Schweitzer Fachinformationen
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Es goss wie aus Eimern. Der Regen prasselte auf die Dachpfannen, rauschte durchs Fallrohr und legte sich wie eine dicke Haut auf die großen Fenster. Eine Haut, die sich in hypnotischen Mustern bewegte und seltsame Geschöpfe auf das Glas malte. Durch das Küchenfenster konnte Eric die Bucht sehen. Das Meer war grauschwarz und schäumte. Kein einziges Boot weit und breit.
Er rief über die Schulter: »Ich hoffe wirklich, dass er kommt!«
Hanna stellte den Staubsauger aus. »Was?«, rief sie aus dem Wohnzimmer.
»Ich hoffe, er kommt.«
»Jens? Der hat in seinem ganzen Leben noch kein Essen versäumt. Das bisschen Regen macht ihm nichts aus.«
»Bisschen Regen .«
Eric schüttelte den Kopf und ließ noch einen Hummer ins kochende Wasser gleiten. Jens hatte ein gutes Boot, eine 32 Fuß lange Targa. Die brauchte er auch bei einem Landhaus im äußeren Schärengarten, wo das Wetter sehr rau werden konnte. Da gab es keine helfenden Nachbarn oder schützenden Buchten, nur nackte Klippen, Krüppelkiefern und jede Menge Meer. Sie hatten sich gewundert, als Jens sich diese einsame Hütte weit draußen in den Schären gekauft hatte. Ausgerechnet Jens, der nie allein sein konnte, der immer Freunde und Bekannte um sich haben wollte.
»Ist er das?«
Hanna tauchte neben ihm auf und nickte zur Bucht. Ein kleines blaues Boot, noch weit entfernt, kämpfte sich stur durch die hohen Wellen.
»Das ist er, pünktlich wie immer.«
»Willst du nicht runtergehen und ihm helfen?«
Eric schüttelte den Kopf. »Dann wird er nur sauer. Das ist so ein Macho-Ding, er will es allein schaffen. Außerdem hat er eine Bugschraube. Und eine freie Boje und bereitliegende Leinen am Steg.«
Während sie zurück ins Wohnzimmer ging, rief sie: »Du willst ja bloß nicht nass werden.«
Eric nickte lächelnd.
Eine gute Viertelstunde später flog die Haustür auf, und Jens stapfte prustend in die Diele. Er trug eine rote Regenjacke und auf dem Kopf einen blauen Südwester. Sein Gesicht glänzte nass.
»Ah, herrlich. Der Schärengarten von seiner besten Seite!«
Hanna half ihm aus den nassen Sachen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Jens legte den Arm um ihre Taille und zog sie mit sich in die Küche. Mit dem anderen umarmte er Eric.
»Wenn es nur halb so gut schmeckt, wie es riecht, machst du mich glücklich.«
Hanna fuhr ihm mit der Hand durch sein nasses Haar. »Du verdienst ein richtiges Festessen nach dieser Fahrt. Die muss schlimm gewesen sein.«
Jens schnaubte verächtlich.
Hanna lachte. »Erzähl uns von Gillöga. Was hat dich dazu gebracht, plötzlich Insulaner zu werden?«
Jens warf sich eine Kirschtomate in den Mund.
»Ich habe schon immer von einer Hütte in den Schären geträumt. War oft mit meinem Vater da draußen. Gillöga macht wirklich nicht viel her, im Gegenteil. Nichts als Felsen und Steine.«
»Gibt's da überhaupt keine Bäume?«
»Doch, ein paar Kiefern. Nackte, verkrüppelte Stämme.«
Hanna betrachtete ihn nachdenklich.
»Klingt irgendwie . rau.«
Jens machte die Augen schmal. »Rau ist das richtige Wort. Rau und einsam. Wenn man von den Schlangen absieht .«
Eric legte drei große Blini auf weiße Teller mit handgemalten Möwen. Darauf gab er reichlich Maränenkaviar und krönte das Ganze mit saurer Sahne und Schnittlauch aus dem Garten. Der Schnittlauch leuchtete knackig grün, Eric lächelte und beschloss, Jens nicht zu verraten, warum er hinter dem Haus so prächtig gedieh. Dann holte er den Wein aus dem Kühlschrank und nickte zum Esstisch hinüber.
»Setzt euch.«
Es war warm in dem kleinen Wohnzimmer, und der Kamin verströmte den Geruch von brennendem Birkenholz. Er räucherte vielleicht ein bisschen stark, aber daran ließ sich jetzt nichts ändern. Ab und zu zischte es im Feuer, wenn sich Regentropfen ihren Weg durch den Schornstein gebahnt hatten. Eric blieb vor seinem iPod stehen, wählte Albioni aus und stellte die Lautstärke ein. Dann setzte er sich und legte sich die Serviette auf den Schoß. Sie prosteten sich zu und begannen zu essen. Jens nickte beifällig, den Mund voller Schnittlauch. Als Eric mit der Vorspeise fertig war, nahm er sein Weinglas, lehnte sich zurück und genoss es, Hanna und Jens einfach nur anzusehen. Sie drei waren wirklich wie eine kleine Familie. Er korrigierte sich: nicht wie eine Familie, sie waren eine kleine Familie. Jens mit seinen zerzausten blonden Haaren, dem ungepflegten Insulaner-Bart, den kräftigen Händen. Er liebte seinen Freund wirklich. Er dachte daran, was Jens während der furchtbaren Tage, als Hanna so krank war, alles für ihn getan hatte. Damals hatte er für einen Moment gedacht, dass ihre Freundschaft vorbei sei. Aber Jens würde ihn nie im Stich lassen. Und Hanna hatte überlebt. Seine verzweifelte Reise war nicht vergebens gewesen.
Jens hob sein Weinglas und sagte mit lauter Stimme: »Wie sagte der gute Bellman: Blumen der Liebe gieße mit Wein. Ich liebe euch. Skål!«
Jens, der Diskussionen bei Tisch liebte und immer gut vorbereitet war, lehnte sich vor und sah Hanna tief in die Augen.
»Lasst uns heute über die Liebe reden. Victor Hugo hat gesagt, wirkliche Liebe ist, wenn man trotz seiner selbst geliebt wird. Das steht im Kontrast zu Aristophanes, der behauptete, der Urmensch habe vier Arme und vier Beine gehabt, sei aber in der Mitte gespalten worden. Seit dem Tag irren wir durch die Welt und suchen nach unserer verlorenen Hälfte. Wir suchen nach unserem eigenen Abbild. Außerdem sagte Sartre, dass es unmöglich ist, echte gegenseitige Liebe in einer Beziehung lebendig zu erhalten.«
Hanna nickte nachdenklich. »Hatten sie sich nicht entschieden, ohne Liebe zusammenzuleben? Zumindest ohne Sex, also Sartre und de Beauvoir. Sie sagte ja, dass Frauen auf ewig dazu verdammt seien, abhängig zu sein.«
Jens verdrehte die Augen. »In Wirklichkeit sind wir Männer diejenigen, die zur Abhängigkeit verdammt sind. Keiner kommt ohne mindestens eine Frau aus.«
Jens war wie immer zu Späßen aufgelegt, aber Eric merkte, dass etwas nicht stimmte. Er war überzeugt, dass auch Hanna es spürte. Aber er wartete bis nach dem Hauptgericht. Nachdem er noch eine Flasche Wein aufgemacht und die Käseplatte serviert hatte, wechselte er einen kurzen Blick mit Hanna, sah seinen Freund an und sagte ernst: »Jens, was ist los?«
Jens tat erst so, als hätte er es nicht gehört, und konzentrierte sich darauf, große Stücke von den verschiedenen Käsesorten abzuschneiden. Er nickte begeistert. »Frische Feigen, großes Lob an den Koch.«
Hanna sah Eric an und legte ihre Hand auf Jens' Arm.
Er blickte auf, sah erst sie an und dann Eric. »Ich denke, wir warten damit bis nach dem Essen. Ich will uns die Stimmung nicht verderben.«
Eric schüttelte den Kopf. »Sinnlos. Alles an dir schreit so laut >Schlechte Nachrichten!<, dass man nicht versteht, was du sonst noch sagst.«
Jens trank einen Schluck Wein. »Okay. Also . es geht um den Virus.«
Eric blickte instinktiv zu Hanna. Sie senkte den Blick und legte das Besteck hin.
Er sah Jens an. »Was ist mit dem Virus?«
»Er hat begonnen, sich zu verbreiten.«
»Begonnen? Wie meinst du das? Der Computervirus hat sich im Prinzip um die ganze Welt verbreitet, aber hat man ihn nicht inzwischen geknackt?«
Jens warf einen Seitenblick zu Hanna. Man merkte ihm an, dass er ihr Unbehagen spürte. Er schwieg eine Weile, ehe er weitersprach, unsicher, wie er sich ausdrücken sollte. »Der Computervirus, ja, aber von dem rede ich nicht.«
Eric schüttelte den Kopf. »Versteh ich nicht. Wovon dann?«
Hanna schaute hinaus auf die dunkle, regenverhangene Bucht. Trotz des Kerzenlichts konnte Eric sehen, dass sie blass geworden war.
Jens fuhr fort: »Hannas Arzt, Thomas Wethje, ist erkrankt. Und die Krankenschwester, die ihm geholfen hat.«
»Pia?«
Jens nickte. »Sie liegen beide im Krankenhaus Huddinge auf der Isolierstation. Es wird eine Menge Geheimniskrämerei um das alles gemacht.«
Eric stocherte an den Käsehappen auf seinem Teller. Ohne aufzublicken, sagte er: »Was bringt sie auf die Idee, dass es genau dieser Virus ist?«
»Die Verläufe sind identisch. Hohes Fieber, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, motorische Probleme, Erbrechen. Nach wenigen Tagen fallen sie ins Koma, begleitet von schweren Herzrhythmusstörungen. Und mit EEG-Kurven, die aussehen wie bei einem epileptischen Anfall.«
Eric wurde es plötzlich eiskalt. Es war, als hätte das Feuer im Kamin all seine Wärme verloren und die beißende Kälte vom Meer es geschafft, das Wohnzimmer in Besitz zu nehmen.
»Weiß man, wie die Ansteckung erfolgt?«
»Nein, man weiß im Prinzip gar nichts. Aber der Virus hat einen Namen erhalten: Novel Corona Like Virus, NCoLV.«
Eric sagte tonlos, als hätte er Jens nicht gehört: »Der Antivirus existiert nicht mehr, er wurde vernichtet, als ich ihn in Mind Surf hochgeladen habe. Es gibt also . kein Gegenmittel.«
Er sah Hanna an, sie hatte die Serviette zu einem festen Strang gedreht, den sie mit beiden Händen umklammerte. Eric stand auf, ging um den Tisch herum zu ihr und umarmte sie. Jens breitete die...
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