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(1730-1807)
Die Dame des Hauses war beliebt wegen ihrer interessanten Konversation und ihrer herzerfrischenden Gastfreiheit - und sie wurde ehrfürchtig umschwärmt wegen ihres literarischen Ruhms. Mit dem Roman Geschichte des Fräuleins von Sternheim hatte Sophie von La Roche 1771 einen Sensationserfolg errungen, auch die Erzählungen, die gefolgt waren, hatte das lesende Publikum mit Interesse aufgenommen. Dabei war diese Schriftstellerin keineswegs die in sich gekehrte Klausnerin, für die man sie ihrer Produktivität wegen hätte halten können, sondern repräsentierende Ehefrau eines Staatsrates und Mutter einer großen Kinderschar. In Koblenz-Ehrenbreitstein führte sie ihr gastliches Haus, das namhafte Gelehrte und Schriftsteller frequentierten, so die Gebrüder Jacobi, Johann C. Lavater und auch der junge Goethe. Es wehte der Geist der Aufklärung. Für Sophie von La Roche, ihren Mann und ihre Gäste war es eine glanzvolle Zeit.
Dann kam das Jahr 1780. Sophies Ehemann Georg Michael Frank von La Roche, der zum Kanzler des Trierer Kurfürsten aufgestiegen war, wurde wegen kirchenkritischer Äußerungen aus dem Amt entfernt. Der Salon der Sophie von La Roche musste schließen. Ein hilfreicher Freund, der Speyerer Domherr von Hohenfeld, bot der Familie Unterstützung und Zuflucht. Einschränkung hieß aber jetzt das Gebot der Stunde. Sophie, inzwischen fünfzig Jahre alt und körperlich und geistig noch voller Spannkraft, stellt ihren »Schreibetisch« auf und fasst einen Entschluss. Sie will jetzt, wo nicht nur die rauschenden Soireen vorbei, sondern sogar die Mittel für einen bescheidenen Alltag knapp geworden sind, mit Schreiben Geld verdienen. Obwohl ihr Ehemann von diesen Plänen nicht gerade angetan ist, setzt Sophie sie um. Sie gründet die Frauenzeitschrift Pomona, für die sie Novellen und Essays verfasst, sie begibt sich auf Reisen - in die Schweiz, nach Frankreich, Holland und England - nicht ohne zuvor einen Verlagsvertrag über die zu liefernden Reisetagebücher abgeschlossen zu haben. Und sie schreibt weiter Romane. Ihre Werke verkaufen sich gut, der erst in Entwicklung begriffene Markt für schöne Literatur akzeptiert nach dem Fräulein von Sternheim auch die damals sehr beliebten Berichte aus fremden Ländern, ferner die Novellen und biographischen Skizzen aus der Feder von Sophie de La Roche. Und so ist sie - kraft jenes Entschlusses am »Schreibetisch«, aber auch durch die Not der Verhältnisse - zur ersten »richtigen« Berufsschriftstellerin Deutschlands geworden.
Maria Sophie Gutermann von Gutershofen wird 1730 in Kaufbeuren geboren. Der Vater ist Arzt, eine gehobene Stellung lockt ihn nach Augsburg, wo Sophie ihre Jugend verbringt. Die Eltern lehren das begabte Mädchen Geschichte, Musik und Sprachen, im Vordergrund aber steht die protestantische Religion. Als sich Sophie in einen Kollegen ihres Vaters verguckt, einen Italiener, der natürlich katholisch ist, hintertreibt Dr. Gutermann die Verbindung. Um die Tochter abzulenken, schickt er sie zu Verwandten nach Biberach. Dort wartet schon wieder die Liebe. Ihr siebzehnjähriger Cousin Christoph Martin Wieland ist es, der die Zwanzigjährige erobert. Das Paar verlobt sich, aber ihre Familien wollen von einer Heirat nichts wissen. Ein leidenschaftlicher Briefwechsel dokumentiert die Gefühle der Getrennten. Als Sophie drei Jahre später vom Sekretär des kurmainzischen Ministers, von Georg Michael Frank von La Roche um ihre Hand gebeten wird, sagt sie Ja, gesteht aber dem Bräutigam, dass ihr Herz vergeben sei. Der nimmt sie trotzdem. Es wird eine gute Ehe. Sophie bringt acht Kinder zur Welt, von denen fünf aufwachsen.
Ihre Söhne und Töchter werden, einer nach der anderen, wie damals üblich, auf Internate und Klosterschulen geschickt, wo ihre Erziehung vervollkommnet werden soll. Sophie vermisst ihre Kinder, besonders die Töchter. Zum Trost erfindet sie »ein papiernes Mädchen«, dessen Geschicke sie lenken kann, »weil ich meine eigenen nicht hier hatte«. Sie schreibt die Geschichte des Fräuleins von Sternheim, einen der meistgelesenen Romane des 18. Jahrhunderts, zugleich ein Buch, das Frauen mit Phantasie Mut macht, zur Feder zu greifen.
Das Fräulein heißt Sophie wie seine Erfinderin, gerät als unschuldige Waise in die Irrgärten des Hoflebens, soll dem Herzog als Mätresse zugeführt, in eine Scheinehe gedrängt, im Kerker zugrunde gerichtet werden, widersteht jedoch mit Tugend und Charakterstärke allen Anfechtungen und findet am Ende die wahre Liebe.
Es war gar nicht mal die spannende Geschichte als solche, die auf eine so enorme Resonanz stieß, es waren Form und Sprache: Im Briefroman konnte die Autorin einen intimen Ton anschlagen, der jene ästhetische Qualität transportierte, die als »Empfindsamkeit« in die Literaturgeschichte einging. Die beobachtende, ja sezierende Klugheit der Aufklärung verband sich hier mit dem gefühlvollen Vibrato tieflotender Seelenkunde - es entstand eine Lebensfülle der Darstellung, die eine ganze Generation begeisterter Leser und Leserinnen in Bann schlug. Wie manche schreibende Frau vor und nach ihr hat Sophie von La Roche mit dem Pseudonym geliebäugelt. Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim erschien 1771 mit dem Untertitel: »von einer Freundin derselben aus Originalpapieren und anderen zuverlässigen Quellen gezogen«. Herausgegeben wurde das Buch von La Roches Cousin Christoph Martin Wieland, der auch lektorierend tätig gewesen war und dem man das Werk sogleich zuschrieb, obwohl er im Vorwort bekannt gegeben hatte, dass der Roman von einer Verfasserin stamme.
Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim hatte ihre Vorläufer. Ohne Samuel Richardsons Pamela und Jean-Jacques Rousseaus Die neue Heloise ist sie nicht zu denken. Beide Werke waren ebenfalls Briefromane und bezogen ihren Zauber aus der Wirkung intimpersönlicher Offenbarungen. Pamela hat zudem die Moral vorformuliert, um die es auch in de La Roches Geschichte geht: die Aristokraten sollen nicht glauben, sie könnten jede Frau haben, nur weil sie gesellschaftlich oben stehen. Auch in Pamela versucht es der Verführer mit einer fingierten Hochzeit, um die widerspenstige Dienstmagd in sein Bett zu zwingen - und scheitert. Aber Sophies Geschichte . hatte nicht nur Vorläufer, sondern auch Nachfolger, der berühmteste ist Goethes Leiden des jungen Werther. Die Handlung läuft auf anderen Pfaden, La Roches »empfindsamer« Einfluss indes ist verbürgt. Auch privat blieb Goethe der Familie La Roche / Brentano verbunden. Um Sophies Tochter Maximiliane hatte er sich einst vergeblich bemüht. Die Mutter, obwohl ja selbst erfolgreich schriftstellerisch tätig, wollte keinen Dichter als Schwiegersohn. Mit deren kapriziöser Enkelin Bettine hat Goethe dann immerhin ausgiebig geflirtet. Und das Mädchen machte daraus ganz selbstbewusst Literatur.
Mit dem starken Fräulein von Sternheim betrat auch ein neues Frauenideal die soziale Bühne. Aus eigener Kraft findet Sophie ihren Weg, und souverän beteiligt sie sich an der Formulierung einer neuen Moral: gegen den Sittenverfall und das Parasitentum des Adels, für den Anstand und die Leistungen des Bürgertums - auch und gerade seiner Frauen.
Sophie von la Roche hat ihr Sternheim-Ideal selbst umgesetzt; mit ihrer schriftstellerischen Arbeit brachte sie in kritischen Zeiten und später als Witwe sich und ihre große Familie durch - Jammern galt nicht, obwohl es Anlässe gegeben hätte. Ihre älteste Tochter Maximiliane, die der junge Goethe nicht gewinnen konnte, heiratete achtzehnjährig den Kaufmann Peter Anton Brentano, einen betuchten Witwer, der fünf Kinder mit in die Ehe brachte. Maximiliane Brentano stirbt nach der Geburt ihres zwölften Kindes im Wochenbett. Sophie übernimmt noch einmal Mutterpflichten, sie holt einige der Enkel zu sich; Bettine und Clemens Brentano werden später das berühmteste Geschwisterpaar der Romantik. Sie bleiben ihrer großmütterlichen Erzieherin stets verbunden, auch mit Wieland tauscht sich Sophie von La Roche lebenslang brieflich aus.
Als alte Dame reist sie 1799 nach Thüringen, um ihre Jugendliebe Wieland und auch Goethe noch einmal zu sehen. Aus deren Korrespondenz wissen wir, dass sie Sophie nur aus Höflichkeit empfingen. Über Literatur konnten sie mit ihr nicht mehr reden. Sie hatte keinen Sinn für den Vorrang der Wirklichkeit vor der Einbildungskraft, wie Goethe ihn proklamierte. Als Schriftstellerin sei sie, wie die Kollegen monierten, bei der »Empfindsamkeit« ihres Fräuleins von Sternheim stehen geblieben - vielleicht kein schlechter Ort, wenn man bedenkt, wie nachhaltig dieses Werk deutsche Autorinnen beeinflusst hat.
77-jährig starb Sophie de La Roche in Offenbach am Main. Goethe erwähnte im Rückblick ihre bis ins Alter bewahrte »gewisse Eleganz«.
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Sophie von La Roche:...
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