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Maddy
Summerhill würde ich auf jeder Karte entdecken. Ich könnte es mit verbundenen Augen zeichnen, ohne abzusetzen oder zu zögern. Es hatte die Form eines Herzens, dessen eine Seite sich an den Fluss schmiegte und dessen Spitze ins Meer hineinragte. In Wirklichkeit war das Anwesen natürlich nicht so klar umrissen, war eine grünbraune Wildnis, an der die Gezeiten zerrten. Und an die Seite, auf der sich der Fluss zur Bucht weitete, klammerte sich das Haus. Aber mein Kopf hatte es genau so abgesteckt, als herzförmige Landkarte meiner Kindheit, wo ich sicher war und nichts mir etwas anhaben konnte.
Selbst jetzt, da sich die Situation merklich zuspitzte, dass es an der Zeit war zu handeln, und meine Tante Marjorie entweder am Radio klebte oder den Horizont nach Anzeichen für eine Invasion der Deutschen absuchte, schien es unmöglich, dass sich das Leben hier ändern würde.
Mein Vater hätte widersprochen. Mit dem Krieg ist es wie mit der Liebe, sagte er mal, als ich sechs oder sieben war. Er findet immer einen Weg, Maddy. Wir vergessen ihn, aber ehe wir es uns versehen, ist er wieder da. Er war immer der Meinung, meine Schwester und ich sollten Bescheid wissen über all die schrecklichen Dinge, zu denen Menschen fähig waren. Ich wollte es nicht hören, aber Georgiana bettelte förmlich um Geschichten aus dem Weltkrieg, wollte von den Schrecken von Ypern und der Westfront hören und wie er es geschafft hatte zu überleben. Ich überließ das ihnen, lief nach unten in die Küche, um mir einen von Cookies Rosinenkeksen zu nehmen, pfiff nach den Hunden und verschwand mit meinem Skizzenbuch nach draußen. Durch den Wald und runter an den Fluss, wo ich mich bäuchlings auf den Steg legte, um die Kaulquappen im Schlick zu zeichnen, und bei Ebbe durch die Gezeitentümpel watete. Bis zu der winzigen Insel, wo man am besten schwimmen konnte und die Sonne am Ende eines weiteren herrlichen Summerhill-Tages im Wasser versank, wobei sie die Bucht mit glühenden Rot- und Orangetönen überflutete, für die meine gesamte Farbpalette nicht ausreichte.
Heute spuckte das Radio ständig neue alarmierende Nachrichten aus Deutschland aus, im Dorf drängten sich die uniformierten Männer von der nahegelegenen Militärbasis, und Hobson suchte verzweifelt nach etwas, das sich als Verdunkelungsvorhang für die riesigen Buntglasfenster in der Eingangshalle eignete, und ich tat, was ich immer tat. Während meine Tante Marjorie in der Zeitung studierte, was Herr Hitler im Schilde führte, schnappte ich mir mein Skizzenbuch und eine Schaufel - die Mauer in Fairings Corner war wieder in sich zusammengebrochen - und verschwand nach draußen.
Als ich die kleine Steinlawine sah, die die schweren Regenfälle der letzten Woche ausgelöst hatten, und ich anfing, die Steine aufzusammeln und, so gut es ging, Erde in die Lücken zu pressen, wurde mir etwas schwer ums Herz. Um diese Mauer hätte sich eigentlich mal jemand richtig kümmern müssen. Der Zaun oben bei Pixies Wald musste auch geflickt werden, der Brunnen am unteren Ende des Gartens leckte, und ohne Papas prüfenden Blick war der Garten in den letzten sechs Jahren explodiert. Georgiana sagte oft, eines Tages würden wir aufwachen und feststellen, dass er uns mit Haut und Haaren verschluckt hatte.
In Gedanken bei meiner Schwester, schob ich den letzten Stein in die Mauer und lief den Hügel hinauf. Von ganz oben kann man die Straße sehen, die aus dem Dorf herführt, und ich wollte die Erste sein, die Georgie kommen sah. Sie war vor sechs Monaten nach Europa aufgebrochen - trotz all der düsteren Nachrichten aus Deutschland -, wo sie sich bei sämtlichen entfernten Verwandten eingeladen hatte. Mit Papas altem Auto war sie erst nach London gefahren und dann weiter nach Amsterdam und Frankreich, von wo sie ekstatische Postkarten geschickt hatte, die sehr deutlich machten, dass sie nicht im Entferntesten daran dachte, ihre Reise abzukürzen. Schließlich rief unsere Cousine Xenia aus Nantes an, um die liebe Marjorie eindringlich zu bitten, ihre Remmidemmi-Nichte unter Kontrolle zu bringen, da alle vernünftigen Engländer den Kontinent verlassen würden. Georgiana hatte keine andere Wahl, als zurückzukommen, und ich war glücklich darüber. Ich hatte vorher keinen einzigen Tag ohne meine Schwester verbracht, und die letzten sechs Monate waren die längsten meines Lebens gewesen.
Ich befahl den Hunden streng, in der Nähe der Steinmauer keine Löcher zu buddeln, zog mich in die alte Eiche hoch und lehnte mich an den Stamm, um die Straße im Blick zu haben. Georgiana fuhr immer schnell. Sie hatte sich das Fahren selbst beigebracht, als sie siebzehn war, obwohl Tante Marjorie missmutig auf dem Vorplatz stand und irgendwas von Handarbeit und Französischstunden grummelte. Frank hatte ihr nach langem Betteln geholfen, den alten Morris meines Vaters wieder zum Laufen zu bringen. Zunächst hatte sie auf dem Vorplatz geübt, mit Heuballen als Straßenbegrenzung, und später war sie die Landstraße entlanggebrettert, mit mir auf dem Beifahrersitz, denn ich wusste, dass sie sich umbringen würde und das mindeste, was ich tun konnte, war, dann bei ihr zu sein.
Aber die Straße lag so still und verschlafen da wie immer, und ich holte mit einem behaglichen kleinen Seufzer mein Skizzenbuch hervor. Der mit grünem Leinen bezogene Block war fast voll, denn ohne Georgie hatte ich mehr gezeichnet als sonst. Tante Marjorie, die gern dozierte, und das über eine Vielzahl von Themen, hatte mich angehalten, mit dem Papier sparsam umzugehen, und ich hatte es versucht und allen verfügbaren Platz genutzt, schließlich war es sehr wahrscheinlich, dass die Welt bald kein Papier mehr hätte, wenn ich nicht langsam anfing zu sparen. Ich zeichnete ständig, alles und jedes. Das Haus. Die Küche. Mein liebstes Fuchsjunges, wie es den Igel verfolgte, der in Pixies Wald hinter dem morschen Baum lebte. Wie das Licht durch die Bäume auf die wilden Erdbeeren fiel. Auch Menschen: Cookie beim Schichten von Pflaumenauflauf. Hobson, wie er hinter den Stallungen heimlich raucht. Susan, die mit einem Eimer die Treppe hinaufläuft. Georgiana, die nicht mal eine gerade Linie ziehen könnte, wenn man ihr eine Pistole an den Kopf hielte, die Schreiben liebt und mit der ich mir über die Jahre unzählige Geschichten ausgedacht habe. Den ganzen Sommer über hatte ich an einer lustigen kleinen Serie mit dem Fuchsjungen und seinem besten Freund gearbeitet, einem besorgten kleinen Eichhörnchen, das wir Stu nannten. Langsam blätterte ich zu der Seite, auf der ich begonnen hatte, mit winzigen roten Strichen Foxys Fell zu zeichnen, der gerade versuchte, den Sturz in die Regentonne zu überleben.
Die Spätsommerwärme breitete sich langsam aus, und weit oben leuchtete der Himmel so stark in der Farbe von Glockenblumen, dass man glaubte, man bräuchte sich nur abzustoßen und könnte fliegen. Eine leichte Brise raschelte durch die Blätter, aber so leise, dass man hören konnte, wie mein Stift über das Papier strich, wie die Hunde verstohlen an einem Kaninchenbau neben der Mauer buddelten und oben die Schwalben sangen. Georgiana kam endlich nach Hause, und es war gar nicht schwer zu vergessen, dass es Ende August 1939 war und sich in der Welt ein Krieg zusammenbraute.
Ohne Vorwarnung teilte ein Dröhnen die Morgenluft, und wie aus dem Nichts war der Glockenblumenhimmel über der Eiche voller dunkler Gebilde. Flugzeuge. In Formation, wie die Gänse, die die Küste im November verließen, um über den Kanal Richtung Süden zu fliegen, dröhnten sie an mir vorbei, flugzeugförmige Schatten flitzten über Felder und Weiden. Ich atmete aus, ohne gemerkt zu haben, dass ich die Luft angehalten hatte, und ließ mich wieder gegen den Stamm sinken. Entspann dich, Maddy, du meine Güte. Das sind unsere, unsere Flugzeuge, vom Flugplatz im Norden, ein Übungsmanöver. Tante Marjorie hatte erst am Morgen davon gesprochen, ganz aufgeregt, denn war es nicht großartig, wie sich die Söhne der Nation der Herausforderung stellten und sich Herrn Hitler widersetzten, wie es nur die Briten konnten? Ich verfolgte die Gebilde, die am Horizont kleiner wurden, wartete, dass sich der Lärm im Glockenblumenhimmel verlor. Aber das tat er nicht. Weit draußen wendeten die Flugzeuge in einem großen Bogen, und dann kamen sie zurück, schienen direkt auf mich zuzufliegen, beinahe, als sähen sie, wie ich mich zwischen den Ästen versteckte. Jetzt waren sie über mir, so dicht, dass ich die kleinen Räder sehen konnte, wie ein auf mein Summerhill-Herz gerichteter Pfeil.
Die Hunde duckten sich unter mir, die Ohren an die flauschigen Köpfe gelegt, und fiepten beunruhigt, und zusammen sahen wir die Flugzeuge über uns hinwegfliegen, während die Krone der alten Eiche von einem ohrenbetäubenden Krach erfüllt war. Es schien ewig zu dauern, sie flogen immer neue Formationen und Kurven, und gerade als ich glaubte, es nicht länger auszuhalten, verschwanden sie schließlich, eins nach dem anderen, im Landesinneren.
Aber auch als sie außer Sicht waren, blieb die Luft noch von Motorenlärm erfüllt, und als ich auf den Ozean sah, bemerkte ich, dass eins zurückgeblieben war und noch immer seine Kurven übte. Die Hunde und ich sahen noch eine Weile zu, ehe ich begriff, dass irgendwas nicht stimmte. Das Flugzeug flog ein seltsames Muster, und obwohl die Felsen es manchmal verdeckten, sah man, dass es . es schien tatsächlich abzustürzen. Die Äste über mir waren für das Gewicht meiner sechzehn Jahre zu dünn, trotzdem begann ich, höher zu klettern, meine Hände und Füße suchten Halt an dem schlanken, biegsamen Grün. Da war es wieder, auf einer Höhe mit den Klippen - das Wort formte sich...
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