Schweitzer Fachinformationen
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Thalia ließ die Polizeimeldung sinken und starrte aus dem Fenster.
Hinter einem hässlichen Hochhaus konnte sie in der Ferne die Zwillingstürme des Doms ausmachen, die brutal in die Wolkendecke stießen. Es erweckte nicht den Eindruck, als würde die Sonne sich jemals wieder zeigen.
Nachdenklich strich sie sich über die Stirn und spielte dann mit dem wellenförmigen Anhänger ihrer Lederkette.
Eine grausam verstümmelte Leiche war schrecklich, konnte aber Zufall sein. Eine zweite und eine dritte mit den gleichen Wunden, das war ein Muster. Ein sehr beunruhigendes, zumal die Kripo nicht damit herausrückte, welcher Art die Verletzungen waren.
Wenn sie dort nur einen Kontakt hätte .
Ihr Lieblingskollege Konstantin passierte ihren Schreibtisch, der im Großraumbüro der News Cologne passenderweise genau zwischen seinem Platz und der Kaffeeküche platziert war. Er stoppte und hockte sich auf die Kante, wofür er zuerst ihren vollen Kaffeebecher beiseiteschieben musste. Mit seiner massigen Gestalt verdeckte er ihr die Aussicht, doch sein Lächeln war ihr ohnehin lieber, obwohl es mal wieder von einem deutlichen Bartschatten unterstrichen wurde. Seine Falten wirkten auch tiefer als sonst. Alle, mit Ausnahme der Lachfältchen.
Mit dem Zeigefinger stupste er den Bericht an. »Wir sollen es nicht allzu aufbauschen, sagt der Polizeisprecher. Sonst gibt's Ärger.«
Ein leichter Geruch nach Old Spice und Zigaretten wallte in Thalias Riechzentrum und erinnerte sie ganz kurz an die dreißig Jahre Altersunterschied, die sie so gern vergaß.
Sie nickte. »Schon klar. Die wollen keine Panik in der Bevölkerung.«
»Wer sollte in Panik geraten, weil einigen Bewohnenden unserer schönen Stadt brutal das Gehirn entfernt wurde?« Ein schiefes Grinsen begleitete Konstantins Worte.
Unwillkürlich zuckte Thalia zusammen. Erneut überflog sie die Pressemittelung rasch. »Hier steht nichts von Gehirnen.«
Ihr Kollege räusperte sich, sagte aber nichts.
Sie fixierte sein Gesicht. »Wie kommst du auf Gehirn?«
Er wiegte den Kopf. »Thalia .«
»Konstantin. Wie kommst du auf Gehirn?« Ihr Herz pochte unangenehm gegen die Rippen.
Ein Seufzen. »Du musst das unbedingt für dich behalten.«
Wie sie es hasste, wenn er so etwas tat. Er wusste genau, dass es sie reizte. »Was? Was muss ich für mich behalten, Konstantin?«
»Das mit den Gehirnen. Die Information ist nicht öffentlich.«
»Aber du hast sie.« Das war eine Feststellung, keine Frage. Die Frage lautete eher, woher er sie hatte, doch das würde er ihr vermutlich ohnehin nicht verraten. Es ginge gegen seine Ehre als Investigativjournalist. Das war eine seiner ersten Lektionen für sie gewesen, nachdem er sie vor einigen Jahren unter seine Fittiche genommen und ihr alles beigebracht hatte, was er übers Zeitungsmachen wusste.
Du schützt deine Quellen ebenfalls. Sogar ihm gegenüber.
»Ich habe es aufgeschnappt.«
»Aufgeschnappt.« Na klar. »Und was genau hast du aufgeschnappt? Haben wir es mit gehirnfressenden Zombies zu tun?« Sie schnaubte, was nicht so amüsiert klang, wie sie es gern wäre.
Er sah sie nur einen Moment lang an. Einen Moment, der ewig zu dauern schien.
Dann endlich lachte er, doch ganz aufrichtig klang es nicht. »Quatsch! Du guckst zu viele schlechte Filme!«
»Ich gucke solche Filme überhaupt nicht!« Es schüttelte sie bei dem Gedanken. »Kann ich nämlich gar nicht leiden. Ich hasse es, mich zu gruseln, das weißt du genau.«
»Sei beruhigt. Es handelt sich definitiv nicht um einen Zombie, der Gehirne frisst.« Verstohlen beugte er sich näher zu ihr. »Es wurde lediglich ein kleiner Teil des Gehirns entfernt. Die Zirbeldrüse.«
»Vielleicht ein Zombie mit einem erlesenen Geschmack.« Sie musste selbst schlucken bei diesem dummen Scherz. »Ich meine, was weißt du darüber, welcher Teil vom Gehirn besonders delikat ist? Die Zirbeldrüse könnte .«
»Schsch!«, machte Konstantin und sah sich um. »Könntest du bitte etwas diskreter sein? Das müssen ja nicht alle hier mitbekommen.«
Thalia blickte hinter sich. Im Großraumbüro der Redaktion hockte nur noch die etwas pummelige Bärbel Schelonka an ihrem Schreibtisch in der Ecke und tippte eifrig. Sie hatte Kopfhörer in den Ohren und eine Styroporverpackung neben sich, aus der sie fleißig etwas in ihren Mund schaufelte. Klar, mit leerem Magen schrieb sich eine Restaurantkritik vermutlich nicht besonders leicht.
»Hier ist doch niemand.«
»Du weißt genau, dass in einer Zeitungsredaktion die Tische Ohren haben.«
»Na, solange die Tische keine Artikel schreiben können, geht's ja noch.« Sie streckte sich, dann fixierte sie ihren älteren Kollegen. »Apropos hier ist doch niemand: Wo warst du eigentlich gestern den ganzen Tag?« Hoffentlich klangen die Worte harmloser, als es sich für sie anfühlte. Er musste ja nicht wissen, wie sehr sie sich um ihn sorgte.
Immerhin ist er nicht dein Vater oder so. Auch wenn es sich mitunter so anfühlt.
»Ich habe geschlafen.«
»Tagsüber? Bist du jetzt unter die Vampire gegangen?« Sie lachte, wobei die Worte einen unangenehmen Nachgeschmack hinterließen. Dieses ganze Gerede über Horrorgestalten brauchte sie gerade gar nicht.
»Ich wüsste zwar nicht, was dich das anginge, aber wenn du es genau wissen willst: Ich habe recherchiert.« Er wickelte eine ihrer langen, dunkelblonden Strähnen um seinen Finger, wie er sie mit seinen Worten stets um den Finger wickelte. »Du bist ja schlimmer als meine echte Tochter«, fügte er hinzu.
»Nur weil deine Tochter sich überhaupt nicht für dich interessiert.« Mit einem Ruck befreite sie ihre Haare. »Nachts. Du hast nachts recherchiert?«
Konstantin ignorierte ihren Tiefschlag und sie bereute es sofort, auf seine Tochter eingegangen zu sein. Immerhin waren sie füreinander viel eher Familie, als eine Blutsverwandtschaft es jemals bedingen könnte.
»Es gibt Dinge, die man besser nachts erledigt.« Er kniff die Lider zusammen und grinste. Der Schatten in seinen Augen, der ihn seit Tagen zu begleiten schien, blieb.
Eine Gänsehaut lief über Thalias Rücken, obwohl es in der Redaktion durch die vielen dauerhaft laufenden Rechner stickig und warm war.
Erst die Sache mit dem Gehirn, und jetzt das.
»Ich weiß. Was denkst du, warum ich so viel Kaffee trinke.« Wenn sie nur wüsste, woran ihr Kollege arbeitete . Der Gedanke, dass er sich nachts gleichzeitig mit einem irren Killer in der Stadt herumtrieb, bereitete ihr Bauchweh.
Es sei denn, er war selbst der Täter. Das würde auch sein angebliches Wissen über die Gehirne erklären.
»Was du nachts machst, weiß ich genau. Du gibst mir aber Bescheid, falls du wieder zu einem deiner >privaten< Treffen losziehst, ja?« Er sah sie eindringlich an und aus seiner Miene sprach Missbilligung. Es war ihm hoch anzurechnen, dass er diese nicht anderweitig zum Ausdruck brachte.
»Keine Sorge, der Typ, mit dem ich seit ein paar Tagen chatte, meldet sich ohnehin nicht mehr.« Sie war viel zu abgelenkt, um sich darüber zu ärgern. Eine Sekunde lang stellte sie sich Konstantin vor, wie er einem armen Passanten am Haupteingang vom Melaten-Friedhof im Gebüsch auflauerte, ihn hinterrücks mit einem Felsbrocken erschlug und ihm dann den Schädel öffnete, um fein säuberlich .
»Mach's trotzdem. Damit ich weiß, wer dich umgebracht hat, wenn es dich irgendwann erwischt«, fügte er hinzu.
Sie schnaubte nur. Wo genau saß eigentlich diese Zirbeldrüse und wie entfernte man die? Musste man dafür medizinisches Fachwissen besitzen oder reichte es, wenn man richtig gut recherchieren konnte?
Jetzt schüttelte es sie geradezu. Das war natürlich völliger Blödsinn. Wenn sie für jemanden die Hand ins Feuer legen würde, nichts mit den Morden zu tun zu haben, dann für ihn. Eher noch würde sie sich selbst verdächtigen, nachts zu schlafwandeln und deshalb einen unbeschreiblichen Hunger auf Zirbeldrüsen zu haben.
Sie würgte und trank schnell einen Schluck Kaffee. Dann musste sich Konstantin über ihr Würgen wenigstens nicht wundern.
Bittere Flüssigkeit überschwemmte ihre Zunge, aber der Krampf in ihrem Magen ließ überraschenderweise nach.
Was ist denn mit dir los? Sonst macht dir die ganze Scheiße, die in der Welt passiert, auch nicht so viel aus.
Konstantin rutschte auf der Tischplatte hin und her. »Dass dich die Vorstellung, ich könnte nachts gewisse Sachen machen, so anekelt, ist schon ein bisschen verletzend.«
Jetzt musste sie ehrlich lachen. »Ich bin nur eifersüchtig, das weißt du doch.«
»Dann bin ich wohl zu Recht so verschwiegen.« Er schubste die kleine blaue Actionfigur um, die auf ihrem Schreibtisch stand. »Außerdem will ich nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Als ob dieser Satz jemals irgendjemanden dazu bewegt hätte, sich keine Sorgen zu machen. »Du bringst dich also in...
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