Schweitzer Fachinformationen
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Willkommen in der Fashion School
»Wir haben uns total verfahren – garantiert! Hier sieht’s ja aus wie am Ende der Welt!« Lucy blickte skeptisch aus dem Seitenfenster und machte zum Beweis einen Schnappschuss mit ihrer Kamera von der Landschaft hinter dem Fenster. Das war ja wohl nicht ihr Ernst! Hier war ja gar nichts! Der silberne SUV ihrer Eltern rollte über die Landstraße und alles, was Lucy sehen konnte, waren Felder, Wälder und Wiesen. Fehlen nur noch Kühe oder so was. »Ein verwunschener Landstrich«, hatte ihre Mutter vorhin begeistert kommentiert und tatsächlich ein bisschen geseufzt.
Verwunschen! Für alte Leute vielleicht. Lucy war fünfzehn und konnte mit Idylle nicht viel anfangen. Sie wollte Trubel und Action, echtes Großstadtleben, coole Musik, angesagte Läden und Leute mit Style und neuen Ideen …
Die Pfingstferien waren seit einer Woche vorbei und seit zehn Tagen war Lucy endlich fünfzehn. Quasi fast erwachsen und endlich alt genug, um wie ihre Schwester Hanna Schülerin der Fashion School Bernstein zu werden. Hanna war wie die anderen Schüler schon seit einer Woche wieder im Internat, aber die Neuzugänge kamen jedes Jahr erst ein paar Tage später dazu, wenn alle anderen bereits wieder im Schulalltag angekommen waren.
»Wir sind schon richtig«, beruhigte ihr Vater Lucy und deutete auf ein Schild, das an der nächsten Wegbiegung stand. Fashion School Bernstein war darauf zu lesen. Tatsächlich! Nun wurde Lucy doch nervös, sie konnte es auf der einen Seite nicht abwarten, endlich das Modeinternat zu besuchen, aber auf der anderen Seite hatte sie auch Angst, ob sie den Anforderungen gewachsen sein würde und ob sie zu den anderen Schülern passen würde. Immerhin war die Fashion School die angesagte Schule für Modedesign überhaupt.
»Falls es dich tröstet: Als wir deine Schwester vor einem Jahr herbrachten, war sie im ersten Moment auch vollkommen entsetzt.« Lucys Mutter riss sie aus ihren Gedanken. »Sie konnte gar nicht fassen, dass die Modeschule so weit weg von Berlin liegt. Aber glaub mir: Das ist gut so, damit ihr euch ganz auf die Schule konzentrieren könnt.«
Lucy schnaubte. Wie sollte man sich auf Mode konzentrieren, wenn man nicht mal zwischendurch shoppen gehen, Boutiquen durchstöbern und tolle Schnäppchen in Secondhandläden machen konnte?
Doch auf einmal war alles vergessen: Der Blick raubte Lucy fast den Atem. Zwischen Bäumen und Sträuchern wurde plötzlich die Sicht auf einen riesigen See frei. In der vollkommen ruhigen Wasseroberfläche spiegelten sich die wenigen Wolken auf azurblauem Hintergrund. Der See war die perfekte Kulisse für einen Fantasy-Film und hätte dem Herr der Ringe-Setting alle Ehre gemacht. »Eine geniale Location für einen Shoot von Armani«, dachte Lucy und schoss sofort einige Bilder mit der Spiegelreflexkamera, die sie immer und überall dabeihatte.
Und dann tauchte hinter einer Kurve das Internatsgebäude auf. Unzählige Erker, Sprossenfenster, Türme und Säulen ließen es wie ein Schloss aus einem Märchenbuch erscheinen.
»Der Wahnsinn«, hauchte Lucy und drückte wieder auf den Auslöser. Hanna hatte ihr zwar stundenlang vorgeschwärmt, wie wundervoll Schloss Bernstein und der Bernsteinsee waren, und natürlich hatte sie sich auch die Fotos im Internet angeschaut, aber es zum ersten Mal mit eigenen Augen zu sehen, war viel überwältigender, als Lucy erwartet hatte.
»Tja, so was findet man eben nicht in der Fußgängerzone – da muss man sich schon hinaus aufs Land wagen«, neckte ihr Vater, während er den Wagen unter einer majestätischen Linde parkte, die wahrscheinlich genauso alt wie das Schloss war. Lucy hätte sich in ein vergangenes Jahrhundert versetzt geglaubt und sich nicht darüber gewundert, wenn plötzlich Ritter auf Pferden und Bauern mit alten Sensen aufgetaucht wären, wäre da nicht der neue SUV ihrer Eltern gewesen.
»Und – willst du jetzt vielleicht die nächsten Jahre hier am Ende der Welt verbringen?«, fragte ihre Mutter sie, während sie ausstiegen.
»Und ob ich das will! Außerdem habe ich auf diesen Tag fünfzehn Jahre gewartet. Das ist mein Traum, das wisst ihr doch«, rief Lucy entschlossen und schulterte wie zur Bekräftigung ihren Rucksack. Alle Einwände waren vergessen, die erst wenige Minuten zurückliegende Meckerei wie weggewischt. Lucy kümmerte es nicht, dass sie sich selbst widersprach – warum auch? »Eines Tages werde ich dann als Modefotografin ganz groß durchstarten! Vielleicht eröffne ich sogar eine eigene Modelagentur und jette als Trendscout durch die Welt!«, schwärmte sie begeistert.
»Genug Gepäck für eine Weltreise hast du jedenfalls jetzt schon dabei«, stöhnte ihr Vater, als er Lucys Reisetaschen aus dem Kofferraum wuchtete. »Das ganze Zeug kannst du doch unmöglich für vier Wochen brauchen.«
»Paps, ich habe doch nicht nur für vier Wochen gepackt«, meinte Lucy lachend, »ich bleibe bis zu den Sommerferien. Ist doch klar. Oder glaubst du etwa, deine Tochter fällt durch die Aufnahmeprüfung?«
So selbstsicher, wie sie klang, fühlte sich Lucy allerdings lange nicht. In Wirklichkeit war sie ganz schön nervös. Die Fashion School Bernstein nahm neue Schülerinnen und Schüler erst dann endgültig auf, wenn sie eine anspruchsvolle Prüfungsaufgabe gemeistert hatten. Lucy lag diese Tatsache bleischwer im Magen, aber sie schob das Gefühl schnell beiseite. Sie wollte es schaffen und sie würde alles für diese Chance tun. Es musste einfach klappen!
Einige neugierige Augenpaare beobachteten die Ankunft der »Neuen« von den vielen Fenstern im Westflügel des Gebäudes, wo die Zimmer der Internatsschüler lagen. Lucy wirkte cool und ein bisschen übermütig. Ihr langes, schwarz gefärbtes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und den Pony mit einer Zebra-Schleifenspange schräg zur Seite gesteckt. Sie trug ein neues schwarzes Kleid und einen pinkfarbenen Bolero, dazu farblich passende Ballerinas. Wenn sie lachte, bildeten sich in ihren Wangen Grübchen und ihre grüngrauen Augen funkelten übermütig.
Der erste Eindruck, den Lucy auf Laetizia machte, war der einer selbstsicheren Schülerin, die wusste, was sie wollte. Sie war selbst erst an diesem Morgen angereist und wartete bereits ungeduldig auf ihre Mitbewohnerin, mit der sie sich ein Zimmer teilen sollte.
Was sie sah, gefiel ihr sofort: ein flippiges, sportliches Mädchen mit glänzendem schwarzem Haar, dem man auf den ersten Blick anmerkte, wie viel Power es hatte. Ganz wie Laetizia selbst, aber vom Styling völlig anders. Und damit war Lucy nicht nur die perfekte Zimmergenossin, sondern auch die ideale Teambesetzung, um die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Denn Laetizia wusste etwas, wovon Lucy noch nichts ahnte: Im neuen Schuljahr waren nur noch zwei Plätze in der Fashion Class des Internats frei, um die sich neben Lucy und Laetizia noch zwei Jungs bewarben. Mit anderen Worten, es würde sich zwischen den Mädchen und den Jungen entscheiden, wer bleiben durfte und wer nicht. Ihre Informantin war sich in dieser Sache ganz sicher gewesen.
Mit diesem Vorwissen war Laetizia besonders gespannt auf ihre Mitbewohnerin gewesen und nun mehr als erleichtert. Zumindest hatte diese Lucy ein Auge für stylishe Outfits und trug nicht Stangenware vom letzten Jahr.
Ein paar Zimmer weiter beobachtete auch Mona Lucys Ankunft. Sie hatte sich Hannas jüngere Schwester völlig anders vorgestellt – elfenhafter irgendwie. Klassischer gekleidet. Eine zweite Hanna eben. Okay, die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen: Beide waren um die 1,65 groß und hatten die gleiche schlanke Figur, was ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit Audrey Hepburn verlieh; mit dem Unterschied, dass Hanna einen Mittelscheitel trug, ihr kastanienbraunes Haar zu einem Longbob geschnitten war und sie feingliedriger als ihre eher sportliche Schwester war. Und der Stil der beiden war komplett unterschiedlich. Hanna war der klassische Typ, dezent und mit schlichter Eleganz gekleidet, meist in gedeckten Farben oder in Schwarz und Weiß. Lucy dagegen schien es auffallender zu lieben und keine Angst vor knalligen Farben zu haben. Mona seufzte und zwirbelte gedankenverloren eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass die Neue ihr die beste Freundin wegnehmen würde, sah sie auch noch super aus und wirkte wie ein Energiebündel. Wie sollte sie da nur mithalten?
Wie aufs Stichwort kam Hanna ins Zimmer gestürmt. »Ist sie endlich da?«, rief sie aufgeregt.
»Wenn das Emo-Mädel da unten deine Schwester ist, dann ja«, gab Mona betont gut gelaunt zurück und hoffte, Hanna würde ihr ihre Fröhlichkeit abkaufen.
Lilian Eastbrook hatte Lucys Ankunft ebenfalls erwartet. Wie immer hielt sie es für ihre Pflicht als Direktorin, neue Schüler persönlich in Empfang zu nehmen. Schwungvoll öffnete sie die Eingangstür und erschien auf dem Stufenportal. In ihrem silberblonden Pagenschnitt steckte eine dunkle Sonnenbrille, in der rechten Hand trug sie ein Klemmbrett. Eine kühle Ausstrahlung umwehte die ehemals berühmte Modedesignerin, die vor fünf Jahren die Fashion School Bernstein gegründet hatte, um sich persönlich um die Ausbildung des Nachwuchses im Fashion Business zu kümmern. Lucy hatte schon vieles über Miss E. gehört, von der ihre Schwester immer sehr ehrfurchtsvoll sprach. Sie wusste, dass Lilian Eastbrook sehr hohe Ansprüche an ihre Schüler stellte und von ihnen forderte, stets ihr Bestes zu geben.
Mit bewundernswerter Leichtigkeit schwebte Lilian Eastbrook in einem anthrazitfarbenen Ensemble und auf halsbrecherischen High Heels die Eingangstreppe herunter, als wäre dies ihre leichteste...
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