Schweitzer Fachinformationen
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Führung ist zwar unsichtbar und unmöglich - aber das bedeutet nicht, dass man deshalb darauf verzichten könnte. Führung hat Sinn. Um den Sinn von Führung zu verstehen, brauchen wir zunächst einen gemeinsamen Begriff von Führung. Die Antwort auf die Frage, was Führung ist, ist immer abhängig davon, wen man fragt. Wenn Sie mich fragen, dann bekommen Sie eine Antwort, die Sie vor dem Hintergrund meiner Berufserfahrung, meiner Lebensgeschichte und meines Theoriezugangs einordnen sollten. Ich unternehme also nicht den Versuch, Ihnen hier eine allgemeine und endgültige Definition von Führung vorzustellen, sondern jene, die ich mir erarbeitet habe und die mir nützlich erscheint. Die Literatur ist voll von ähnlichen oder anderen Definitionen. Aber wir - Sie und ich - könnten uns hier auf eine gemeinsame Definition als Arbeitsbasis verständigen.
Um für uns eine Beschreibung von Führung zu entwickeln, sollten wir nochmals klarstellen, dass wir in diesem Buch nicht über Bergführer, Reiseführer oder einen Museumsführer sprechen. Wir sprechen von Führung in Organisationen.
Um uns einer Definition von Führung anzunähern, brauchen wir daher zunächst ein gemeinsames Bild von Organisation.
Was ist eine Organisation? Welche Bilder davon haben wir, welche haben Sie? Diese Frage ist deshalb so wichtig, weil Führung sich nicht nur in Organisationen ereignet, sondern das Verständnis von Führung und von Führungskräften sich wesentlich davon ableitet, wie man eine Organisation versteht.
Organisationen sind - ebenso wie Führung - unsichtbar, was ebenfalls nicht bedeutet, dass es sie nicht geben würde.
Wir können Organisationen nicht direkt beobachten. Was wir an Organisationen erkennen können, sind Büro- oder Fabrikgebäude, Logos, Mitarbeiter, Maschinen. Aber eine Maschine ist noch keine Organisation, auch nicht ein Logo. Offenbar ist eine Organisation - so wie Führung - etwas zwischen diesen beobachtbaren Dingen. Wenn wir Organisationen also nicht direkt beobachten können, wie können wir sie dann definieren?
Organisationen sind nicht direkt beobachtbar.
Versuchen wir einen anderen Weg: Woher kommt der Begriff Organisation? Das etymologische Wörterbuch gibt uns einen Hinweis: Der Begriff Organisation leitet sich vom griechischen órganon her, das bedeutet: »Werkzeug«. Eine Organisation wäre demnach ein Werkzeug, das
Ausgehend von dieser Wurzel, können wir nun Bilder von Organisationen entwerfen. Dabei gibt es, wie auch bei Führung, ältere und neuere Bilder.
Das Bild der Organisation als Werkzeug ist sehr brauchbar. Allerdings verleitet dieses Bild auch zu einem mechanistischen Verständnis von Organisation.
So wie Bilder von Führung häufig von veralteten Vorstellungen geleitet werden, so werden auch Bilder von Organisationen von Ideen geleitet, die aus der Welt des mechanistischen Denkens kommen. Danach wird die ganze Welt als eine Maschine gesehen: Organisationen sind Maschinen, Menschen sind Bestandteile dieser Maschinen. »Wir sprechen von Organisationen wie von Maschinen, und folglich erwarten wir, dass sie wie Maschinen funktionieren, nämlich routinemäßig, verlässlich und vorhersehbar« (Morgan 1997, S. 27).
Organisationen werden unter der mechanistischen Perspektive als Werkzeuge zur effizienten Produktion von Gütern verstanden. Die Vorstellung, alle Verfahren und Entscheidungen zu mechanisieren und damit zu vereinfachen, ist sehr verlockend. Wer wünscht sich nicht, dass die Dinge einfach und reibungslos funktionieren, ohne Wenn und Aber?
Führung in einer mechanistisch gedachten Organisation sorgt für Ordnung und Kontrolle.
Führung erscheint in diesem Bild als eine Leistung, die das Funktionieren der Organisation sicherstellt. Führung stellt Ordnung in der Struktur und den Abläufen her und kontrolliert deren Einhaltung. Führung verwaltet die Ordnung der Organisation. In mechanistisch gedachten Organisationen wird also auch Führung mechanistisch gedacht.
Die Übertragung der mechanistischen Idee auf Phänomene des Lebens - wie Organisation und Führung - ist nicht nur falsch, sondern hat auch viele nachteilige Konsequenzen. Die Realität belehrt uns tagtäglich, dass weder Organisationen noch Menschen Maschinen sind, und dennoch erwarten wir von Menschen, dass sie »funktionieren«, und interpretieren unerwartete Verhaltensweisen als »Pannen«.
Wirtschaftsorganisationen - Unternehmen - sind Werkzeuge des Geldverdienens. Unternehmen werden nicht nur als Maschinen gesehen, die Produkte erzeugen, sondern als Gewinnproduktionsmaschinen. Ihr Funktionieren wird daran gemessen, ob und wie viel Geld sie produzieren. Die betriebswirtschaftliche Perspektive auf Organisationen richtet ihre Aufmerksamkeit auf Kennzahlen von Cashflows, Umsatz, Gewinn. Entscheidungen werden vor dem Hintergrund dieser Daten getroffen, Führungskräfte werden an ihrem Beitrag zum Ertrag gemessen. Was nicht messbar ist, das gibt es auch nicht. Unter der Perspektive der Ökonomie erscheinen alle anderen Faktoren, die in einer Organisation anzutreffen sind - Veränderungen von Kundenwünschen, Bedürfnisse von Mitarbeitern, neue Technologien - als permanente Störung. Organisation und Ökonomie werden heute beinahe synonym - als Chance, Geld zu verdienen - verwendet. Ist die Organisation ökonomisch erfolgreich, ist sie überhaupt erfolgreich. Damit wird auch gesagt: Organisationen sind Ökonomie.
Diese Idee erscheint mir allerdings ein Kurzschluss zu sein. Auch wenn die Interessen der Eigentümer von Organisationen vorwiegend auf die ökonomische Seite gerichtet sind, so ist jede Organisation ein Feld von sehr unterschiedlichen Interessengruppen und Themen, die immer in Balance zu halten sind. Ökonomische Themen stehen im Streit mit persönlichen, technischen oder politischen Themen. Organisationen lassen sich nicht ausschließlich über Instrumente des Controllings erfassen und steuern.
Führung erscheint unter dieser ökonomischen Perspektive auf Organisationen als Garant der Gewinnproduktion. Steuerung über Zahlen ist zwar ein verbreitetes Verständnis und auch Instrument von Führung, dieses Verständnis ist aber zu begrenzt und blendet viele relevante Felder von Organisationen aus.
Führung in einer als ökonomisch gedachten Organisation kümmert sich um den Gewinn.
In den 30er und später in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kamen auch die Psychologen auf den Gedanken, sich mit Organisationen zu beschäftigen. Durch ihre Brille erscheinen Organisationen als soziale Gebilde, die aus Menschen und ihren Bedürfnissen bestehen.
Die Human-Relations-Bewegung entstand in der 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Gegenkonzept zu dem auf radikale Ausbeutung ausgerichteten Konzept von Organisationen. Die Aufmerksamkeit und damit auch die wissenschaftliche Forschung richtete sich in der Folge und besonders verstärkt in den 70er und 80er Jahren auf Themen des Verhaltens von Menschen im Arbeitsprozess. Es entstanden bekannte Motivationstheorien, verhaltenstheoretische Führungstheorien und Managementkonzepte. Ich bin sicher, Sie kennen sie alle, und Sie sind Ihnen in diversen Führungsseminaren begegnet: Maslow, Hertzberg, das Managerial Grid.
In den 80er Jahren gesellte sich zu diesen auf das individuelle Verhalten gerichteten Ansätzen die Gruppendynamik hinzu. Im Rahmen der Theorie über Prozesse in Gruppen und von Trainingsmethoden untersuchte man die Entwicklung von Beziehungen in Gruppen, Rangordnungen und Machtfragen. Die Gruppendynamik prägte über viele Jahrzehnte die Vorstellungen von Führung, Kooperation und Konflikten und entwickelte neue Lernkonzepte für Organisationen. Damals wurde - angeregt durch Impulse aus der japanischen Automobilindustrie - das »Team« als neue soziale Form der Arbeit entdeckt.
Führung definierte sich auf Grund dieser Konzepte nun vorwiegend als Mitarbeiterführung. Führungskräfte mussten Psychologie lernen. Das Human-Relations-Verständnis erwartete von Führungskräften, dass sie die Interessen der Mitarbeiter vertreten, was sie mitunter in die Rolle von Betriebsräten drängte. Der Begriff der soft skills wurde geboren und beschreibt bis heute das Missverständnis, dass es sich bei den psychologischen Aspekten von Führung um weichere, einfachere Themen handeln könnte. Dabei sind das die wahren harten Nüsse der...
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