und Rot. 48 Stunden zuvor war ein Sikorsky S-76B-Hubschrauber vom John Wayne Orange County Airport in Südkalifornien abgehoben, in Kreisen über einem Golfplatz geschwebt, hatte versucht, eine dichte Nebelbank zu durchschneiden, und war dabei in eine Schlucht inmitten von Hügeln gestürzt. Neun Menschen an Bord des Helikopters waren dabei ums Leben gekommen: Kobe, seine 13-jährige Tochter Gianna, der Pilot und sechs Teilnehmer von Kobes AAU-Basketballprogramm, darunter zwei von Giannas Mannschaftskameradinnen - alle auf dem Weg zu einem Turnier in Kobes Mamba Sports Academy, 45 Meilen nordwestlich von Los Angeles.
Das Unglück hatte sich am Sonntag, den 26. Januar 2020, zugetragen. Jetzt war es Dienstag, ein kristallklarer Nachmittag in den Vororten westlich von Philadelphia, ein Schultag, luftig und kühl. Die Schüler, die über das Gelände gingen, blieben vor dem Eingang der Sporthalle stehen, um die verschiedenen Gegenstände zu betrachten und miteinander zu tuscheln. Männer und Frauen mittleren Alters parkten ihre Autos ein paar Blocks entfernt und gingen dann in Stille zu diesem Ort, so, als würden sie eine Kirche betreten. Mark Kerr, ein 64-jähriger Lakers-Fan aus New Jersey, war an diesem Tag 90 Minuten mit dem Auto nach Philadelphia gefahren, um mit seiner Frau und seinem Neffen die Gedenkstätte zu besuchen, um sich mit Kobe verbunden zu fühlen. Drei Mitglieder des Junioren-Basketballteams, das 2006, also zehn Jahre, nachdem Kobe die Schule zur State Championship geführt hatte, den Erfolg wiederholt hatte, stellten ein gerahmtes Foto auf. Darauf saß Kobe mit ihnen auf einer Bank. Eine WNBA-Spielerin hatte ihm einen Brief auf Papier geschrieben: "Ich fühle mich so egoistisch, weil ich einfach nur daran denke, was du alles über die Zeit unter uns noch hättest erreichen können ."
In diesen zwei Tagen hatte Gregg Downer nicht ferngesehen, er hatte es vermieden, Radioberichte zu hören, und war nicht ein einziges Mal an der Gedenkstätte stehengeblieben. Wie oft war er mit gesenktem Kopf dort vorbeigelaufen und einfach in die Turnhalle gegangen? Wie oft würde er noch darüber nachdenken müssen, was er verloren hatte, was die Welt verloren hatte? Downer konnte es nicht sagen, aber er wusste, dass er es nicht ertragen konnte, seine Zeit dort zu verbringen. Es war auch so viel von ihm, das auf diesem Boden zu sehen war. Er war jetzt 57, sein Gesicht war faltiger und wettergegerbter als zu seiner Zeit mit Kobe, als er Anfang 30 und so jungenhaft war, dass man die beiden für Zimmergenossen auf dem College hätte halten können. Sie hatten sich so nahegestanden, sich so gut gekannt und einander so sehr respektiert.
Am Morgen und frühen Nachmittag jenes Sonntags stand Downer in seiner Küche und beaufsichtigte seine siebenjährige Tochter Brynn und eine ihrer Freundinnen. Wann immer Kobe Brynn begegnet war, hatte er sie in den Arm genommen, ihr Gesicht gestreichelt und sie fest an sich gedrückt, als wäre sie seine eigene, seine fünfte Tochter. Downer war erst mit 50 Vater geworden, nachdem Kobe und Vanessa bereits zwei Mädchen, Natalia und Gianna, bekommen hatten. Ihm war aufgefallen, dass Brynns Augen immer zu funkeln begannen, wenn sie Kobe sah - andersherum war es genauso gewesen. Downers Telefon klingelte. Ein Reporter. Downer ahnte, worum es gehen würde: Am Abend zuvor hatte LeBron James in Philadelphia Kobe überholt und war nun der Spieler mit den drittmeisten Punkten der NBA-Geschichte. Downer ging davon aus, dass der Reporter ein Zitat von ihm dazu haben wollte, und ließ das Handy einfach klingeln. Doch das Klingeln hörte nicht auf, über 90 Sekunden lang brummte und vibrierte das Handy ununterbrochen, als sei es von einem Poltergeist besessen. Downer wurde neugierig und öffnete Twitter. Dort sah er einen Link auf einen TMZ-Artikel: Kobe ist tot. Fünf Minuten lang betete Downer, dass die Klatschseite sich geirrt und sich ein kranker Internet-Troll einen grausamen Scherz erlaubt hatte. Dann war Brynns Spielstunde vorbei und die Küche der Downers ein Tal der Tränen.
Er ging die Treppe hinauf, ging wieder hinunter, ging durch die Haustür und lief durch die Vorstadtsiedlung, in der er und seine Frau Colleen seit 15 Jahren wohnten. Vorbei an braunen Rasenflächen und abgedeckten Swimmingpools, vorbei an den Häusern von Freunden, vorbei an all den Leuten, die schon lange wussten, dass Kobes Coach in ihrer Nachbarschaft wohnte. Downer konnte weder mental noch emotional Fuß fassen. War das wirklich passiert? Wer war noch an Bord des Hubschraubers gewesen? Wer hatte schon davon gehört? Würde er es den anderen erzählen müssen? Den anderen Männern, die Kobe in Lower Merion trainiert hatten? Den Mannschaftskameraden, die vor langer Zeit als Teenager Kobes engste Freunde gewesen waren, und seit er ein Star geworden war und in Los Angeles lebte, nun nicht mehr oft von ihm hörten und zu Leuten geworden waren, die früher mal Mannschaftskollegen von Kobe Bryant gewesen waren? Was war mit Jeanne Mastriano, die 30 Jahre lang Englisch an der Schule unterrichtet hatte, die zwar keine formale Verbindung zum Basketballprogramm hatte, aber dennoch eine Mentorin für Kobe geblieben war, weil sie die intellektuelle Neugier in ihm entfacht hatte? Wer würde es all diesen Leuten sagen? Tränen flossen in kleinen Schüben aus ihm heraus. Auf einem Tisch in seinem Haus brummte sein Handy weiter, Anrufe und Textnachrichten, jede einzelne ein kleiner Faden in einem Netz aus Entsetzen und Trauer. Downer ging nach Hause, ohne zu wissen, wen er als Erstes erreichen würde. Er fragte sich, ob er das Telefon überhaupt in die Hand nehmen sollte.
Ihre vier Kinder, alle unter elf Jahren, langweilten sich und suchten an einem winterlichen Sonntagnachmittag zu Hause nach einem Weg, um ihre angestaute Energie loszuwerden. Also nutzten Phil und Allison Mellet ihre Möglichkeiten. Beide waren ehemalige Schüler von Lower Merion, hatten 1998 ihren Abschluss gemacht. Sie hatten sich als Seniors kennengelernt und waren seitdem zusammen, Allison arbeitete dort noch immer als Spanisch-Lehrerin. Sie kam daher auch am Wochenende ins Gebäude. Schnell wurde zusammengepackt, eine kurze Fahrt zum Kobe Bryant Gymnasium, und schon waren sie in der Sporthalle: Während Allison aufs Laufband ging, spielte Phil mit den Kindern Basketball und Football. Mellet hatte sein Handy in einer Ecke der Turnhalle an die Wand gelehnt, gleich neben dem großen Berg an Winterklamotten, die die Kinder ausgezogen und dort aufgetürmt hatten.
Die Sporthalle, die seit 2010 Kobes Namen trug, nachdem er dem Schulbezirk 411.000 Dollar gespendet hatte, war viel größer als die alte, in der er und Mellet in der Saison 1995/96 in einem Team gespielt hatten. Damals hatte Kobes Stern bereits hell geleuchtet und Mellet, inzwischen Unternehmensanwalt, war ein dürrer Typ im zweiten Schuljahr gewesen und froh darüber, das ganze Kobe-Spektakel als Bankdrücker mitverfolgen zu können. Seit damals hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen.
Ohne die Tribüne, die nun an die Mauer gerückt war, wirkte die Halle sogar noch riesiger. Die Stimmen der Kinder hallten wider, als stünden sie auf dem Boden einer Schlucht. Die einzige weitere Person in der Schule war der Hausmeister. Trotzdem bemerkte Mellet, dass sein Handy brummte und Textnachrichten aufleuchteten. Sie stammten von alten Freunden und enthielten schreckliche Nachrichten.
Als er sie las, erfüllte ihn eine seltsame Leere. Obwohl er wie die meisten Jungs aus der alten Mannschaft keine Beziehung zu Kobe mehr hatte, war Mellet doch glücklich, mit ihm gespielt und ihn kennengelernt zu haben. Wann immer er in seinem Job jemanden traf, seien es Investoren oder Aktionäre oder andere Anwälte, fand er einen Weg seine Verbindung zu Kobe zu erwähnen. Was für ein wunderbarer Eisbrecher, besser jedenfalls als die immergleichen Fragen zu den Kindern oder dem Golfspiel oder zu anderen Themen, die jeder hätte stellen können. Du warst im selben Team wie KOBE?! Die Gesprächspartner strahlten und Mellet verspürte selbst eine gewisse Aufregung, wenn er die Geschichten von damals zum Besten gab. Diese Verbindung war nun durchtrennt. Ein Stück seines Lebens, ein Stück, das ihm viel bedeutete, es war einfach weg.
Keine 20 Minuten vergingen, da kam der Hausmeister und bat Mellet und seine Familie, das Gebäude umgehend zu verlassen. Das Kobe Bryant Gymnasium werde abgeriegelt.
Vor dem Tiefkühlregal eines Supermarktes in Narberth, Pennsylvania, anderthalb Meilen von der Highschool entfernt, stand Amy Buckman und schaute sich die Auslage hinter dem Glas an. Sie war gerade dabei, die Lebensmitteleinkäufe für sich und ihren Mann Terry zu erledigen. Amy hatte die Lower Merion bis 1982 besucht, und ehe sie der Schulbezirk im März 2018 als Sprecherin der Schule eingestellt hatte, war Buckman ein Vierteljahrhundert lang als Produzentin und Reporterin für den TV-Sender Channel 6 Action News in Philadelphia tätig gewesen. Ihr Mann Terry, der zu Hause vor dem Fernseher saß, schrieb ihr eine SMS. Sie waren seit 32 Jahren verheiratet. Er wusste, was sie interessierte.
Sie berichten, dass der Hubschrauber von Kobe abgestürzt ist.
Während Amy Buckman sich durch den Supermarkt drängelte, versorgte Terry sie weiterhin mit Updates und weiteren Details. Sie...
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