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Die Brüder ritten die ganze Nacht durch. Das Wetter war gut und das Licht von Mond und Sternen zeigte ihnen den Weg. Dank seiner Reisen, die er in den letzten Jahren für Zacharias unternommen hatte, kannte Karl das Land und führte sie durch Südböhmen und den Böhmerwald in Richtung des Donautals. Viele Meilen waren sie durch den dichten und finsteren Wald geritten, dann brauchten die Pferde dringend eine Verschnaufpause, und die beiden Reiter steuerten eine Schänke an, vor der mehrere Tiere anderer Reisender standen.
»Und wenn man uns nun schon verfolgt, was dann?«, fragte Ludwig besorgt.
»Wer soll uns denn verfolgen?«
»Na, denk mal nach. Budweis hat eine Stadtwache und Restwangen mehrere Männer unter Waffen. In allzu viele Richtungen konnten wir nicht fliehen, und das wissen sie bestimmt.«
»Sie werden sich nicht aus Böhmen herauswagen, es sei denn, sie wollen Ärger mit den Königstruppen.«
»Wo sind wir jetzt eigentlich?«
»Schon längst in Österreich. Die Grenze verläuft teilweise direkt durch den Wald, teilweise weiter südlich. Wenn uns hier ein Bewaffneter begegnet, dann gehört er zu einem Vasallen des Herzogs von Österreich.«
Ludwig nickte. Österreich. Einer der wichtigsten Teile des südlichen Reichs, regiert von Albrecht von Habsburg. Er hatte in den letzten Wochen einiges an politischen Gesprächen zwischen den Burgherren und ihren Gästen mitbekommen. Die deutsche Krone wackelte sichtbar auf dem Kopf des schwachen Königs Adolf von Nassau, und es ging bereits das Gerücht, dass die Kurfürsten sich in Kürze versammeln wollten, um Adolf abzuwählen und Albrecht von Habsburg die Krone anzutragen. Einer solchen Schmach wollte Adolf jedoch entgehen. Er rüstete ein Heer und trachtete, so bald wie möglich gegen Albrecht zu Felde zu ziehen.
Ludwig und Karl stärkten sich mit einem Frühstück aus kaltem Braten, frischem Brot und verdünntem Bier, nachdem sie die Versorgung der beiden Reittiere überwacht hatten, die den nächtlichen Ritt gut überstanden hatten.
»Wohin soll es nun weitergehen?«, fragte Ludwig.
»Zacharias hat Nürnberg empfohlen. Dort soll ich seinen Vetter Isaak aufsuchen und mit ihm das Weitere besprechen. Vielleicht kann er ja einen Gehilfen brauchen.«
Ludwig nickte. Karl würde sich schnell zurechtfinden, davon war er überzeugt. Überall, wo Handel getrieben wurde, würde man sich um einen Mann mit seinen Fähigkeiten reißen. Seine eigene Zukunft sah er hingegen weniger klar. Er war ein Edelmann und Sohn eines ehrenvollen Kreuzritters, jedoch war sein Vater Franzose gewesen und obendrein nur ein Drittgeborener, der es trotz seiner Verdienste nie zu einem eigenen Lehen gebracht hatte. Er selbst war mittlerweile Knappe, hatte eine gute Ausbildung genossen, aber noch nicht einmal seine Schwertweihe empfangen, die es ihm ermöglicht hätte, sich zu rüsten und für einen Fürsten in den Kampf zu ziehen. Im Grunde genommen, war er gar nichts.
Karl sah ihn fragend an. »Ich muss mir wohl einen neuen Herrn suchen«, sagte Ludwig schließlich. »Mich bei ihm bewähren und so rasch wie möglich Edelknappe werden. Danach werde ich auf Seiten Albrechts dienen, vielleicht irgendwann den Ritterschlag empfangen, und wenn der Himmel es gut mit mir meint, vielleicht eines Tages ein eigenes Lehen …«
Karl sah ihn lange an, legte die Stirn in Falten und schüttelte schließlich den Kopf. »Muss das denn wirklich sein? Hast du nicht schon in Akkon gesehen, wohin Rittertum und Kampfeslust führen? Männer, die im Blutrausch Frauen und Kinder morden und verstümmeln oder wie jetzt in Böhmen, in tiefsten Friedenszeiten, in denen ihnen langweilig ist, unschuldige Mädchen schänden? Denkst du tatsächlich, dass das, was wir erlebt haben, die Ausnahmen sind? Du könntest ganz andere Dinge vollbringen, ungleich größere!«
»Mein Vater war Edelmann und Ritter und ganz bestimmt hat er nicht …«
»Henri war ein großartiger und ehrenwerter Mann, das steht doch außer Zweifel. Aber er war reif an Jahren und welterfahren. Und er war tatsächlich eine Ausnahme. Schließ dich mir an, gemeinsam können wir wahre Macht erwerben. Ich spreche von der Macht des Geldes, vor der alle erzittern, Fürsten, Bischöfe, sogar Könige und Päpste. Zacharias hat mir alles, was er wusste, beigebracht. Wir gründen ein Handelshaus, vielleicht auch eine eigene Bank, so wie die Florentiner Kaufleute und die Venezianer. In ein paar Jahren schwimmen wir im Geld, du heiratest deine wunderschöne Franziska, und schon bald wuseln kleine Bälger um deine Beine.«
Ludwig seufzte. Karl wusste, welchen Weg er gehen musste. Für ihn selbst sah die Sache beileibe nicht so einfach aus, und wie sich seine Zukunft mit Franziska gestalten würde, konnte er sich beim besten Willen nicht ausmalen. Als Kaufmann wäre es ein Leichtes, sie würden heiraten und das Leben würde seinen Lauf nehmen. Aber als Ritter? Einen kleinen Augenblick schwankte er, wollte sich bereits dem Bruder anschließen. Doch schon im nächsten Moment dachte er daran, wie wichtig seinen Eltern seine höfische Ausbildung und seine ritterliche Zukunft gewesen waren.
»Geh du deinen Weg«, sagte er schließlich mit belegter Stimme, »ich gehe den meinen.«
Beide schwiegen, scheuten sich auszusprechen, wie nah die Trennung war. Sicher würden sie bald auf Truppen treffen, denen Ludwig willkommen war. Aus den Gesprächen an den Nebentischen entnahmen sie, dass die Adeligen Kontingente aushoben, um sich den rivalisierenden Königen anzuschließen.
»Lass uns nach dem Essen unsere Mitgift betrachten«, sagte Karl schließlich und klopfte auf das Paket, das er noch immer an einem Riemen umgehängt trug. »Der Alte hat uns bestimmt ein feines Päckchen geschnürt.«
In einer kleinen Kammer neben dem Gastraum öffneten sie ihre Beutel und die Schatzkiste. Der eine Beutel enthielt Silber, im anderen fanden sich Goldmünzen, ein kleines Vermögen. Die wahren Kostbarkeiten jedoch waren die Dokumente, die Zacharias ihnen mitgegeben hatte. Zwei Wechsel, gezogen auf einen wohlbestallten Nürnberger Kaufmann, eine Aufstellung des Vermögens der drei Geschwister und eine Zahlungsanweisung, deren Höhe etwa diesem Vermögenswert entsprach, ausgestellt auf Zacharias' Vetter Isaak. Dies war das Dokument, das Zacharias noch in aller Eile ausgefertigt hatte. Bei der Durchsicht der weiteren Papiere huschte ein listiges Lächeln über Karls Gesicht. Der Weitblick des Alten war zu bewundern. Der Tag würde kommen, an dem er diese Papiere verwenden würde.
Am frühen Nachmittag setzten sie ihre Reise fort. Die Pferde waren ausgeruht und sie erreichten die Donau, setzten mit einer der zahlreichen Fähren über und folgten der Handelsstraße nach Westen stromaufwärts.
In Passau, der Bischofsstadt, trafen sie auf ein Kontingent von Truppen eines österreichischen Grafen. Ludwig beschloss, ihn aufzusuchen und ihm seine Dienste anzubieten. Der Graf war ein noch junger Mann, hatte aber große Ziele. Er war Albrecht treu ergeben, doch fehlte es ihm an Material und ausgebildeten Männern. Seine Kämpfer waren Bauern und einfache Bürger, die er kurzerhand zu den Waffen gerufen hatte, was zwar zügige Rüstung versprach, seine Probleme der Heeresaufstellung aber nicht befriedigend gelöst hatte. Den einen oder anderen waffenkundigen Soldaten benötigte er noch
Entsprechend erfreut war Konrad Graf von Kieremberg, als sein Leibdiener ihm einen reisenden Knappen meldete, der einen neuen Herrn suchte. Nach wenigen Minuten waren sie handelseins. Schon am nächsten Morgen sollte Ludwig als Konrads Knappe mit zu Albrechts Truppen aufbrechen.
Ludwig war selig. Er stürzte in die Herberge, wo sie ein Zimmer genommen hatten, und schwärmte Karl von seinem neuen Herrn vor. Karl blieb erstaunlich gelassen. »Nimm nur ein bisschen Silber mit, damit dich niemand bestehlen kann«, sagte er. »Ich verwahre dein Geld und das unserer Schwester und hinterlege es in Nürnberg. Schicke danach, wann immer du es brauchst. Und jetzt lass uns noch etwas essen und einen anständigen Krug Bier trinken, bevor du zum tapferen Kämpen wirst.«
Die letzten Tage waren zermürbend gewesen. Konrad hatte sich mit seinem Kontingent einem bärenhaften alten Haudegen namens Georg, Oberhaupt des Geschlechts der Raugrafen, angeschlossen, der einen wilden Haufen kampferprobter Männer führte. In eiligen Märschen hatten sie in kurzer Zeit ganz Süddeutschland durchquert, waren bis nah an den Rhein vorgestoßen und hatten sich in das Hauptheer Albrechts eingereiht, das stetig wuchs. Die Kämpfer des Raugrafen hatten sich nützlich gemacht, indem sie Konrads Männer im Umgang mit Spieß und Lanze schulten. Ludwig erntete von allen Seiten Anerkennung, als er mit Übungsschwert und Schild mit den Männern trainierte, und schon bald übten Konrad und Georg den Fechtkampf nur noch mit ihm. Ludwigs Brust war vor Stolz geschwellt, wann immer er verschwitzt und mit ein paar neuen blauen Flecken vom Kampfplatz ging. Er pflegte die Rüstung seines Ritters, rieb jeglichen Rost von den Gliedern des Kettenhemdes und ölte das Eisen vorsichtig ein. Mit Hingabe schliff er Schwerter, Dolche und Lanzenspitzen.
Albrecht hatte sein Heer unermüdlich von einem Ort zum anderen ziehen lassen. Keine Stelle schien ihm geeignet, um den Gegner zu erwarten. Mehrfach hatte er sogar offen das gegnerische Heer umlaufen und war dem Kampf ausgewichen, war tief ins Rheinland gezogen, wo sich schließlich seine...
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