Schweitzer Fachinformationen
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Noch nie zuvor habe ich mehr Hoffnung für die Zukunft unseres Planeten geschöpft als ausgerechnet während der intensiven Beschäftigung mit einigen der gravierendsten Umweltverbrechen unserer Zeit. Es war ein unerwarteter Perspektivwechsel, fast schon paradox. Über Jahre hinweg hatte mich die Klimakrise vor allem wütend gemacht. Ich fühlte mich, als stünden wir am Rand eines schwarzen Lochs, das uns unaufhaltsam in die Tiefe zog - und als wüsste die Welt um diese zerstörerische Kraft, ohne wirklich zu handeln.
Und dann, eines Tages, wurde mir etwas Entscheidendes klar: Die Zerstörung unseres Planeten ist nicht nur eine Tragödie - und erst recht kein unausweichliches Schicksal. Sie ist ein Verbrechen. Und mit Verbrechen kenne ich mich aus.
In meiner täglichen Arbeit als Kriminalpsychologin versuche ich zu verstehen, warum Menschen Böses tun. Ich schreibe über die dunkelsten Seiten menschlichen Verhaltens und arbeite als Sachverständige in Fällen schlimmster Gewaltverbrechen: Ich durchforste Akten, analysiere Bildmaterial, rekonstruiere Taten. Irgendwann wurde mir klar: Mein Wissen über die menschliche Psyche könnte auch dabei helfen, Umweltverbrecher besser zu durchschauen - und Wege zu finden, wie man sie aufhalten kann.
Außerdem wurde mir klar, warum ich mich der Klimakrise oft so ausgeliefert fühlte: Ich hörte ständig von Umweltzerstörern, aber kaum etwas von denjenigen, die für unsere Zukunft kämpfen. Über sie wird viel zu selten gesprochen. Mit diesem Buch möchte ich das ändern.
Ich möchte Ihnen diese Menschen vorstellen: Umweltaktivisten, investigative Journalisten und Wissenschaftler, die Umweltverbrechen sichtbar machen und sich nicht zum Schweigen bringen lassen. Verdeckte Ermittler, internationale Polizeibehörden, Aufsichtsorgane und Umweltjuristen, die Täter verfolgen und zur Rechenschaft ziehen. Und nicht zuletzt die Wissenschaftler bei den Vereinten Nationen und an Universitäten weltweit, die daran arbeiten, die komplexen Zusammenhänge hinter den Umweltkrisen verständlich zu machen - damit wir begreifen, womit wir es wirklich zu tun haben.
Ein weiterer Grund, warum sich die Klimakrise für viele so überwältigend anfühlt, liegt in der Schwierigkeit, ihre wissenschaftlichen Grundlagen wirklich zu erfassen. Was wir nicht verstehen, macht uns Angst.
Deshalb möchte ich Ihnen ein Gegenmittel zur Angst anbieten. Ich habe verborgene Umweltgeschichten ans Licht geholt und mit Experten gesprochen, die sich mit den größten Bedrohungen für die Zukunft der Menschheit auseinandersetzen: Luftverschmutzung, Abholzung, Artensterben, Überfischung, giftige Abfälle und die Risiken durch die Öl- und Gasindustrie. Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie die wissenschaftlichen Zusammenhänge besser verstehen und in der Lage sein, sich fundiert und selbstbewusst an Gesprächen über diese existenziellen Fragen zu beteiligen.
Es ist faszinierend zu beobachten, dass wir derzeit einen fundamentalen Wandel darin erleben, wie wir über unseren Planeten denken und wie Umweltzerstörung zunehmend als Straftat erkannt wird. Begriffe wie »Ökozid« gewinnen an Bedeutung, um der Natur ähnliche Rechte einzuräumen wie den grundlegenden Menschenrechten.1 Und vielerorts wird die Missachtung von Umweltgesetzen nicht länger nur mit Geldstrafen, sondern mit Freiheitsentzug geahndet.
Etwas als Verbrechen zu benennen und entsprechend zu bestrafen, stellt Umweltvergehen auch psychologisch auf die gleiche Ebene wie andere schwere Delikte. Können Sie sich eine Welt vorstellen, in der Umweltverbrecher mit der gleichen moralischen Schärfe betrachtet werden wie Mörder? Das wäre ein radikaler Wandel und ein klares Zeichen dafür, dass wir endlich verstanden haben, worauf es wirklich ankommt.
In diesem Buch geht es nicht nur um Menschen, die der Umwelt Schaden zufügen, sondern auch um jene, die dabei Gesetze brechen. Um eine Form von True Crime, in der das Opfer die gesamte Menschheit ist.
Green Crime, ein Begriff, der vor allem von Sozialwissenschaftlern benutzt wird, ist ein Synonym für Umweltkriminalität. Meine juristischen Ansprechpartner hingegen sprechen lieber von Umweltkriminalität, einem Begriff, der 2024 vom Europäischen Parlament in bemerkenswerter Klarheit definiert wurde. In der neuen Richtlinie sind die zentralen Elemente aufgeführt, die nach langen Verhandlungen in die sogenannte Environmental Crime Directive aufgenommen wurden.2
Ein Umweltverbrechen ist ein illegaler, vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Akt, der die Erde schädigt, aber auch das Unterlassen einer Handlung, die ihren Schutz bewirken würde. Es muss entweder Menschen nachhaltig schädigen oder gar töten oder signifikante Schäden an der Qualität von Luft, Boden und Wasser, an Flora und Fauna verursachen. Auch eine erhebliche Belastung eines gesamten Ökosystems zählt dazu.
Dieses komplexe Konzept mag auf den ersten Blick möglicherweise technisch wirken. Deshalb beleuchte ich in diesem Buch sechs ebenso erschreckende wie faszinierende Umweltverbrechen, um immer wieder auf die zentrale Frage zurückzukommen: Warum wollen Menschen die Natur zerstören? Um eine Antwort darauf zu finden, erstelle ich ein Täterprofil und versuche, die Denkmuster zu entschlüsseln, die ihr Handeln antreiben.
Dabei greife ich auf psychologische Konzepte zurück, wie unethisches prosoziales Verhalten, Disconfirmation Bias, Zeitpräferenz, Korrumpierbarkeit und das Feedback-Paradox. Zudem nutze ich Begriffe aus der »grünen Psychologie«, die uns helfen, die Auswirkungen der Umweltzerstörung auf uns besser zu verstehen - etwa Umweltwut, Umwelttrauer und die Bedeutung biosphärischer Werte.
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Frage, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Indem wir Geschichte und Sozialwissenschaften miteinander verbinden, können wir nachvollziehen, warum wir uns für den Schutz des Planeten entscheiden - oder eben nicht. Ein Beispiel dafür ist, wie das Konzept des psychologischen Eigentums dazu führen kann, dass ein alter Wald nicht verbrannt, sondern als schützenswerte Ressource anerkannt wird.
Auch wenn jedes Kapitel dieses Buches eine Geschichte von Helden und Schurken erzählt, geht es immer auch um die unendlich vielen Graustufen dazwischen. Der Versuch, das Denken von Umweltkriminellen zu verstehen, führt letztlich dazu, dass wir uns selbst besser begreifen.
Wissenschaft ist der Versuch, Wissen von Illusionen zu befreien. Und genau dieses Streben liegt all meinem Tun als Wissenschaftlerin zugrunde. Ich bin ein Mensch, der gerne die Denkmuster anderer erkennt. Ohne dieses Verständnis fühlt sich mein Gehirn im stürmischen Meer der Informationsflut verloren, besonders bei den großen, komplexen Themen, die dieses Buch thematisiert. Es liegt in meiner Natur, Ideen, Fakten und Fragen nach Gefühl und Struktur zu ordnen und das Chaos in etwas Sinnvolles und Nützliches zu verwandeln.
Im Laufe der Jahre, in denen ich dieses Buch geschrieben habe, ist mir tatsächlich ein Muster aufgefallen, ein Modell, das ich das Sechs-Säulen-Modell nenne. Es beschreibt die psychologischen Faktoren, die Umweltkriminelle antreiben: Bequemlichkeit, Straffreiheit, Gier, Rationalisierung, Konformität und Verzweiflung.
Ich werde in jedem Kapitel immer wieder auf diese sechs Säulen zurückkommen, jedoch ohne den Anspruch, dass sie stets alle gleichermaßen relevant sind. Ich hoffe, sie dienen Ihnen als ordnendes Prinzip für das Wissen, das Sie beim Lesen gewinnen. Ein Gerüst, in dem Ihre Gedanken Wurzeln schlagen, wachsen und sich dem Licht neuer Erkenntnis entgegenstrecken können.
Die erste Säule ist Bequemlichkeit. Der Mensch neigt dazu, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen. Wenn Lügen, Umweltverschmutzung oder -zerstörung als schnellere oder einfachere Wege zum Ziel erscheinen - im Vergleich zur nachhaltigen Alternative -, entscheiden sich viele für den bequemeren Pfad.
Die zweite Säule ist Straffreiheit. Damit meine ich die Überzeugung oder das Wissen, dass man für sein Handeln nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Ob auf hoher See, tief im Amazonas-Regenwald oder in den Vorstandsetagen großer Konzerne: Viele gehen davon aus, dass niemand hinschaut und schon gar nicht sie aufhält.
Die dritte Säule ist Gier. Menschen sind bereit, Allgemeingut zu opfern, um sich persönlich zu bereichern. Ein Anführer einer kriminellen Organisation nimmt die Ausrottung einer Tierart in Kauf, nur um sich ein luxuriöses Leben zu ermöglichen. Oder ein CEO kürzt aus Profitgier an allen Ecken, verursacht massive Umweltschäden und lässt die Gesellschaft den Preis zahlen.
Die vierte Säule ist Rationalisierung. Menschen erzählen sich selbst Geschichten, um ihr Handeln vor sich und anderen zu rechtfertigen - und es harmloser wirken zu lassen, als es ist. So behauptet etwa ein Anführer von Wilderern, er tue Gutes, weil er Arbeitsplätze schaffe. Oder ein Ingenieur argumentiert, dass seine umweltschädliche Technologie angesichts der globalen Umweltkrise ohnehin keinen Unterschied mache.
Die fünfte Säule ist Konformität. Tatsächlicher oder wahrgenommener Gruppendruck spielt eine...
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