Schweitzer Fachinformationen
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Ja. Tausendprozentig Ja.
In ihrem Büro spannte Corrie Mejía die Oberschenkel unter dem antiken Holztisch an und hielt sich an den Armlehnen des dazu passenden Stuhls fest. Das alte mexikanische Kiefernholz knarrte unter der Anspannung, während Corrie sich zwang, ruhig zu bleiben und ihrem Gesicht befahl, so zu wirken, als würde sie immer noch über das Angebot des glatzköpfigen Mannes mittleren Alters ihr gegenüber nachdenken.
Auf diesen Moment wartete sie seit dem Tag, an dem sie beschlossen hatte, Archäologin zu werden. Jetzt, wo es endlich so weit war, brauchte sie ihre ganze Kraft, um nicht aufzuspringen und die Stelle anzunehmen, ohne irgendwelche Details zu kennen - es wäre nicht das erste Mal. Aber was kümmerten sie schon Kleinigkeiten, nachdem sie die glorreichen Worte gehört hatte, Worte, auf die sie seit Jahrzehnten gewartet hatte:
Da Sie, Dr. Socorro Mejía, die brillanteste Archäologin der Welt und die führende Expertin auf diesem Gebiet sind, wollen wir Sie - und nur Sie, denn niemand sonst käme auch nur annähernd infrage - für eine Expedition nach Mexiko, bei der alle Kosten übernommen und keine Kosten gescheut werden, um nach den Überresten des aztekischen Kriegers Chimalli sowie dem Tecpatl-Opfermesser zu suchen, das er Moctezuma II. stahl, als er kurz vor dem Untergang des Aztekenreichs aus Tenochtitlán floh.
Naja. Ganz so hatte er es nicht gesagt. Eher so: Ein anonymer Investor hat mich beauftragt, Ihnen eine Stelle bei einer Chimalli-Expedition anzubieten.
Aber die Bedeutung war dieselbe - niemand wusste mehr über Chimalli als Corrie. Und sie war verdammt brillant.
In der Ecke ihres winzigen Büros in Berkeley tickte die verstaubte alte Uhr, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Das Büro war nur halb so groß wie die der anderen Fakultätsmitglieder. Wenn du erst mal die Professur hast, kriegst du ein größeres, hatte man ihr gesagt. Komischerweise war es nie dazu gekommen. Es wäre ihr auch gar nicht aufgefallen, wenn der Fremde in dem engen Zimmer nicht praktisch auf ihrem Schoß gesessen hätte, in der Lage, jede Regung zu bemerken. Jede gezwungene Bemühung, die Fassung zu wahren.
Mit jeder Sekunde wurde das Ticken lauter. Und mit jedem hämmernden Schlag hallten Corrie die Worte ihrer Abuela in den Ohren wider.
Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, gibt es einen Haken.
Corrie hatte auf die harte Tour gelernt, wie viel Wahrheit in diesen Worten lag. Jetzt, mit fünfunddreißig, hatte sie sich angewöhnt, ihrem Bauchgefühl nicht impulsiv nachzugeben. Die Beweggründe unter die Lupe zu nehmen. Vor dem Abenteuer eine Bewertung vorzunehmen. Oder zumindest das ein oder andere Detail herauszufinden, bevor sie zusagte.
Denn in den letzten acht Jahren hatte sie hart darum gekämpft, jemanden zu finden, der genau diese Ausgrabung finanzierte. Warum also sollte dieser Typ, den sie noch nie gesehen hatte, jetzt zu ihr kommen und ihr den Job aller Jobs anbieten? Ihre Traumgrabung inklusive aller Kosten auf dem Silbertablett.
Es musste einen Haken geben. Es gab immer einen Haken.
Ein Klopfen an ihrer Tür zerriss die angespannte Stille im Zimmer und erlaubte ihr, den Griff um die Armlehnen zu lockern.
»Herein«, rief sie und warf dem Fremden einen kurzen Blick zu, bevor sie ihren Stuhl zur Tür drehte.
Ihre Mentee, Dr. Miriam Jacobs, betrat das Büro mit einem Sortiment von Büchern und Papieren unter dem Arm.
»Hi, Dr. Mejía«, sagte sie, als sie Corries Besucher bemerkte, »wir hatten doch um eins einen Termin, um den Lehrplan für das nächste Semester zu besprechen.«
Corrie sah auf die Uhr, der Termin hätte vor mehr als zehn Minuten anfangen sollen. Richtig. Das waren die Details, auf die sie sich hätte konzentrieren sollen, denn in wenigen Wochen begann das Herbstsemester. Es war nicht ihre Art, zu spät zu kommen oder Leute zu vertrösten. Sie war keine »zerstreute Professorin« oder eine dieser »Meine Zeit ist wichtiger als deine«-Typen wie einige ihrer Kollegen. Vielmehr war Corrie stolz auf ihre Bodenständigkeit. Jemand zu sein, den ihre Studenten eher bewunderten als fürchteten. Eine Dozentin, die bei einem Bier genauso unterhaltsam war wie in der Vorlesung. Eine Mentorin für andere junge Archäologinnen wie Miriam, denen sie half, sich in den patriarchalen Überbleibseln des ehemals von Männern dominierten Fachgebiets zurechtzufinden.
Aber vor einer Viertelstunde war dieser Unbekannte aufgetaucht und hatte sofort mit »Ich habe ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können« angefangen, bevor sie ihm sagen konnte, dass sie einen Termin hatte. Wie hätte sie ablehnen sollen, ohne ihn wenigstens anzuhören?
»Oh, tut mir leid, Miri. Ich habe ganz die Zeit vergessen. Gib mir nur .«
»Dr. Mejía wird in diesem Herbst keine Seminare geben.«
Die Worte des Fremden raubten ihr fast den Atem. So verlockend das Angebot auch war, Corrie Mejía konnte es nicht leiden, wenn Männer für sie sprachen.
»Wie bitte?«
»Dr. Mejía reist in ein paar Tagen nach Mexiko«, erklärte der Mann Miriam, als wäre Corrie gar nicht da, »und sie wird mindestens bis zum Ende des Semesters bleiben.« Er nahm die Brille ab, zog ein Taschentuch hervor und polierte die Gläser, als wäre das keine große Sache.
Als wäre es völlig normal, in ein paar Tagen zu einer ungeplanten Reise nach Mexiko aufzubrechen.
»Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber ich habe noch nicht zugestimmt«, schnauzte Corrie ihn an.
»Nein, aber das werden Sie.«
»Ach, ja? Sagt wer?« Sie verschränkte die Arme und lehnte sich zurück.
»Sagt die Person, die mich geschickt hat.« Der Mann setzte die Brille wieder auf. »Ich wäre nicht hier, wenn es auch nur den Hauch einer Chance gäbe, dass Sie Nein sagen.«
Corrie stand der Mund offen, aber es kam nichts heraus. Person? Welche Person? Ihr schwirrten verschiedene Namen durch den Kopf, aber keiner ergab einen Sinn. Es konnte keine der Personen sein, an die sie sich zuvor wegen einer Finanzierung gewandt hatte, denn warum sollte sie anonym bleiben? Und sie kannte auch niemanden, der über die finanziellen Mittel verfügte, um so etwas durchzuziehen. Schon gar keinen, der sie gut genug kannte, um so sicher zu sein, dass es nicht den Hauch einer Chance geben würde, dass sie Nein sagte. Es gab nur wenige Menschen, die Corrie kannten - zumindest die echte Corrie.
»Corrie?« Miriams Stimme war vor Sorge und Verwirrung angespannt und lenkte Corries Aufmerksamkeit zur aktuellen Situation zurück.
»Ähm, äh, ja.« Sie stand auf und ging zur Tür. »Wie wäre es, wenn ich dir heute Nachmittag eine E-Mail schicke und wir einen neuen Termin vereinbaren?«
Corrie hielt Miri die Tür auf, die zwei zaghafte Schritte zurücktrat, nickte und einen letzten Blick auf den Fremden warf, bevor sie die Tür schloss. Mit dem Rücken zu dem Mann atmete Corrie tief durch, dann drehte sie sich um und lehnte sich an die Holztür.
»Wer hat Sie geschickt?«, fragte sie.
»Tut mir leid, Dr. Mejía, aber das ist vertraulich.«
»Na gut . Und wo genau soll es hingehen?«
»Auch vertraulich.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Okay . Wie soll ich diese Ausgrabung leiten, wenn ich nicht weiß, für wen ich arbeite oder wohin ich gehe?«
»Sie werden assistieren, nicht leiten. Die Details bleiben dem leitenden Archäologen überlassen.«
Sie warf den Kopf zurück, blickte an die Decke und lachte auf. Das konnte nicht sein Ernst sein. Corrie würde bei einer Chimalli-Ausgrabung niemals die zweite Geige spielen. Auch dann nicht, wenn der Erfolg der Grabung ihr endlich Zugang zum hart umkämpften inneren Kreis der Archäologie bieten würde, wo man sie vielleicht ernster nahm.
»Moment mal. Damit ich das richtig verstehe. Ich werde nicht nur nicht die Leiterin sein, sondern Sie wollen auch, dass ich einen Job annehme, ohne zu wissen, wer Sie geschickt hat, für wen ich arbeite oder wohin ich gehe, und ich soll in ein paar Tagen abreisen? Und, lassen Sie mich raten, Ihr Name ist auch vertraulich?«
Der Mann zuckte nicht mit der Wimper.
Oha, es gab also einen Haken, na gut. Sie lachte wieder, aber diesmal aus vollem Hals und voller Unglauben und Verärgerung. Ohne zu zögern, riss sie die Tür hinter sich weit auf.
»Sagen Sie demjenigen, der Sie geschickt hat, dass er mich offenkundig überhaupt nicht kennt. Ich muss leider ablehnen.«
Mit einem Nicken deutete sie zur Tür und verschränkte die Arme. Der Fremde lächelte. Als er sich endlich erhob und zur Tür ging, hätte Corrie ihm am liebsten mit einer Ohrfeige das Lachen aus dem Gesicht gewischt. Doch bevor er das Büro verließ, blieb er vor Corrie stehen, das Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
»Sehr schade, dass Sie sich nicht an der Entdeckung der Überreste Ihres Vorfahren beteiligen wollen. Sollten Sie Ihre Meinung ändern, liegt am Sonntagmorgen am Schalter der United Airlines ein Ticket für Sie bereit. Der Flug geht um fünf Uhr morgens.«
Der Mann ging den Flur hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen, und Corrie stand mit großen Augen an der Tür. Er hatte sie überzeugt, mit einem Wort. Vorfahr.
Wer auch immer den Kerl geschickt hatte, kannte sie besser, als sie je geahnt...
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