Umgehungsgeschaefte

Wann immer eine Rechtsordnung Regeln aufstellt, die die Handlungsfreiheit beschraenken, wird es Versuche geben, diesen Regeln auszuweichen. Es besteht stets ein Konflikt zwischen der prinzipiellen Befugnis der Parteien, Rechtsverhaeltnisse nach ihrem Belieben zu gestalten, und der Existenz zwingender, von den Parteien als laestig empfundener Normen, deren Anwendung sie verhindern moechten. Die Vielzahl von Umgehungsgestaltungen, die vor allem in der steuerlichen Rechtsprechung nachweisbar sind, lassen bestimmte, stets wiederkehrende Varianten erkennen, die sich zum Teil bis ins roemische Recht zurueckverfolgen lassen. Einigkeit besteht darueber, dass die Rechtsordnung es nicht hinnehmen kann, wenn der Geltungsanspruch zwingenden Rechts durch Umgehungsgeschaefte ausgehoehlt wird. Fraglich ist nur, wie die Eingriffsschwelle zu bestimmen ist, die der Ausuebung der Gestaltungsfreiheit Grenzen setzt, indem sie ihr den Erfolg des Umgehungsversuchs versagt. Das rechtliche Instrumentarium, das einer zwingenden Norm zur Durchsetzung ihres Geltungsanspruchs gegen Umgehungsgestaltungen verhelfen soll, hat Teichmann in seiner 1962 erschienenen Monographie benannt. Danach ist die Umgehung ein Problem der Rechtsgeltung, das die unmittelbare oder analoge Anwendung des einschlaegigen Gesetzes auf den verwirklichten Sachverhalt zum Gegenstand hat. Aus der Erkenntnis, dass die Figur der Gesetzesumgehung keinen eigenstaendigen Regelungsgehalt habe und aus der rechtstheoretischen Eroerterung ausscheiden koenne, sind bis heute - mehr als 30 Jahre nach dem Erscheinen der Arbeit von Teichmann - nicht immer die gebotenen Konsequenzen gezogen worden. An der zur Kasuistik neigenden und auf das jeweilige Rechtsgebiet bezogenen Problembefassung, die nur selten allgemeine Zusammenhaenge beachtet, hat sich kaum etwas geaendert. Susanne Sieker erarbeitet die strukturellen Gesetzmaessigkeiten typischer Umgehungsgestaltungen in tatsaechlicher und in rechtlicher Hinsicht und macht sie fachuebergreifend verfuegbar.