Schweitzer Fachinformationen
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Dezember 2021
»Und sehen Sie hier! Ein Sturmtief zieht quer durchs Land und bringt schwere Schneefälle für den oberen Bereich des mittleren Westens und die Großen Seen, bevor es an der Ostküste ankommt und dort wütet. Das ist für einen Großteil des Landes ein besonders früher und hässlicher Start in den Winter. Tatsächlich weisen frühe Modelle darauf hin, dass Teile des westlichen und nördlichen Michigans - der Lake-Effect-Gürtel, wie wir es nennen - dieses Jahr bis zu vier Meter Schnee erwartet. Bis zu vier Meter!«
Ich wende mich in meinem roten Wickelkleid und den hohen Absätzen vom Green Screen ab.
»Aber hier in der Wüste .« Ich warte darauf, dass auf dem Bildschirm die Graphik auftaucht, die verkündet: Sonny sagt, die Sonne scheint . wieder!
Als sich die Kamera zurück auf mich richtet, werfe ich eine selbstklebende Sonne mit meinem Gesicht darauf auf den Green Screen hinter mir. Sie bleibt direkt auf Palm Springs, Kalifornien, kleben.
». herrscht Sonnenschein, so weit das Auge reicht!«
Ich breite die Arme aus wie ein Rabe in den Bergen, der sich in die Lüfte schwingt. Die wöchentliche Vorhersage wird eingeblendet. Jeden Tag ziert eine lächelnde Sonne, die meiner Wenigkeit gleicht: golden, fröhlich, strahlend.
»Und so wird es die ganze Woche bleiben, bei Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad und Tiefstwerten um die dreizehn Grad. Nicht schlecht für diese Jahreszeit, was? Das perfekte Wetter hier in der Wüste für all die Designliebhaber, die wegen der Mid-Century Modernism Week in der Stadt sind.« Ich gehe hinüber zum Nachrichtenpult. Die Kamera folgt mir. Ich lehne mich ans Pult und wende mich den Nachrichtensprechern Eva Fernandez und Cliff Moore zu. »Oder für jemanden, der gern Golf spielt, stimmt's, Cliff?«
Er lacht sein falsches Lachen, das seinen Mund aussehen lässt wie eines dieser alten aufziehbaren Klappergebisse, als ich noch ein kleines Mädchen war.
»Ganz genau, Sonny!«
»Deswegen leben wir hier, nicht wahr?«, sage ich.
»Mir tut jedenfalls der Rest des Landes leid«, meint Eva, deren blendend weißes Lächeln so hell strahlt wie die Studiobeleuchtung. Ich bin überzeugt, jede einzelne von Evas Kronen ist noch mal zusätzlich überkront.
»Diese armen Leute in Michigan werden morgen jedenfalls nicht in Shorts golfen wie ich, oder?«, sagt Cliff mit einem Lachen und seinem nachgeahmten Golfschwung. Er wackelt mit seinen buschigen Brauen und zwinkert mir übertrieben zu. »Danke, Sonny Dunes.«
Ich nicke, meine Hände an den Hüften, als wäre ich ein Model bei Der Preis ist heiß und keine Meteorologin.
»Martinis in den Bergen? Ist doch auch nicht verkehrt«, sagt Eva mit zur Seite geneigtem Kopf, ihrem Markenzeichen. »Als Nächstes hier in den Nachrichten werfen wir einen Blick auf einige der großen Events der diesjährigen Mid-Century Modernism Week. Wir sind gleich wieder für Sie da.«
Ich beende die Nachrichtensendung mit derselben Wettervorhersage - einer Reihe lächelnder Sonnenschein-Emojis, die wie mein Gesicht aussehen - und scherze mit den Nachrichtensprechern über die perfekten Pooltemperaturen, bevor eine weitere Graphik auf dem Bildschirm auftaucht - Ihre Nr. 1 der Abendnachrichten in der Wüste! - und wir in die Werbung gehen.
»Jemand Lust, was trinken zu gehen?«, fragt Cliff wenige Sekunden nach dem Ende der Nachrichtensendung. »Es ist Freitagabend.«
»Für dich ist doch immer Freitagabend, Cliff«, sagt Eva.
Sie steht auf und nimmt ihr Mikro ab. Die obere Hälfte von Eva Fernandez ist so perfekt wie J.Lo: glänzende Locken, lange Wimpern, glamouröses Lipgloss, ein hautenges Oberteil in Smaragdgrün, das zu ihren Augen passt, goldener Schmuck, der ihre schimmernde Haut betont. Aber Evas untere Hälfte steckt in einer Jogginghose, ihre Füße in Hauspantoffeln. Das ist das Geheimnis, das die Zuschauer nie zu sehen bekommen.
»Ich bin sowieso schon halb bettfertig«, sagt sie mit einem dramatischen Seufzen. Eva ist sehr dramatisch. »Und ich moderiere morgen das Weihnachtsfrühstück des Girls Club und dann morgen Abend die Weihnachtsspendenaktion des Eisenhower Hospitals. Und Sonny und ich übernehmen an den nächsten Wochenenden jede lokale Weihnachtsparade. Du solltest darüber nachdenken, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, Cliff.«
»Oh, das tue ich«, erwidert er. »Ich halte die Gastronomie in Palm Springs am Leben. Es gäbe keine florierende Bar hier ohne meine Unterstützung.«
Cliff lacht schallend, was seine Klapperzähne in Gang setzt.
Ich nenne Cliff das >Einhorn<, weil er tatsächlich in Palm Springs geboren und aufgewachsen ist. Er ist nicht hierhergezogen wie die älteren Zugvögel, um Schnee und Kälte zu entfliehen. Er hat sich mit seinem Geld kein Mid-Century-Haus geschnappt wie die Silicon-Valley-Technikfreaks, die erkannt haben, dass sie eine Immobiliengoldmine sind. Und er hat nicht plötzlich >entdeckt<, wie hip Palm Springs ist, so wie die Millennials, die in Scharen zum Coachella Music Festival strömen, um einen Blick auf Drake, Beyoncé oder die Kardashians zu erhaschen.
Nein, Cliff ist einer von der alten Garde. Er war schon in Palm Springs, als noch Büschel von Steppenläufern mitten durch die Innenstadt rollten, Bob Hope vor dir Benzin zapfte und Frank Sinatra vielleicht neben dir an der Bar Platz nahm, einen Martini bestellte und niemand so tat, als wäre das eine große Sache.
Ich bewundere Cliff, weil .
Unvermittelt dreht sich das Set, und ich muss mich am Arm eines vorbeigehenden Tontechnikers festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er sieht mich an, und ich lasse los.
. weil er nicht von dort, wo er aufwuchs, fortgelaufen ist.
»Wie sieht's mit dir aus, Sonnenschein?«, fragt Cliff mich. »Lust auf einen Drink?«
»Heute Abend bleibe ich trocken, Cliff. Ich bin geschafft von der Woche. Ein andermal.«
»In der Wüste ist es immer trocken, weil es nie regnet«, scherzt Cliff. »Das solltest du doch wissen.«
Er sieht mich an. »Was würde Frank Sinatra tun?«
Ich lache. Ich liebe Cliffs schmalzige Art.
»Du bist nicht Frank Sinatra«, ruft Eva.
»Mein Martini wartet, ob mit oder ohne euch.« Cliff salutiert, als wäre er Bob Hope auf einer Tour für die US-amerikanischen Streitkräfte, und wendet sich zum Verlassen des Studios.
»Die Einschaltquoten kommen dieses Wochenende rein!«, ruft eine Stimme. »Dann feiern wir.«
Wir alle drehen uns um. Unser Produzent Ronan steht in der Mitte des Studios. Ronan ist gerade mal dreißig. Er trägt Flip-Flops, Surfershorts und ein T-Shirt mit der Aufschrift SUN'S OUT, GUNS OUT, als käme er gerade vom Coachella Festival. Oh, und er trägt eine Sonnenbrille. Abends. In einem Studio, in dem das Licht aus ist. Ronan ist der Enkel des Mannes, dem unser Sender DSRT gehört. Jack Clark von ClarkStar gehört heutzutage so ziemlich jeder Sender in den Staaten. Er hat seinem Enkel die Leitung übertragen, weil Ro-Ros Vater ein NFL-Team gekauft hat und zu besessen von seinem schicken neuen Spielzeug ist, um sich um sein schickes altes Spielzeug zu kümmern. Vor DSRT war Ronan ein auf Hawaii lebender Surfer, der es kaum glauben konnte, dass es mitten in der kalifornischen Wüste kein Meer gibt.
Zu unserem ersten offiziellen Nachrichtenmeeting kam er in einem Tanktop mit einem nach oben zeigenden Pfeil, auf dem stand: Dieser Typ ist der CEO!
»Ihr könnt mich Ro-Ro nennen«, hatte er bei der Vorstellungsrunde verkündet.
»Nein«, hatte Cliff geantwortet. »Das kann ich nicht.«
Ronan hatte seinen trüben Blick auf mich gerichtet und gesagt: »Yo, Wetter ist irgendwie nicht wirklich mein Ding. Man kann doch schließlich rausgucken und sehen, was los ist. Und ich hab es auch auf meinem Handy. Nur damit das klar ist . Kapiert?«
Mir blieb beinahe das Herz stehen. »Die Leute müssen doch wissen, wie sie ihre Tage planen sollen, Sir«, protestierte ich. »Das Wetter ist ein unverzichtbarer Teil unseres Lebens. Es sind die täglichen Nachrichten. Und was ich studiere und an die Öffentlichkeit bringe, kann Leben retten.«
»Quotenparty, wenn wir immer noch Nummer eins sind!«, brüllt Ronan und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
Ich sehe Eva an, und sie verdreht die Augen. Sie kommt dicht neben mich und flüstert: »Weißt du, diese ganzen Witze über Millennials? Die haben alle ihn als Hauptfigur.«
Ich unterdrücke ein Lachen.
Wir gehen zusammen zum Parkplatz.
»Bis Montag«, sagt sie. »Wir tragen nächsten Samstag bei der Parade doch immer noch unsere Weihnachtsmannmützen?«
Ich nicke lachend. »Wir sind seine besten Wichtel.«
»Du meinst, seine sexyesten Nachrichtenwichtel«, sagt sie. Zwinkernd winkt sie mir zu, und ich schaue ihrem glänzenden SUV hinterher, wie er wegfährt. Dann sehe ich mein Auto an und steige mit einem Lächeln ein. Die Bewohner von Palm Springs sind fixiert auf ihre Autos. Nicht auf die Marke oder die Farbe, sondern auf die Sauberkeit. Da es in Palm Springs so selten regnet, achten die Einwohner darauf, dass ihre Autos immer gewaschen und poliert sind. Es ist wie ein Wettbewerb.
Ich fahre auf den Dinah Shore Drive Richtung zu Hause.
Palm Springs liegt im Dunkeln. Es gibt eine Beleuchtungsverordnung, die die Anzahl der Straßenlaternen beschränkt. In so einer schönen Stadt wäre es ein Verbrechen, die Sicht auf die Berge...
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