Schweitzer Fachinformationen
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Das große Ereignis, seitdem ich den Freunden das erste Heft "Mitteilungen aus Lambarene" zusandte, ist, daß ich jetzt einen zweiten Arzt als Helfer neben mir habe. Schneller, als ich es zu hoffen wagte, hat sich dieser Traum erfüllt. Seit dem 19. Oktober teilt der elsässische Landsmann Viktor Neßmann meine Arbeit. Er ist der Sohn eines elsässischen Pfarrers, der seinerzeit mein Studiengenosse in Straßburg war.
Die Hilfe kam zur rechten Zeit. Keinen Tag weiter hätte ich mehr die doppelte Last des Baumeisters und des Arztes tragen können. Wie habe ich darunter gelitten, daß so viele Untersuchungen von Kranken, die hätten vertieft werden sollen, nicht durchgeführt wurden, weil Zeit und Kraft auch bei der höchsten Anspannung der Energie nicht reichen wollten! Und welche Unruhe bereitete es mir, daß ich bei den so energischen und gefährlichen Kuren, wie sie manche tropischen Krankheiten erheischen, den Kranken nicht genug nachgehen konnte. Wie oft hätte das Mikroskop und das Reagenzglas befragt werden sollen, und blieben unbefragt! In Chirurgie wurde auch nur das Allernotwendigste unternommen.
So bedeutet das Tuten des Flußdampfers, der mir den Landsmann bringen soll, die Erlösung aus der Pein unfreiwillig zu oberflächlich betriebener Medizin. Rasch werden die Kanoes bemannt. Mild geht der erste Regen der eben einsetzenden Regenzeit nieder, während wir am Flußdampfer anlegen und der junge Landsmann, der noch nicht weiß, was Müdigkeit ist, mir vom Deck herunter zuwinkt. "Jetzt sollen Sie ruhen und ich übernehme alle Arbeit", sagt er beim ersten Händedruck. "Gut", antworte ich, "dann beginnen Sie damit, daß Sie das Umladen Ihrer Koffer und Kisten in die Kanoes leiten." Dies ist schon eine Probe auf Tüchtigkeit für Afrika. Auf dem Flußdampfer liegen Kisten und Koffer durcheinander. Jeder muß sich das Seinige aus den verschiedenen Haufen zusammensuchen und auf seine Schwarzen achten, daß sie nichts davon stehenlassen, keine fremden Kisten und Koffer mit verladen, nichts in den Fluß fallen lassen und die Frachtstücke in dem Kanoe gut verteilen. Der neue Doktor, von den Schwarzen ob seiner Jugendlichkeit bestaunt, zeigt sich als umsichtiger Verlader. Auf der Heimfahrt bringe ich fast kein Wort heraus, so erdrückt bin ich durch die Tatsache, den ärztlichen Helfer neben mir zu haben. Wie eine Wonne erlebe ich es, mir eingestehen zu dürfen, wie müde ich bin.
Was sich beim Umladen zeigte, wird in den nächsten Tagen fort und fort bestätigt. Der neue Doktor ist für Afrika wie geschaffen. Er ist praktisch veranlagt, versteht zu organisieren und weiß die Eingeborenen zu nehmen. Auch besitzt er Humor, ohne welchen man hier nicht auskommt. Bei den Schwarzen heißt er, trotz seiner stämmigen Gestalt, der "kleine Doktor". "Klein" bedeutet nämlich nach dem hiesigen Sprachgebrauch "jung".
Rasch lebt er sich in den ärztlichen Betrieb ein. In den ersten Wochen freilich fällt er zuweilen noch aus der Rolle. Hat er sich für den Eintrag in das Krankenbuch den ganz unmöglichen Namen eines ganz Wilden mühsam zusammenbuchstabiert, so ist er imstande, in aller Unschuld, aus europäischer Gewohnheit noch nach dem Taufnamen zu fragen.
Mitte November verlieren wir den getreuen zweiten Heilgehilfen G'Mba durch den Tod. An Allerheiligen und Allerseelen auf Urlaub bei Verwandten weilend, kommt er auf der Heimfahrt in heftigen Regen und erkältet sich. Alsbald bricht ein Fieber aus, dessen wir mit allen Mitteln nicht Herr werden. Er selber gibt sich von der Schwere der Erkrankung Rechenschaft. Nach zwei Wochen hat das Fieber seine Lebenskraft gebrochen. Die letzten Tage verbringt er im Coma. Die angstvoll flehenden Augen, die er auf uns richtete, wenn wir uns mit ihm beschäftigten, kann ich nie vergessen. Sein Tod geht uns allen sehr nahe.
G'Mba war aus innerem Beruf Heilgehilfe geworden. Er liebte seine Arbeit. Nur war er nicht dazu zu bringen, auch die Sorge für Ordnung und Reinlichkeit im Spital unter seine Pflichten zu rechnen. Er konnte es ruhig mit ansehen, daß die Weiber der Kranken die Küchenabfälle und den Unrat einfach vor die Baracken warfen, statt sie auf den Misthaufen zu tragen. Als ich ihn wieder einmal deswegen zur Rede stellte, antwortete er: "Was willst du, daß ich ihnen sage? Meine eigene Frau gehorcht mir nicht. Wie sollen da andere Weiber auf mich hören?"
Auch Joseph mag sich nicht mit den nichtmedizinischen Angelegenheiten des Spitalbetriebs abgeben, weil damit Palaver mit den Kranken und ihren Angehörigen verbunden sind. Ich kann es ihm eigentlich nicht verargen. Es ist hier sehr schwer, daß ein Eingeborener, in welcher Stellung er auch sei, sich Gehorsam bei seinesgleichen verschaffe. Auch auf den Holzplätzen wird die Arbeit dadurch außerordentlich erschwert, daß es nicht gelingt, schwarze Aufseher zu finden, die Autorität haben. Also müssen der neue Doktor und ich die Aufseherdienste im Spital und um es herum übernehmen und gar viel Zeit auf kleine und große Palaver verwenden, die eigentlich Sache unseres Personals wären. Es kommt vor, daß der neue Doktor, der mich in dieser Hinsicht entlastet, wo er nur kann, zwei Stunden mit einer Untersuchung zubringen muß, welches Weib es war, das die Küchenabfälle auf den Weg warf. Auch als Untersuchungsrichter bewährt er sich.
An G'Mbas Stelle tritt Dominik, einer unserer Genesenden, der sich ziemlich anstellig zeigt. Freilich, er kann weder lesen noch schreiben. Gerne möchte ich noch zwei oder drei weitere Heilgehilfen einstellen. Trotz der guten Löhne und der guten Verpflegung, die ich biete, finde ich keine. Eine Anstellung, bei der man oft nicht die volle Mittagspause hat und unter Umständen bis weit in die Nacht hinein arbeiten muß, ist nicht nach dem Geschmack der hiesigen Schwarzen. So müssen wir viele Arbeit tun, die wir gut auf eingeborene Heilgehilfen abladen könnten, und dafür als Ärzte gar manches versäumen.
Glücklicherweise beherrscht Joseph die Technik der intravenösen Einspritzungen, die in der Behandlung der tropischen Krankheiten eine so große Rolle spielen. Unter gebührender Beaufsichtigung kann man ihm diese Arbeit fast ganz überlassen. Sie nimmt oft seinen ganzen Morgen in Anspruch.
Die Anwesenheit des neuen Doktors erlaubt mir, wenn es sein muß, fast den ganzen Tag den Bauarbeiten zu widmen. Zuerst werden die beiden schon vorhandenen Baracken mit Betten ausgestattet. Bisher hatte ich genug damit zu tun gehabt, Dächer zu decken und Dächer zu flicken. Zuerst gilt es, sich die Hölzer für einige Betten, womit natürlich Pritschen gemeint sind, zu beschaffen. Zu diesem Zwecke zieht der neue Doktor eines Morgens mit einem Trupp in den Wald hinaus. Es ist seine erste Fahrt als Holzhauer. Fast passiert es ihm dabei, daß er, von den Schwarzen falsch beraten, einen Kakaobaum zur Strecke bringt, der von einer alten Pflanzung her noch in einer Lichtung steht. Ich selber zimmere die Betten mit Minköe, einem 17jährigen Eingeborenen aus Samkita, den mir Frau Missionar Morel ganz elend, mit einem großen Fußgeschwür behaftet, zu Beginn des Sommers zugesandt hatte. Durch Neosalvarsan geheilt, macht er sich nun nützlich, wo er kann. Sein Plan ist, später als Heilgehilfe bei mir einzutreten. Gegen Abend kommt dann gewöhnlich der neue Doktor dazu, um sich im Hantieren mit Hammer und Säge von der Medizin auszuruhen.
Bei meinem ersten Aufenthalt hatte ich den Eingeborenen die Herstellung der Betten überlassen. Dies mag ich diesmal nicht wieder tun. Was sie sich selber zurechtzimmern, bricht nach kurzer Zeit zusammen, weil sie dazu aus Bequemlichkeit Weichholz nehmen, in das die Termiten gehen. Man kommt dann aus der Flickerei nicht heraus, wie ich es damals genugsam erfahren habe.
Betten, wie ich sie brauche, müssen aus gutem Hartholz hergestellt sein; auch sollen sie von ihren in der Erde stehenden Pfosten heruntergehoben, in die Sonne gebracht und gereinigt werden können; ferner müssen sie in zwei Reihen übereinander gelegt werden, wie die Lager eines Schlafwagens, damit der Raum unter den Dächern vollauf ausgenützt wird. Diese dauerhaften und zweckmäßigen Betten muß ich selber zimmern. Die Gestelle werden aus Hartholzknüppeln zusammengenagelt und ruhen auf Hartholzpfosten, die in der Erde stehen. Die Liegefläche wird aus langen, schmalen Bambusstreifen hergestellt, die mit Lianen nebeneinander auf eine Lage von gleichmäßig dicken, regelmäßigen Knüppeln aufgebunden werden.
Am einfachsten wäre es, wenn ich Pritschen aus Brettern anfertigte. Aber ich habe keine Bretter und habe auch keine Aussicht, solche in der nächsten Zeit in genügender Anzahl beschaffen zu können. So muß ich mit Knüppeln und mit Bambus bauen, was mich teurer kommt als die teuersten Bretter und mir dazu viel mehr Arbeit verursacht. Wie viele Tage gehen mit der Beschaffung des Materials verloren! Wie viele Essensrationen und Geschenke muß ich an die Leute vergeben, die unter der Führung Minköes die vielen Fahrten in die Wälder und Sümpfe unternehmen! Für Bambus muß ich die Kanoes in einen Sumpf etwa...
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