Schweitzer Fachinformationen
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An der Straße, die sich vom Städtchen Coosa nach der Hauptstadt von Georgia, Milledgeville, hinabwindet, und nahe dem Platz, wo gegenwärtig der Gasthof gleichen Namens den ermüdeten Reisenden zur Ruhe einlädt, stand vor ungefähr dreißig Jahren unter einem Felsenvorsprung, auf welchem einige Dutzend roter Zedern und Fichtenbäume wurzelten, ein rau aussehendes, mäßig großes Blockhaus. Davor erhob sich ein Gerüst, das aus zwei mannsdicken Balken bestand, verbunden durch Querpfosten, zwischen welchen ein ungeheures Schild hin- und herschwebte, das bei näherer Betrachtung eine groteske Figur in grellstem Farbenschmuck wahrnehmen ließ, deren Diadem von Federn, Tomahawk, Schlachtmesser und Wampum wahrscheinlich einen indianischen Häuptling bezeichnen sollte. Unter dem Schild war mit Buchstaben, ägyptischen Hieroglyphen nicht unähnlich, gekritzelt: »Einkehr für Mann und Tier«. Zur rechten Seite des Hauses oder vielmehr der Hütte und näher dem Fahrweg waren aus Balken gezimmerte Verschläge, vom Weg nur durch eine breite Schlammpfütze getrennt und mit Haufen von Stroh und Heu angefüllt, aus denen hier und da Überreste schmutzigen Bettzeugs hervorschauten. Sie ließen erraten, dass diese Gemächer nicht nur für das liebe Vieh, sondern auch für jene Reisenden bestimmt waren, die ihr Unstern bemüßigte, hier Ruhe und Nachtlager zu suchen. Ein paar Kuh- und Schweineställe ergänzten diese Hinterwäldlersiedlung.
Es war eine stürmische Dezembernacht. Der Wind heulte furchtbar durch den schwarzen Fichtenwald, an dessen Abhang die Hütte gelegen war. Das schnell aufeinanderfolgende Krachen der Baumstämme, die der Sturm mit donnerähnlichem Getöse zu Fall brachte, verkündete einen jener wütenden Orkane, die so häufig über die Blue Mountains von Tennessee und das flache Mississippiland ziehen. Mitten in diesem tobenden Sturm ließ sich ein leises Tappen am Fensterladen der Hütte vernehmen, dem bald darauf ein starkes Pochen oder vielmehr heftige Schläge folgten. Sie erschütterten die Balken, aus welchen die Hütte gezimmert war, in ihren Grundfesten. Nicht lange nach dieser Aufforderung öffnete sich die Tür zur Hälfte, ein Kopf tauchte auf, als wollte er die Ursache des Lärms ergründen, während im selben Augenblick der Schaft eines Karabiners vorrückte, zweifelsohne um dem Besitzer der Hütte die fernere Mühe des Öffnens zu ersparen. Zu gleicher Zeit trat eine lange Gestalt heran, riss die Tür weit auf und schritt mit starken Schritten in die Stube, wo sie sich vor dem Feuerplatz niederließ. Hinter ihr her eine Gruppe von Wesen, die halb schreitend, halb trabend ihrem Führer in einer Linie und in tiefstem Schweigen folgten.
Es dauerte ziemlich lange, bis ungefähr zwanzig dieser Nachtgestalten in die Hütte eingedrungen waren. Als der Zug sein Ende erreicht hatte, schloss sich die Tür wieder; ein kolossaler Mann näherte sich dem Feuerplatz, wo noch ein dicker Klotz glimmte, warf einige Scheite darauf und zündete einen der Pechspäne an, die in einem Haufen in der Nähe lagen. Dann, gemessenen Schrittes auf den Schanktisch zutretend, ergriff er ganz ruhig ein Talglicht, zündete es an und stellte es auf den Tisch.
Das kunstlose, beinahe rohe Innere der Hütte, so ganz dem Äußern entsprechend, ließ sich nun im düstern Schein des Lichts und des allmählich auflodernden Feuers deutlicher erkennen. Auf einem Stuhl vor dem Feuerplatz saß der Mann, der zuerst eingetreten war, eine blutbefleckte Wolldecke über den Leib geworfen, sodass Gesicht und Gestalt verhüllt waren. Hinter ihm auf dem Lehmboden kauerte eine Gruppe von zwanzig Indianern auf ihren Hüften, ihre Schenkel ineinander verschlungen, die Gesichter gleichfalls in nasse Wolldecken gehüllt. Die großen Blutflecken darauf schienen anzudeuten, dass der Charakter der Expedition, von der sie kamen, ziemlich grausam gewesen sein musste.
Gegenüber dem Feuerplatz stand in der Ecke der Schanktisch, hinter dessen Gitterwerk ein Dutzend schmutziger Flaschen und noch schmutzigere Gläser und Krüge aufgestellt waren. Drei blau angestrichene Fässchen mit der Aufschrift »French Brandy, Gin, Monongehala« standen eine Stufe tiefer. Ein Haufen von Hirsch-, Biber-, Bären- und Fuchsfellen zur linken Seite reichte beinahe bis zum Geländer und zeugte von lebhaftem Verkehr mit der kupferfarbigen Rasse. Daneben erhob sich ein ungeheures Himmelbett, umringt von drei niedrigeren Bettstellen und einer Wiege oder vielmehr einem Trog, einem Stück eines hohlen Baums, an dessen Ende Bretter genagelt waren. In diesen verschiedenartigen Behältnissen genoss die Familie des Gastgebers, den lauten Lungentönen nach zu urteilen, eine unerschütterliche und vollkommene Ruhe. Die Wände der Stube zeigten die rohen und unbehauenen Baumstämme, deren einziger Schmuck breite Streifen von Lehm waren, die die Zwischenräume ausfüllten.
In dieser Stube nun, die, nach ihren mannigfaltigen Bestimmungen zu schließen, der Leser sich ziemlich geräumig vorstellen muss, sah man den Wirt beschäftigt, die Stühle und Bänke, die die Eindringlinge ohne Weiteres über den Haufen geworfen hatten, wieder in Ordnung zu bringen. Seine stoische Ruhe hätte einen vermuten lassen können, seine Gäste seien eher Nachbarn als soeben von einer blutigen Expedition zurückgekehrte Wilde, vielleicht gekommen, seinen und der Seinigen Bälge als Zugabe zu ihrer Expedition mit sich zu nehmen. Nachdem er den letzten Stuhl an seinen Ort gestellt hatte, setzte er sich selbst zu dem Mann, der als Führer der Bande den Platz im Vordergrund eingenommen hatte.
Einige Minuten mochten so beide gesessen haben, als der Letztere sich aufrichtete und einen Teil seines Hauptes entblößte. Die andere Hälfte war mit einem Stück Kaliko verbunden, an dem wie Fransen kleine Knoten geronnenen Blutes hingen. Der Hinterwäldler warf einen Seitenblick auf den Indianer, wandte jedoch sein Auge gleich wieder dem knisternden Feuer zu.
»Hat mein weißer Bruder keine Zunge?«, ergriff endlich der Indianer das Wort. »Oder lässt er sie warten, um sie desto besser zu krümmen?« Die letzten Worte sprach er in einem tiefen, höhnischen Kehlton.
»Er will hören, was der Häuptling sagen wird«, erwiderte mürrisch trocken der Amerikaner.
»Geh und ruf dein Weib«, sprach der Indianer in demselben tiefen Basston.
Der Wirt erhob sich, wandte sich gegen das gewaltige Ehebett und sprach, nachdem er die Vorhänge auseinandergezogen hatte, mit seiner Frau, die sich im Bett aufgerichtet und, wie es schien, eher neugierig als ängstlich der kommenden Dinge geharrt hatte. Nach einem kurzen Zwiegespräch kam sie aus ihrem Hinterhalt. Sie war eine derbe Frau, breitschultrig und vollgewichtig, mit einem Zug in ihrem nicht eben sehr zart geformten Gesicht, der deutlich machte, dass sie nicht leicht aus der Fassung gebracht werden konnte. Ihr Überrock von Linsey-Woolsey, für täglichen und nächtlichen Gebrauch bestimmt, betonte ihre gewaltige Gestalt noch, als sie festen Schrittes und beinahe aufgebracht neben ihren Ehemann trat. Die drohende Ruhe ihrer Besucher jedoch, ihre blutigen Köpfe und Wolldecken, nun erhellt durch die hoch aufschlagende Flamme, schienen so üble Vorzeichen, dass sie sichtlich zusammenschrak. Ihre ersten Schritte, die rasch und zuversichtlich auf die Indianer gerichtet waren, begannen zu wanken, und mit einem unwillkürlichen Schauder drehte sie sich zur Seite, wo ihr Mann wieder Platz genommen hatte. Eine Minute verging in düsterem Schweigen.
Der Indianer erhob nun sein Haupt, ohne jedoch aufzublicken, und sprach im strengen Ton: »Höre, Frau, was ein großer Krieger dir sagen wird, dessen Hände offen sind und der den Wigwam seines Bruders mit vielen Hirschhäuten füllen wird. Dafür wird er bloß wenig von seiner Schwester verlangen, und dieses wenige mag sie leicht geben. Hat meine Schwester«, fragte der Indianer mit erhöhter Stimme, einen Blick auf sie richtend, »hat sie Milch für eine kleine Tochter?«
Sie sah den Indianer verwundert an.
»Will sie«, fuhr dieser fort, »ein wenig von ihrer Milch einer kleinen Tochter geben, die sonst wegen Mangels sterben würde?«
Die Züge der lauschenden Frau erhellten sich, als ihr klar wurde, dass der Indianer etwas von ihr wollte und es also in ihrer Gewalt stand, eine Gunst zu gewähren oder zu versagen. Sie neigte sich von der Seite ihres Ehemanns dem Indianer zu und wartete gebannt auf nähere Erklärungen über eine so sonderbare Zumutung.
Der Indianer, ohne sie eines Blickes zu würdigen, öffnete die weiten Falten seiner Wolldecke und zog ein wunderschönes, in kostbare Pelze gehülltes Kind hervor.
Die Frau stand einige Augenblicke wie erstarrt über die liebliche Erscheinung; Verwunderung und Erstaunen schienen sie gefesselt zu haben. Neugierde jedoch, dieses Wesen näher zu besehen, und vielleicht Muttergefühl lösten nun auf einmal ihre Zunge.
»Guter Gott!«, rief sie, während sie beide Arme ausstreckte, das Kind zu empfangen. »Was für ein wunderlieblich kleines Ding, und guter Eltern Kind muss es auch noch sein. Ihr könnt Euch drauf verlassen. Ich schwörs. Schaut nur einmal die Felle und die feinen Spitzen. Habt Ihr in Euerm Leben so etwas gesehen? Wo habt Ihr das Kind her? Armes, kleines Ding! Jawohl, ich will es füttern. Es ist ja kein rotes Kind.«
Die Frau hätte ihrer Verwunderung noch eine Weile freien Lauf gelassen, doch ein bedeutsamer Wink ihres Mannes schloss ihr den Mund. Ohne sie zu beachten,...
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