Schweitzer Fachinformationen
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Viele Kinder möchten gerne etwas Besonderes sein und leiden unter ihrer «Durchschnittlichkeit» oder auch unter ihrem «unbedeutenden» mittleren Platz in der Geschwisterreihe. Auch spüren viele schon mit 4 bis 5 Jahren so etwas wie Erwartungsdruck. Sie sollen mit ihren Begabungen und Fähigkeiten glänzen. Und manchmal haben sie auch den Eindruck, dass die Liebe ihrer Bezugspersonen von der Erfüllung dieser Erwartungen abhängt. Solche Kinder werden sich in dem unschuldigen Zweiäuglein wiederfinden, das von seiner hochmütigen Mutter und den beiden Schwestern Einäuglein und Dreiäuglein wegen seiner «Normalität» verachtet wird.
Alter: ab 5-6 Jahren
Es war eine Frau, die hatte drei Töchter, davon hieß die älteste Einäuglein, weil sie nur ein einziges Auge mitten auf der Stirn hatte, und die mittelste Zweiäuglein, weil sie zwei Augen hatte wie andere Menschen, und die jüngste Dreiäuglein, weil sie drei Augen hatte, und das dritte stand bei ihr gleichfalls mitten auf der Stirne. Darum aber, daß Zweiäuglein nicht anders aussah als andere Menschenkinder, konnten es die Schwestern und die Mutter nicht leiden. Sie sprachen zu ihm: «Du mit deinen zwei Augen bist nicht besser als das gemeine Volk, du gehörst nicht zu uns.» Sie stießen es herum und warfen ihm schlechte Kleider hin und gaben ihm nicht mehr zu essen, als was sie übrigließen, und taten ihm Herzeleid an, wo sie nur konnten.
Es trug sich zu, daß Zweiäuglein hinaus ins Feld gehen und die Ziege hüten mußte, aber noch ganz hungrig war, weil ihm seine Schwestern so wenig zu essen gegeben hatten. Da setzte es sich auf einen Rain und fing an zu weinen und so zu weinen, daß zwei Bächlein aus seinen Augen herabflossen. Und wie es in seinem Jammer einmal aufblickte, stand eine Frau neben ihm, die fragte: «Zweiäuglein, was weinst du?» Zweiäuglein antwortete: «Soll ich nicht weinen? Weil ich zwei Augen habe wie andre Menschen, so können mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden, stoßen mich aus einer Ecke in die andere, werfen mir alte Kleider hin und geben mir nichts zu essen, als was sie übriglassen. Heute haben sie mir so wenig gegeben, daß ich noch ganz hungrig bin.» Sprach die weise Frau: «Zweiäuglein, trockne dir dein Angesicht, ich will dir etwas sagen, daß du nicht mehr hungern sollst. Sprich nur zu deiner Ziege:
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so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen und das schönste Essen darauf, daß du essen kannst, soviel du Lust hast. Und wenn du satt bist und das Tischlein nicht mehr brauchst, so sprich nur:
so wird's vor deinen Augen wieder verschwinden.» Darauf ging die weise Frau fort. Zweiäuglein aber dachte: Ich muß gleich einmal versuchen, ob es wahr ist, was sie gesagt hat, denn mich hungert gar zu sehr, und sprach:
«Zicklein, meck, Tischlein, deck».
Und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tüchlein gedeckt, darauf ein Teller mit Messer und Gabel und silbernem Löffel, die schönsten Speisen standen rundherum, rauchten und waren noch warm, als wären sie eben aus der Küche gekommen. Da sagte Zweiäuglein das kürzeste Gebet her, das es wußte: «Herr Gott, sei unser Gast zu aller Zeit, Amen», langte zu und ließ sich's wohl schmecken. Und als es satt war, sprach es, wie die weise Frau gelehrt hatte:
«Zicklein, meck, Tischlein, weg.»
Alsbald war das Tischchen und alles, was darauf stand, wieder verschwunden. Das ist ein schöner Haushalt, dachte Zweiäuglein und war ganz vergnügt und guter Dinge.
Abends, als es mit seiner Ziege heimkam, fand es ein irdenes Schüsselchen mit Essen, das ihm die Schwestern hingestellt hatten, aber es rührte nichts an. Am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus und ließ die paar Brocken, die ihm gereicht wurden, liegen. Das erste Mal und das zweite Mal beachteten es die Schwestern gar nicht, wie es aber jedesmal geschah, merkten sie auf und sprachen: «Es ist nicht richtig mit dem Zweiäuglein, das läßt jedesmal das Essen stehen und hat doch sonst alles aufgezehrt, was ihm gereicht wurde; das muß andere Wege gefunden haben.» Damit sie aber hinter die Wahrheit kämen, sollte Einäuglein mitgehen, wenn Zweiäuglein die Ziege auf die Weide trieb, und sollte achten, was es da vorhätte und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken brächte.
Als nun Zweiäuglein sich wieder aufmachte, trat Einäuglein zu ihm und sprach: «Ich will mit ins Feld und sehen, daß die Ziege auch recht gehütet und ins Futter getrieben wird.» Aber Zweiäuglein merkte, was Einäuglein im Sinne hatte, und trieb die Ziege hinaus in hohes Gras und sprach: «Komm, Einäuglein, wir wollen uns hinsetzen, ich will dir etwas vorsingen.» Einäuglein setzte sich hin und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze müde, und Zweiäuglein sang immer:
«Einäuglein, wachst du? Einäuglein, schläfst du?»
Da tat Einäuglein das eine Auge zu und schlief ein. Und als Zweiäuglein sah, daß Einäuglein fest schlief und nichts verraten konnte, sprach es:
«Zicklein, meck, Tischlein, deck»,
und setzte sich an sein Tischlein und aß und trank, bis es satt war, dann rief es wieder:
«Zicklein, meck, Tischlein, weg»,
und alles war augenblicklich verschwunden. Zweiäuglein weckte nun Einäuglein und sprach: «Einäuglein, du willst hüten und schläfst dabei ein, derweil hätte die Ziege in alle Welt laufen können; komm, wir wollen nach Haus gehen.» Da gingen sie nach Haus, und Zweiäuglein ließ wieder sein Schüsselchen unangerührt stehen, und Einäuglein konnte der Mutter nicht verraten, warum es nicht essen wollte, und sagte zu seiner Entschuldigung: «Ich war draußen eingeschlafen.»
Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiäuglein: «Diesmal sollst du mitgehen und achthaben, ob Zweiäuglein draußen ißt und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt, denn essen und trinken muß es heimlich.» Da trat Dreiäuglein zum Zweiäuglein und sprach: «Ich will mitgehen und sehen, ob auch die Ziege recht gehütet und ins Futter getrieben wird.» Aber Zweiäuglein merkte, was Dreiäuglein im Sinne hatte, und trieb die Ziege hinaus ins hohe Gras und sprach: «Wir wollen uns da hinsetzen, Dreiäuglein, ich will dir was vorsingen.» Dreiäuglein setzte sich und war müde von dem Weg und der Sonnenhitze, und Zweiäuglein hub wieder das vorige Liedlein an und sang:
«Dreiäuglein, wachst du?»
Aber statt daß es nun singen mußte:
«Dreiäuglein, schläfst du?»,
sang es aus Unbedachtsamkeit:
«Zweiäuglein, schläfst du?»,
und sang immer:
«Dreiäuglein, wachst du? Zweiäuglein, schläfst du?»
Da fielen dem Dreiäuglein seine zwei Augen zu und schliefen, aber das dritte, weil es von dem Sprüchlein nicht angeredet war, schlief nicht ein. Zwar tat es Dreiäuglein zu, aber nur aus List, gleich als schliefe es auch damit; doch blinzelte es und konnte alles gar wohl sehen. Und als Zweiäuglein meinte, Dreiäuglein schliefe fest, sagte es sein Sprüchlein:
aß und trank nach Herzenslust und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen:
und Dreiäuglein hatte alles mit angesehen. Da kam Zweiäuglein zu ihm, weckte es und sprach: «Ei, Dreiäuglein, bist du eingeschlafen? Du kannst nicht gut hüten! Komm, wir wollen heimgehen.» Und als sie nach Haus kamen, aß Zweiäuglein wieder nicht, und Dreiäuglein sprach zur Mutter: «Ich weiß nun, warum das hochmütige Ding nicht ißt; wenn sie draußen zur Ziege spricht:
so steht ein Tischlein vor ihr, das ist mit dem besten Essen besetzt, viel besser, als wir's hier haben; und wenn sie satt ist, so spricht sie:
und alles ist wieder verschwunden. Ich habe alles genau mit angesehen. Zwei Augen hatte sie mir mit einem Sprüchlein eingeschläfert, aber das eine auf der Stirn, das war zum...
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