Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
1. FIGUREN RECHERCHIEREN
Vor einiger Zeit kam eine meiner schreibenden Klientinnen mit einem wunderbaren Entwurf für ein Drehbuch zu mir. Seit mehr als einem Jahr hatte sie es immer wieder überarbeitet. Ihre Agentin wartete gespannt auf die neue Geschichte.
Obwohl sie füher schon öfter dafür kritisiert worden war, daß manche ihrer Drehbücher für den kommerziellen amerikanischen Markt nicht stark genug seien, war dieses hier spannend und kraftvoll. Es war jene Art von Geschichte, die viele Produzenten als »erstklassigen Entwurf« bezeichnen - mit einem starken Aufhänger und einer originellen Herangehensweise an die Geschichte, mit einem eindeutigen Konflikt und klar umrissenen Figuren.
Ihr erster Film war gerade fertiggestellt worden, und sie rechnete damit, mit diesem Drehbuch Neuland zu erschließen. Sie mußte schnell fertig werden - doch die Figuren funktionierten nicht. Sie war vollkommen ratlos.
Als ich das Drehbuch analysierte, erkannte ich, daß sie nicht genug über das Milieu wußte - über die Welt der Figuren. Einige Szenen spielten in einer Obdachlosenunterkunft. Sie hatte zwar einige Zeit in der Unterkunft Suppe ausgegeben und mit den Obdachlosen gesprochen, doch sie hatte nie die Erfahrung gemacht, was es heißt, dort zu übernachten oder auf der Straße zu leben. Aus diesem Grund mangelte es an Detailarbeit und Gefühlen. Es gab nur eine Möglichkeit, die Probleme mit ihren Figuren zu überwinden - sie mußte die Recherche wiederaufnehmen.
Der erste Schritt bei der Erschaffung jeder Figur ist die Recherche. Da Schreiben zumeist das persönliche Vordringen in unerforschtes Terrain ist, sind Recherchen notwendig, um sicherzugehen, daß die Figur und ihr Kontext plausibel und wahrheitsgetreu klingen.
Viele Schriftsteller lieben das Recherchieren. Sie schildern es als Abenteuer, als Entdeckungsreise, als Gelegenheit, etwas über andere Welten und andere Menschen zu lernen. Sie lieben es, wie ihre Figuren lebendig werden, nachdem sie viele Tage damit verbracht haben, mehr über deren Welt zu erfahren. Wird durch ihre Recherche etwas bestätigt, was sie intuitiv wußten, sind sie überglücklich. Jede neugewonnene Einsicht gibt ihnen das Gefühl, daß sie bei der Erschaffung einer spannenden Figur einen Riesenschritt vorangekommen sind.
Andere schüchtert der Gedanke an Recherche ein, und sie betrachten sie als den schwierigsten Teil der Arbeit. Viele Schriftsteller lehnen das Recherchieren ab und sträuben sich dagegen, stundenlang Telephongespräche zu führen oder in Bibliotheken nach Informationen zu stöbern. Recherchen können frustrierend und zeitaufwendig sein. Sie können in zahlreichen Sackgassen landen, bevor Sie irgend etwas erreichen, und womöglich haben Sie keine Ahnung, wie Sie es anfangen sollen, einen bestimmten Aspekt der Figur zu recherchieren: Die Recherche ist jedoch der erste Schritt in dem Prozeß, eine Figur zu formen.
Man hat die Tiefe einer Figur mit einem Eisberg verglichen. Der Zuschauer oder Leser sieht nur die Spitze der Arbeit eines Schriftstellers - vielleicht nur zehn Prozent von allem, was der Autor über die Figur weiß. Der Schriftsteller muß darauf vertrauen, daß seine gesamte Arbeit der Figur Tiefe verleiht, auch wenn viele Informationen nie direkt im Drehbuch erscheinen.
Wann muß man recherchieren? Stellen Sie sich einen Moment lang vor, Sie schreiben einen Roman. Jeder, der ihn liest, findet, daß Ihr Held, ein siebenunddreißigjähriger Weißer, eine faszinierende Persönlichkeit ist, manche seiner Motivationen sind jedoch nicht nachvollziehbar. Sie kommen zu dem Schluß, daß Sie mehr über das Innenleben Ihrer Figur herausfinden müssen. Ein Freund schlägt Ihnen vor, SEASONS OF A MAN'S LIFE von Daniel Levinson über die Midlife-crisis des Mannes zu lesen, und Sie machen eine Analyse in einer Männergruppe mit. Durch diese Recherchen hoffen Sie zu erfahren, was mit Männern in der Midlife-crisis geschieht und wie sie ihr Verhalten beeinflußt.
Oder Sie haben die Arbeit an Ihrem Drehbuch gerade beendet und stellen fest, daß die tragende Figur, der schwarze Rechtsanwalt, weniger Substanz zu haben scheint als die anderen. Sie fragen bei der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) nach, ob dort ein schwarzer Anwalt bekannt ist, der bereit wäre, mit Ihnen zu reden. Sie müssen in Erfahrung bringen, wie sich der ethnische Hintergrund auf diese spezielle Figur mit diesem speziellen Beruf auswirkt.
Oder Sie wurden damit beauftragt, einen Film über die amerikanischen Entdeckungsreisenden Meriwether Lewis und William Clark (zu Beginn des 19. Jahrhunderts) zu schreiben. Sie sind klug - Sie bitten das Studio um Geld für Recherchen, Reisespesen und acht Monate Zeit. Sie müssen die Erfahrungen einer solchen Reise nachvollziehen und Verständnis dafür entwickeln, welchen Einfluß die historische Periode auf Figuren und Dialog hat.
Allgemeine und gezielte Recherche
Wo fängt man an? Gehen Sie zunächst davon aus, daß Sie nie ganz von vorne anfangen. Sie haben bereits ihr ganzes Leben lang Recherchen betrieben, es gibt eine Menge Material, auf das Sie zurückgreifen können.
Das, was man allgemeine Recherche nennt, betreiben Sie die ganze Zeit. Es sind die Beobachtungen - die Wahrnehmungen -, die die Grundlage für eine Figur bilden. Vielleicht sind Sie ein geborener Beobachter. Sie studieren, wie Menschen gehen, was sie tun, wie sie gekleidet sind, den Rhythmus ihrer Sprache, sogar ihre Denkmuster.
Wenn Sie neben dem Schreiben einen anderen Beruf ausüben - vielleicht als Arzt, Immobilienmakler oder Geschichtslehrer -, können Sie das Material, das Sie durch die Arbeit in sich aufgesogen haben, für das Drehbuch einer Arztserie, eine Geschichte über den Immobilienhandel oder für einen Roman oder ein Drehbuch über das mittelalterliche England verwenden.
Sie betreiben auch allgemeine Recherchen, wenn Sie Kurse in Psychologie oder einem künstlerischen oder naturwissenschaftlichen Fach belegen. Später wird Ihnen das, was Sie gelernt haben, die Details liefern, die Sie für Ihre nächste Geschichte brauchen.
Viele Schreiblehrer sagen: »Schreiben Sie über das, was Sie kennen« - aus gutem Grund. Sie haben erkannt, daß dieses permanente, lebenslange Beobachten und allgemeine Recherchieren viele Details abwirft, die zu ermitteln Monate oder Jahre verlangen würde, schriebe man über ein Gebiet außerhalb seines Erfahrungsbereiches.
Carl Sautter, Schriftsteller, früher Redakteur bei »Moonlighting« und Autor von HOW TO SELL YOUR SCREENPLAY, erzählt die Geschichte eines Autors, der ihm eine Fort-Lauderdale-Story anbot. »Er wollte einen Film über vier Mädchen machen, die in den Osterferien nach Fort Lauderdale fahren. Die Idee ist nicht schlecht, doch ich stellte fest, daß er noch nie während der Osterferien in Fort Lauderdale war. Wir unterhielten uns weiter, und ich erfuhr, daß er auf einer kleinen Farm in Kansas aufgewachsen war. Und dann sagte er: >Es ist ein Jammer, daß ich diese Woche nicht dort sein kann; es ist die Pancake-Woche.< Diese kleine Stadt feierte ihr jährliches Pancake-Festival. Und er begann zu erzählen, was die Leute dort alles mit Pancakes anstellen, und erklärte die Einzelheiten des Festes. Und ich sagte: >Da haben wir Ihre Geschichte. Das ist ein herrlicher Ausgangspunkt für einen Film. Warum wollen Sie eine Geschichte über etwas erzählen, was Sie nie erlebt haben und über das zweitausend Leute besser schreiben können als Sie? Schreiben Sie über etwas, was Sie kennen.<«
Die Schaffung einer Figur beginnt mit dem, was Sie bereits wissen. Doch die allgemeine Recherche liefert unter Umständen nicht genügend Informationen. Sie müssen auch gezielte Recherche betreiben, um solche Details der Figur zu ergänzen, die nicht Teil Ihrer eigenen Beobachtungen und Erfahrungen sind.
Der Romanschriftsteller Robin Cook (COMA [COMA], DAS LABOR DES GRAUENS - THE FREAKMAKERS [ MUTATION], LAUTLOSE KILLER[OUTBREAK] und so weiter) ist Doktor der Medizin, aber dennoch muß er für seine medizinischen Romane gezielte Recherche anstellen. »Lesen macht den größten Teil des Recherchierens aus«, sagt er, »doch ich spreche auch mit Ärzten, die auf das Fachgebiet meines Romans spezialisiert sind. Normalerweise arbeite ich sogar einige Wochen in diesem Spezialgebiet. Als ich das Buch BRAIN schrieb, das von einem Neuroradiologen handelt, verbrachte ich zwei oder drei Wochen an der Seite eines Neuroradiologen. Zu LAUTLOSE KILLER, wo es um eine moderne Form der Pest geht, sprach ich mit den Leuten am Zentrum für Seuchenbekämpfung in Atlanta und beschäftigte mich mit der Erforschung von Viren. Zu DAS LABOR DES GRAUENS - THE FREAKMAKERS ...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.