Schweitzer Fachinformationen
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An dem Tag nach unserem ersten Date tauchte er vor meiner Wohnung auf. Es war drei Uhr nachmittags an einem Samstag. Jessica war nicht zu Hause; sie war zusammen mit Sumir in Upstate New York unterwegs, um sich Landhäuser anzusehen, die sie sich sowieso nicht leisten konnten.
Ich saß am Fenster und lackierte mir die Fußnägel. Es war ein letztes Aufbäumen des Sommers im Frühherbst, und ich trug eine Siebenachteljeans und ein Tanktop. Er klingelte, aber ich hörte es nicht. Dann rief er meinen Namen. Mein Schlafzimmer ging auf die Tenth Avenue hinaus, und jetzt sah ich ihn, fünf Stockwerke tiefer, nach oben in die Sonne blinzeln.
»Hey«, rief ich.
Er winkte.
»Willst du hochkommen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte, dass du runterkommst.«
»Ich lackiere mir gerade die Fußnägel«, sagte ich und wackelte mit dem Lackfläschchen. Der Nagellack war neonblau. Night Racer.
»Ich warte«, sagte er. Deutete über die Straße. »Kaffee.« Ich sah ihn zum Empire Diner hinübergehen und am Fenster Platz nehmen. Ich schob meine noch feuchten Zehennägel zwischen den Riemen meiner Flipflops hindurch und rannte die Treppe hinunter. Mein Herz klopfte wie wild, als ich die Straße überquerte und zu ihm hinüberlief.
»Oh, gut«, sagte er, als ich hineinkam. Er stand in seiner Nische auf, legte einen Fünf-Dollar-Schein auf den Tisch, nahm meine Hand, und wir gingen hinaus.
»Ich dachte, du wolltest einen Kaffee.«
»Kommt gar nicht infrage, dass wir den Tag drinnen verbringen«, sagte er.
Mit einer schwungvollen Drehung zog er mich an sich. Es gab Zeiten, in denen es sich wie Tanzen anfühlte, mit ihm zusammen zu sein. Walzer, Twostepp, manchmal Jitterbug, immer Tango.
»Was machst du hier?«, fragte ich, mittlerweile ein wenig außer Atem.
»Ich hab an dich gedacht. Und ich dachte, das ist doch blöd.«
»Blöd?« Ich versteifte mich in seinen Armen.
»Ja, blöd. Warum herumsitzen und an dich denken, wenn ich mich mit dir treffen kann?«
Er küsste mich. Wir gingen los. Es war mir egal, wo wir hingingen, aber ich fragte trotzdem.
»Ans Wasser«, sagte er. »Wenn du magst?« Er war manchmal so vorsichtig. Ein winziges bisschen unsicher. Das kam und ging.
Wir hielten Händchen und schwenkten die Arme wie kleine Kinder. Wir liefen über Kreuzungen. Nach der Fourteenth Street bogen wir ab und gingen in Richtung Hudson.
Es war fast vier, bis wir dort waren. Ich hatte nicht daran gedacht, mir einen Pullover mitzunehmen. Wir ließen uns auf ein Rasenstück an einem der Piers fallen, und Tobias zog sein Sweatshirt aus. Er legte es mir über die Schultern, und ich schlüpfte mit den Armen hinein. Es roch nach ihm. Nach Zigaretten und Honig und ganz schwach nach Meerluft. »Danke«, sagte ich.
Dieses Sweatshirt habe ich behalten, auch als er nicht mehr da war, denn es duftete immer noch nach ihm. Ich wusch es nicht, schlief aber darin, und nach einer Weile roch es nach Schweiß und nach meinem Kokosshampoo, und ich musste zugeben, dass es einfach nur noch ein Sweatshirt war. Er war fort.
Er legte sich auf den Rücken. Ich mich auch. Wir berührten uns nicht, aber ich spürte seinen Körper neben mir. Es fühlte sich an, als ließen wir uns beide in die Erde sinken und würden ein Teil von ihr. Als träfen wir uns dort unten wieder - irgendwo in der Tiefe, mitten in der schweren, feuchten Erde. Dort, wo die Dinge ihren Anfang nehmen.
»Ich liebe New York«, sagte ich. Das war nun wirklich eine eher beliebige Aussage, aber es war genau das, was ich in diesem Moment empfand.
»Ich glaube, ich könnte auch in Portland leben«, sagte er. »Davon träume ich manchmal. Aufwachen und wandern gehen. Kochen. Dem Regen lauschen.«
»Und hauptsächlich Patagonia tragen.«
»Genau.« Er verschränkte seine Finger mit meinen. »Aber irgendwo, wo es sich richtig gut leben lässt. Wo es ruhig ist. Ich liebe Brooklyn, aber manchmal kommt mir der Verdacht, dass das vielleicht doch nicht die beste Version meines Lebens ist.«
»Nein, natürlich nicht«, erwiderte ich. »Die beste Version für dich ist doch, auf irgendeiner Jacht in Monaco herumzuhängen und Models für Victoria's Secret zu fotografieren.«
»Kommerzielle Fotografie ist nicht so mein Ding.«
»Ich bete, dass das ironisch gemeint ist«, sagte ich. Allerdings drehte ich nicht den Kopf, um nachzusehen, was für ein Gesicht er machte.
»Fifty-fifty.«
Das war etwas, das Tobias oft sagte. Fifty-fifty. Am Anfang liebte ich es. Es war für mich ein Beweis dafür, dass er ein komplexer Mensch war und sich nicht mit vorschnellen Urteilen zufriedengab. Ich dachte, es bedeutete auch, dass er die tiefere Bedeutung in scheinbar oberflächlichen Dingen sah, und andererseits Dingen, die elementar waren, mit Leichtigkeit begegnete. Es war eine Art, die Welt zu betrachten, die Raum für verschiedene Sichtweisen ließ. Erst ein paar Jahre später begann mich diese Haltung zu verwirren. Es war wie Treibsand - man konnte nicht mehr sagen, was wirklich für ihn real war. Wenn ich ihn fragte, ob er sauer auf mich sei, und er sagte: »Fifty-fifty«, was bedeutete das dann?
Ich zitterte vor Kälte in seinem Sweatshirt. Der Wind blies. Vor uns erhob sich Jersey City aus dem Wasser.
»Ich hab eine Popcorn-Maschine und Ein Herz und eine Krone auf DVD«, sagte er neben mir. »Komm, wir hauen hier ab.«
Er war faszinierend und sexy, das Universum hatte uns zusammengebracht, und er mochte Audrey Hepburn. Ich hatte das Gefühl, plötzlich in einer Parallelwelt zu leben - in einer, in der junge Royals und Stars lebten. Leute, die immer lächelten, denn worüber sollten sie sich auch Sorgen machen? Das Leben war großartig.
»Mein Mitbewohner ist Künstler«, sagte Tobias. »Jedenfalls einer von ihnen.« Insgesamt war es eine Fünfzimmerwohnung, aber nur Tobias und Matty waren zu Hause. Zwei ihrer Mitbewohner waren Archäologen auf Ausgrabung in Ägypten. Insgesamt begegnete ich ihnen nur ein einziges Mal, an dem Tag, als Tobias aus dem Loft auszog. Der dritte (der Künstler) hatte eine feste Freundin, die in Greenpoint lebte, und der vierte war Matty, ein ruhiger, neunzehnjähriger Zeitgenosse, der am Brooklyn College Informatik studierte. Mattys Familie war aus der Dominikanischen Republik ausgewandert, als er drei Jahre alt war, und obwohl er manchmal aussah wie sechzehn, strahlte er eine Reife aus, die immer präsent war. Tobias bezeichnete Matty als seinen besten Freund, was auch stimmte, wie ich schon bald feststellte. Sie waren ein sonderbares Gespann. Tobias war ungeduldig und spontan - permanente Rotation und Gold und Luft. Matty ging methodisch an das Leben heran, er war berechenbar, verlässlich und gab gerne den guten Kumpel. Noch an der Uni kam er bereits für die Hälfte der Miete seiner Eltern in der Bronx auf.
»Matty boy«, rief Tobias, als wir die Wohnung betraten. »Ich hab ein Mädel dabei.«
Ich knuffte ihn in die Rippen.
Matty streckte den Kopf aus dem dritten Zimmer in der Reihe. An seiner Tür hing ein Schild mit der Aufschrift BITTE NICHT STÖREN - HIER WIRD GEFORSCHT! Darauf war ein Mädchen abgebildet, das auf einem Schreibtisch saß und die Beine um die Schultern eines Typs geschlungen hatte, der vor ihr auf einem Stuhl saß. Ich wusste sofort, dass Tobias ihm das geschenkt hatte.
»Hallo«, sagte Matty zu mir. Er streckte mir die Hand hin, kam aber nicht hinter seiner Tür hervor.
Ich nahm sie. »Hi.«
»Wir schauen uns was mit Audrey Hepburn an. Kommst du auch?«
Matty streckte den Kopf ein Stück weiter heraus.
»Er stammt von Murmeltieren ab«, sagte Tobias. »Nimm's nicht persönlich.«
»Ich liebe Murmeltiere«, sagte ich.
Tobias grinste mich an. Er legte mir den Arm um die Schulter und drückte sie. »Ich auch, Sabrina. Ich auch.«
»Ich hab morgen eine Prüfung«, sagte Matty. »Aber wenn ihr den Film bei normaler Lautstärke schaut, kann ich mithören.«
»Multitasking«, sagte Tobias. »Ich liebe es.«
Matty machte seine Tür zu.
»Witzig«, sagte ich leise.
»Schwer in Ordnung«, flüsterte er.
Matty war neunzehn und wir dreiundzwanzig, und damals fühlte sich dieser Altersunterschied von vier Jahren an, als wären es Jahrzehnte - eine Zeitspanne, die es uns erlaubte, uns älter und klüger zu fühlen, wie alte Seebären. Manchmal kamen wir uns vor wie seine Eltern, doch der Vergleich hinkte, denn Matty war schlauer als wir beide zusammen.
»Komm her«, sagte Tobias.
Er legte sich aufs Bett und zog mich auf sich drauf. Wir fingen an zu knutschen. Seine Hände glitten über meine Hüften, meinen Rücken, wanderten unter mein Tanktop. Ich stöhnte an seinem Mund.
»Komm, wir lassen den Film ausfallen«, flüsterte ich.
»Wir können doch auch Multitasking«, sagte er. Er küsste mich lange und genüsslich, stand dann von der Couch auf und schob den Film ein. Ich betrachtete ihn von hinten - ich trug immer noch sein Sweatshirt, und er hatte nur sein dünnes graues T-Shirt an. Es warf Falten, als er sich bewegte, wie bei einem Tänzer, der sich aufwärmt.
Er zog eine Beamer-Leinwand von der Decke herunter, als irgendwo in der Wohnung die Eröffnungsmusik ertönte.
»Aha. Ton und Bild getrennt. Interessant«, sagte ich.
Er drehte sich um und warf mir einen komischen Blick zu.
»Was denn? Ist cool«, sagte ich schnell, und er rollte mit den Augen.
»Du hast gewonnen«, sagte ich.
Der Film ging los, aber ich würde nichts davon mitbekommen, weil er mich an der Hand nahm und über den Flur zum fünften Zimmer führte. Es...
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