Schweitzer Fachinformationen
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Global Geography würde es sicherlich nicht freuen zu hören, dass sich Rafael für 300 Dollar eine völlig überteuerte Taxifahrt gegönnt hatte. Aber als er seinem Chef geschrieben hatte, dass der Bus ihm vor der Nase weggefahren war, hatte der nur geantwortet: »Sieh zu, dass du nach Manacapuru kommst, egal wie.« Das interpretierte er als Erlaubnis, das Geld von GloGeo so auszugeben, wie er es für richtig hielt. Aber einen Hunderter mehr auszugeben, damit eine völlig Fremde mitfahren durfte? Tja.
Aber was hätte er sonst tun sollen? Sie einfach zurücklassen? Offenbar hatte sie einen noch viel schlimmeren Tag gehabt als er. Jeder barmherzige Samariter hätte dasselbe getan. Es lag kein bisschen daran, dass er völlig von ihr bezaubert war.
Okay, na gut. Es lag allein daran und an sonst gar nichts.
Er hatte nicht vorgehabt, sie anzustarren, als er sich nach den ausgebüxten Pringles bückte, aber dann hatten ihre saphirblauen Augen hinter der Brille hervorgeblitzt und ihn in den Bann geschlagen. Und als dann all diese gewitzten Kommentare aus ihrem Mund gesprudelt waren wie Wasser aus einem Hahn, den man nicht mehr abstellen konnte, was eindeutig kein Versuch gewesen war, ihn zu beeindrucken, tja . da war er regelrecht fasziniert gewesen. Außerdem hatte irgendwas an dieser Kombination aus Streberbrille und Dutt es ihm angetan.
Nicht, dass er in Brasilien war, um sich nach einer Romanze umzuschauen. Aber angesichts der höllischen Wochen, die ihm unfreiwilligermaßen bevorstanden, hatte er sich eine kleine Ablenkung ja wohl redlich verdient.
»Hier.« Die Frau reichte ihm ein Bündel Bargeld aus der Tasche, die sie unter dem T-Shirt trug. »Ich habe gerade nur 52 Dollar, aber ich kann Ihnen den Rest geben, sobald wir in Manacapuru sind.«
Er winkte ab. »Ach was, machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Betrachten Sie es einfach als kleine Wiedergutmachung.«
Fragend neigte sie den Kopf.
»Wegen dem Waschraum vorhin«, erklärte er und dachte an ihr völlig entgeistertes Gesicht. »Keine Sorge, ich habe nichts gesehen.«
Sie errötete heftig. »Versprochen?«
»Versprochen. Sie haben blitzschnelle Reflexe.«
»Sie hätten mal sehen sollen, wie ich vorhin dem Bus hinterhergerannt bin, den wir beide verpasst haben«, sagte sie, halb kichernd, halb mit einer peinlich berührten Grimasse.
»War es sehr elegant?«
»Oh, eleganter geht es wohl kaum.« Sie lächelte und schob eine ihrer hellbraunen Locken hinters Ohr. »Vielen Dank übrigens. Ich bin Miriam, aber Sie können mich Miri nennen«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin.
»Rafael. Aber Sie können mich Rafa nennen. Und wir können uns gern duzen.« Er ergriff ihre Hand und kämpfte gegen den Drang an, sie anzugaffen. »Amerikanerin?«
»Ist es so offensichtlich?« Sie verzog das Gesicht, und er lachte.
»Ich kann Nein sagen, wenn dir das lieber ist.«
Sie stieß die Luft aus, dass ihr langer Pony flatterte. »Was hat mich verraten? Mein vornehmer Akzent? Die stylischen Klamotten? Meine auffallende Unbekümmertheit beim Umziehen in einer öffentlichen Toilette?«
»Die Gürteltasche.« Er versuchte, ganz neutral dreinzublicken, aber unwillkürlich zuckten seine Mundwinkel.
»Hey. Das ist ein Geldgürtel, vielen Dank auch«, sagte sie, warf sich in die Brust und lächelte ihn an.
»Ganz genau.« Wenn das mal nicht ein umwerfendes Lächeln war. Auch wenn diese Frau eine Gürteltasche trug, fand er sie ganz und gar hinreißend.
»Du bist also kein Amerikaner?«
Er schüttelte den Kopf. »Kanadier.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Kanadier, aye?« Ihre Imitation klang eher nach einem Piraten als kanadisch.
»Québécois«, antwortete er, während sein Blick auf sie gerichtet war. »Ich bin in Montreal aufgewachsen, lebe aber jetzt in Washington, DC. Avez vous déjà été?«
»Oh.« Sie hatte offensichtlich keine Ahnung, dass er sie gerade gefragt hatte, ob sie jemals dort gewesen war, aber ihr hungriger Blick hing an seinen Lippen. Das passierte immer - und war auch genau so beabsichtigt -, wenn er sein französisch-kanadisches je ne sais quoi zum Besten gab. Je-des Mal. Es war unmöglich, so auszusehen und zu klingen wie er und nicht zu wissen, wie man auf Frauen wirkte.
Und es von Zeit zu Zeit zu seinem Vorteil zu nutzen.
»Im ersten Moment dachte ich, du wärst vielleicht ein Einheimischer«, sagte sie.
»Ich bin zum ersten Mal hier. Allerdings war meine Mutter Brasilianerin.«
»Bist du hier, um deine Familie zu besuchen?«
Er überlegte einen kurzen Moment, was er antworten sollte. Sie war zwar nur eine x-beliebige Fremde . aber es durfte nun mal niemand wissen, dass er in Brasilien war, und erst recht nicht, was er hier tat.
Denn der Grund für seine Reise war streng geheim. Er sollte eine privat finanzierte archäologische Expedition im Amazonasgebiet dokumentieren, die der Suche nach der verlorenen Cidade da Lua galt. Sein Arbeitgeber - Global Geography, das Magazin für Weltkultur, Reisen und Entdeckungen - hatte durch den Finanzier des Teams von der Exkursion erfahren: ein wohlhabender Geschäftsmann namens Eugene Larity, der über dieses bedeutsame Ereignis berichten wollte. Beziehungsweise: dieses potenziell bedeutsame Ereignis. Dutzende von Forschern hatten sich bereits vergeblich auf dieselbe Suche begeben. Aber GloGeo war an vielen großen Entdeckungen beteiligt gewesen, und offenbar war Mr. Larity mit Rafas Arbeit als preisgekrönter Journalist und erfahrener Fotograf vertraut.
Zu schade, dass er anscheinend nicht wusste, dass Rafa vor Kurzem versucht hatte, seinen Job zu kündigen.
Aber nach dieser Expedition war er endgültig raus. Eine letzte Mission, und dann war Schluss. Jedenfalls wenn er seinen Vater davon überzeugen konnte, dass es keinesfalls beruflicher Selbstmord war, die GloGeo zu verlassen, um sich dem Schreiben von Romanen zu widmen.
Frisch zurückgekehrt von seinem letzten Auftrag und mit nicht mal einer Woche Vorlaufzeit hatte Rafa also seine Koffer gepackt, ein paar recht rudimentäre Nachforschungen über die Mondstadt angestellt und sich auf den Weg gemacht zu seinem nächsten - und hoffentlich letzten - Abenteuer.
Tschau, DC, olá, Brasilien.
Es war zwar sehr unwahrscheinlich, dass Miri a) wüsste, wovon er überhaupt sprach, oder b) sich genug dafür interessierte, um deswegen irgendwas zu unternehmen . aber er konnte nicht riskieren, dass sie auch nur ganz nebenbei Freunden oder Familie von dem GloGeo-Journalisten erzählte, den sie unterwegs getroffen hatte und der auf dem Weg zur Cidade da Lua war.
»Ja, ich treffe mich mit meinem Onkel und einigen Cousins«, antwortete er schnell, damit die Pause nicht verdächtig lang wurde. »Und ich hoffe, dass ich während meines Aufenthalts dazu komme, auch ein wenig die Heimat meiner Mutter zu erkunden.«
Klingt das glaubwürdig? Ehrlich gesagt wäre es tatsächlich schön, wenn er dazu käme, endlich mal seine eigenen Wurzeln zu ergründen. Er wusste kaum etwas über die mütterliche Seite seines Stammbaums, nur das, was sein Vater ihm erzählt hatte. Und das war nicht viel, denn seine Eltern hatte nur eine stürmische Romanze verbunden. Vor vielen Jahren hatte Rafa ein bisschen zu recherchieren versucht, ob es Verwandte in Brasilien gab, aber natürlich war selbst die beste Website zur Ahnenforschung nicht besonders ergiebig, wenn man nur den Vornamen der Mutter kannte: Andressa. Kein Geburtsort. Keine früheren Adressen. Nicht mal einen Nachnamen, denn offenbar hatte sie auf seiner Geburtsurkunde falsche Angaben gemacht.
Aber jetzt, da er vor Ort war . nun, vielleicht würde er endlich doch ein paar Antworten finden.
»Das ist ja toll«, unterbrach Miri seine Gedanken. »Das wollte ich auch schon immer mal machen - den Geburtsort meiner Eltern besuchen.«
Puh. Er atmete auf, dankbar, dass er sie offenbar überzeugt hatte. Lügen war nicht gerade seine Stärke. Bestimmt war es eine gute Idee, etwas Übung zu bekommen, bevor die Expedition losging.
»Und welcher Ort wäre das?«
»Poulsbo, Washington. Nicht annähernd so sexy wie Brasilien, aber es soll wunderschön sein. Sie haben sich dort in der siebten Klasse kennengelernt, und . na ja, du weißt ja, wie man so schön sagt.«
Fragend zog er eine Braue hoch.
»Der Rest ist Geschichte«, klärte sie ihn auf. »Sorry, vielleicht sagt man das in Kanada nicht?«
»Doch, in Kanada sagen wir das auch«, sagte er lachend. »Also, was hält dich davon ab? Von einem Besuch in Poulsbo, meine ich?«
»Ach, du weißt schon. Das Übliche. Zeit. Geld. Motivation.«
»Aber jetzt gerade bist du immerhin in Brasilien. Manch einer würde sagen, das ist alles andere als das Übliche.« Er sagte es mit einem Lächeln, aber ihr Blick verdunkelte sich, und ihre Wangen färbten sich rot.
»Ich, äh . ich bin aus beruflichen Gründen hier, das zählt also nicht.«
»Was machst du denn beruflich?«
»Oh .« Sie wich seinem Blick aus. Hmm. »Ich, äh . ich bin Beraterin«, sagte sie.
»Was für eine Beraterin denn?«
»Äh . ich .«, murmelte sie und verschränkte die Hände in ihrem Schoß. »Ich, äh,...
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