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». deswegen werde ich erst mal abtauchen.« Sanna Schweigart scrollte resigniert über ihr Tablet. »Ich könnte ewig weiterlesen, >vertrocknete alte Schachtel<, >lass dir doch ne Glatze rasieren, hässlicher kannste ja nicht mehr werden<, >arrogante Bonzen-Zicke<, >Was glaubst du denn, wer du bist? Nix drauf, aber die Klappe aufreißen<, >Vorsicht, Schlampe, es sind nicht alle deine Fans<.« Die Schauspielerin legte das Tablet vor sich auf den Parkettboden und starrte traurig darauf.
Damit hatte Katharina Langenfels nicht gerechnet. »Wie viele Kommentare dieser Art bekommen Sie pro Tag?«
Sanna Schweigart war eine der besten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Sie wollte sich vorerst aus der Öffentlichkeit zurückziehen, weil sie den Hass nicht mehr ertrug. Um das bekannt zu machen, hatte sie Katharina ein Exklusivinterview angeboten.
»Ich zähle sie nicht mehr. Eigentlich lese ich sie auch kaum noch. Schon von den paar hier wird mir schlecht. Am Anfang habe ich manchmal geantwortet, aber das hat in den sozialen Medien gar keinen Sinn. Die, die dich hassen, sind durch Argumente nicht zu überzeugen. Die meisten Beleidigungen werden sowieso unter Fake-Namen geschrieben, erbärmlich.«
Die beiden Frauen saßen nebeneinander auf der eleganten braunen Wildledercouch in Schweigarts Münchener Wohnung.
»Das ist alles eine Reaktion auf Ihren Auftritt bei Linser?«
Sanna Schweigart nickte. Vor zwei Wochen war sie in der täglichen Talkshow von Michael Linser zu Gast gewesen. Sie hatte sich getraut, das Thema der Rollenvergabe an ältere Schauspielerinnen anzusprechen. Auch ihr ehemaliger Manager Achim Wedel, der sie lange dazu gedrängt hatte, ihre grauen Haare zu färben, hatte sein Fett wegbekommen.
Katharina hatte sich vor dem Fernseher schlapp gelacht, wie gut Schweigart den schleimigen Wedel nachahmen konnte. »Mei, Sanna, du wirst auch nicht jünger. Da musst du dich schon auch nach der Decke strecken. Sonst kriegst du bald keine Rollen mehr. So ein bisschen Farbe auf dem Kopf, ist doch wurscht.«
Katharina hatte Wedel vor ein paar Jahren bei einer Recherche über den Fernsehmoderator Robert Adelhofer kennengelernt. Sie hatte damals noch als Reporterin beim Nachrichtenmagazin »Fakten« gearbeitet. Wedel war ihr direkt unsympathisch gewesen.
Dass Schweigart ihn geschasst hatte und seither ohne Management arbeitete, war in der Klatschpresse freudig breitgetreten worden.
»Üble Kommentare gab es vorher auch schon, aber jetzt ist es explodiert. Ich schätze mal, die Silberrücken-Bemerkung war zu viel.« Sanna strich das halblange graue Haar zurück, das sich weich um ihr Gesicht legte, und starrte ins Leere. Ihr Hund, ein plüschiger schwarz-weißer Border Collie, der halb auf dem cremefarbenen Wollteppich und halb auf den nackten Füßen seines Frauchens lag, stand auf und legte den Kopf in Schweigarts Schoß. Sanna streichelte das Tier und lächelte traurig. »Ja, du willst mich trösten. Bist so ein Lieber, Knurrhahn.«
Der Hund schaute sie treuherzig an und begann, ihre Hand abzulecken.
Sanna Schweigart war mit ihren Anfang 50 eine sehr attraktive Frau. Das dunkle Braun ihrer Augen betonte sie mit dezentem Kajal und Wimperntusche. Kleine Fältchen gaben ihrem Blick mehr Tiefe. Das hellblaue, kurze Leinenkleid harmonierte mit den Haaren und setzte ihre schlanken Beine in Szene. Der angenehme Duft eines fruchtigen Parfums umwehte die Schauspielerin.
Eine echte Dame, dachte Katharina.
Die Altbauwohnung in der Schwabinger Kaiserstraße war ein Wohlfühlort. Die dicken Mauern sorgten trotz der sommerlichen Temperaturen für ein gutes Raumklima. Traumhaft hohe Decken und glänzendes Fischgrätparkett, auf dem nur vereinzelt Teppiche lagen, hielten den Jugendstil in der Wohnung lebendig. Ein riesiges Mandala, das gegenüber vom Sofa hing, gab dem Raum Ruhe. Kräftige Orange-, Rot- und Blautöne zogen die Betrachterin in das kreisförmige Bild hinein. Der historische Stuck bildete einen perfekten Kontrast. Katharina entdeckte keinen Fernseher. Auf einer antiken Kommode standen ein Foto von Sanna und ihrem Mann - dem renommierten Physiotherapeuten Johnny Angerer - und eine ganze Serie von Bildern, auf denen Knurrhahn die Hauptrolle spielte.
»Ihr Hund ist entzückend. Meine Tochter hätte auch so gern einen. Aber uns fehlt einfach die Zeit.«
»Das verstehe ich gut. Aber wenn der Vierbeiner dann da ist, gibt man ihn nicht mehr her.« Schweigart drückte ihr Gesicht in Knurrhahns flauschigen Nacken. Der Hund hob kurz den Kopf. Seine Augen waren bis auf einen schwarzen Streifen, der vom linken Auge abging, von weißem Fell umgeben.
»Verrutschter Kajal«, kommentierte die Schauspielerin schmunzelnd.
Ab dem Hals wechselten sich weiße und schwarze Fellteile ab, der Schwanz war komplett schwarz. Knurrhahn schleckte noch mal kurz Sannas Hand, als wolle er sich abmelden. Dann kuschelte er sich wieder zufrieden knurrend auf den Teppich.
»Haben Sie denn von Veiterer und Mollik selbst was gehört nach der Talkshow?«
Katharina hatten die Äußerungen Sanna Schweigarts zum Alter ihrer Kollegen Michael Veiterer und Damian Mollik gut gefallen.
»Was ist denn zum Beispiel mit den beiden Silberrücken im Münchenkrimi?«, hatte sie losgelegt. »Der eine läuft weiterhin in zu engen Jeans rum, beide stellen mit Würde und Selbstverständlichkeit ihre Falten und ihre grauen Haare zur Schau. Bei uns Frauen geht das nicht. Darauf habe ich keine Lust mehr.«
»Endlich spricht's mal jemand aus«, hatte auch Katharinas Mann Tobias begeistert vor dem Fernseher ausgerufen.
»Der Michi hat mir danach direkt gemailt, dass er mich versteht und es wirklich ungerecht sei, wie mit älteren Schauspielerinnen umgegangen wird. Als Profilbild hat er jetzt einen Silberrücken.« Schweigart lächelte. »Von Damian habe ich nichts gehört, aber ich glaube, der steht da drüber. Es gibt auch ansonsten reichlich Zustimmung, sowohl von Kolleginnen und Kollegen als auch von Fans. Zum Teil sprechen sie mich auf der Straße oder im Supermarkt an, um mir zu sagen, wie mutig sie das fanden. Die Hater sind aber leider auch nicht zurückhaltend. Von Kot im Briefkasten bis zu Bespucken auf der Straße war alles dabei in den letzten beiden Wochen. Die Plissees hab ich neu anbringen lassen.«
Katharina hatte sich schon gewundert, warum weiße Abdeckungen über den kunstvollen Jugendstilfenstern den Blick auf die Kaiserstraße verdeckten. Die Plissees, die die Münchener Sommersonne aussperrten, waren sicher teure Maßanfertigungen, denn die Fenster bestanden aus unterschiedlich großen Ovalen.
»Bisher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ob aus dem Haus gegenüber hier hereingefilmt werden könnte, jetzt schon. Als ob der ganze Müll, den ich geschickt und gesagt kriege, nicht schon genug wäre, hat jemand meinen privaten Insta-Account ausfindig gemacht und schreibt mir seit Kurzem Nachrichten, nennt sich >Sannalover23<.« Schweigart verdrehte die Augen. »Er will mich treffen und er wird mich treffen, er weiß alles über mich und so weiter.« Schweigart deutete angewidert auf ihr Tablet. »Ich nehme das nicht sonderlich ernst, aber wenn es in die Privatsphäre geht, dann reicht es einfach.« Die Schauspielerin strich sich traurig durch die Haare.
»Die Polizei kann nichts tun?«
»Ich könnte Anzeige erstatten. Aber es würde vermutlich nichts dabei herauskommen. Ich werde ja nicht konkret bedroht.« Sanna schaute nachdenklich vor sich hin. »Auch bei der Polizei gibt es undichte Stellen. Dann steht der ganze Mist in der Zeitung und alles wird noch schlimmer. Ich versuche erst mal, selbst damit klarzukommen. Aktuell habe ich kein Projekt, erst nächstes Jahr wieder eine Rolle in einer Liebeskomödie. Man braucht mich hier gerade nicht. Also kann ich auch mal neue Wege gehen.«
»Das klingt spannend. Weil Sie sagen, Sie haben aktuell kein Projekt: Hatte die Absage für >Affären< den Grund, dass Sie dem Regisseur zu alt waren?« Katharina hatte recherchiert, dass in dem hochkarätig besetzten Mehrteiler um die Mauscheleien von Rita Berberer, der Intendantin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, Sanna Schweigart ursprünglich die Hauptrolle übernehmen sollte. Kurz vor Drehbeginn hatte die Produktionsfirma dann bekanntgegeben, dass die jüngere Anita Arensburg die Intendantin spielen würde.
»Gesagt hat mir das so natürlich niemand. Aber dass Achim insistierte, ich solle mir endlich die Haare färben, und Bemerkungen beim Casting legen das nahe. Bei >Linser< habe ich mich diesbezüglich bedeckt gehalten. Ich wollte mich nicht komplett um Kopf und Kragen reden.«
»Was für Bemerkungen?«, hakte Katharina nach.
»>So viel Fältchen hat die Berberer nicht um die Augen, aber das kriegen wir schon hin, Schätzchen.< Oder: >Haben Sie mit Botox auch ein Problem, Frau Schweigart?< Dabei hat die Berberer zum einen graue Haare und zum anderen deutlich mehr Falten als ich. Sie ist ja auch viel älter. So authentisch wollte man es dann aber wohl doch nicht.«
»Verstehe. Und was meinten Sie eben mit den neuen Wegen, die Sie gehen wollen?«
»Ich nehme mir eine Auszeit, zusammen mit Knurrhahn. Hoffentlich wächst dann Gras über die Sache und ich kann wieder ein normales Leben führen, wenn ich zurückkomme.« Bei der Erwähnung seines Namens hatte der Hund kurz aufgeschaut, sich dann auf den Rücken gedreht und lag jetzt alle vier Pfoten nach oben gestreckt auf Sannas Füßen. »Wie Sie sehen, würde er es nicht akzeptieren, wenn er...
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