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Wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot ist, fängt das Leben an ...
... sagt man. Doch Anna und Morten merken davon nichts. Der Nachwuchs ist flügge, endlich wäre Zeit zum Schnäbeln und Turteln. Doch stattdessen fliegen zwischen den beiden plötzlich die Federn. Ein Sommer in einem Strandhaus auf einer winzigen dänischen Insel soll die Liebe retten. Doch in der skandinavischen Idylle entdeckt Anna ein ganz neues Leben, und Morten muss feststellen, dass er nicht mehr der Hahn im Korb ist. Ist die gemeinsame Flucht aus dem Familiennest der Anfang vom Ende? Oder ein Neubeginn?
Wundervoller Roman mit Humor und Tiefgang über das, was kommt, wenn die Kinder aus dem Haus sind
Ein Ehe-Roman. Komisch. Tragisch. Voller Wahrheit!
"Ein humorvoller Roman mit überraschend viel Tiefgang, der sich mit den Problemen auseinandersetzt, die viele Paare haben, wenn die Kinder aus dem Haus sind." CATHRIN BRACKMANN, WDR
Lilly pustet nachdenklich in ihre Tasse. »Der Tee schmeckt nach verbranntem Bienenpo«, sagt sie.
Weil ich so lachen muss, schwappt mein Tee über. »Woher weißt du, wie ein Bienenpo schmeckt?«, frage ich meine Tochter.
»Probier doch mal.«
Vorsichtig nehme ich einen Schluck. Der Tee schmeckt erst ein bisschen nach Honig, dann scharf und stechend, und zum Schluss unterschwellig angebrannt. Verbrannter Bienenpo eben.
»Das ist Ingwer-Honig-Tee«, erkläre ich. »Ist gut gegen Reisekrankheit. Dann wird dir nachher im Flugzeug nicht schlecht.«
»Wenn's hilft.« Lilly trinkt ihre Tasse leer.
Auf den ersten Blick ist das hier ein ganz normaler Tag. Aber in Wahrheit ist es das Ende der Welt, wie ich sie kenne und liebe. Zumindest fühlt es sich gerade nach Endzeit an, und . Ach, egal. Weitermachen! Einfach nur weitermachen.
Es ist Donnerstagnachmittag. Lillys Abreisetag. Wir sitzen ein letztes Mal zusammen am Esstisch, vor uns steht ein frischer Hefezopf. Die Maisonne scheint warm, die Fenster sind weit geöffnet, von draußen dringt der Duft von frisch gemähtem Gras zu uns herein. Morten hat eben noch schnell den Rasen gemäht, das ist die einzige Haushaltstätigkeit, die mein Mann regelmäßig und freiwillig übernimmt. Jetzt schiebt er den klappernden Rasenmäher in den Schuppen. Im Nachbarhaus spielt ein Kind Blockflöte.
»Weißt du, was ich denke?«, fragt Lilly.
»Nein, keine Ahnung.«
Niemand kann vorausahnen, was Lilly denkt, ihre Gedanken gehen oft ungewöhnliche Wege.
Sie stützt die Ellenbogen auf und beugt sich vor. »Viele glauben, Hirten spielen Flöte, weil sie einsam sind. Ich persönlich denke aber: Hirten sind einsam, weil sie Flöte spielen.«
Jep. Nach dieser Logik wird unser Nachbarskind definitiv sehr einsam enden, wenn es sein Hobby beibehält.
Andererseits werde auch ich einsam enden. Und zwar bald. Ganz ohne Flöte. In wenigen Stunden steigt Lilly in ein Flugzeug, das nach Michigan startet, und sie kommt erst in einem Jahr zurück. Dann habe ich niemanden mehr, der mir was von Bienenpos erzählt, um mich zum Lachen zu bringen. Nur noch einen ständig irgendetwas erledigenden Ehemann. Als Hirte könnte ich jetzt ein trauriges Lied in den höchsten Tönen in die Welt schmettern. Fieeep! Aber als Mutter wird nicht gefiept.
Das sage ich natürlich alles nicht. Stattdessen mahne ich sanft: »Iss was, das ist wichtig für den Magen.«
Als Lilly sich daraufhin ein Stück Hefezopf nimmt, starre ich sie auch nur ganz unauffällig an, damit sie nicht merkt, wie akribisch ich mir jedes Detail von ihr einpräge.
Schon irgendwie komisch. Sie war doch eben erst einen Tag alt, fünfzig Zentimeter groß und fast kahl. Ihr kleiner ovaler Kopf hat sich in meine Hand geschmiegt, und er war von winzigen, ganz kurzen Härchen bedeckt. Deswegen haben wir sie damals Kiwi genannt.
Jetzt ist Lilly ganz plötzlich sechzehn. Sie ist vier Zentimeter größer als ich, ihre braunen Haare reichen ihr fast bis zum Po, während meine auf Schulterlänge enden. Heute hat Lilly ihre Mähne achtlos zu einem Dutt aufgezwirbelt. Kiwi kann man sie wirklich nicht mehr nennen.
An den Schläfen haben sich feine Strähnen aus ihrer Frisur gemogelt, auf jeder Seite eine, sie stehen ab wie Insektenfühler. »Noch eine Tasse Tee, Käfer?«, frage ich.
Lilly nickt, die Fühler wippen. Kaum zu glauben, dass dieser Käfer derselbe Mensch ist wie die kleine Kiwi. Nur die Bambiaugen sind immer noch dieselben. Es stimmt nämlich nicht, dass alle Kinder bei der Geburt blauäugig sind. Lilly hat mich vom ersten Moment an mit großen dunklen Augen angesehen.
Tja, damals wollte sie keine Sekunde ohne mich sein. Sie hat infernalisch gebrüllt, wenn ich sie in ihr Bettchen legen wollte. Still war sie lediglich auf meinem Arm. Irgendwann klappte das mit dem Bett, ein paar Wochen später konnte ich sogar schon aus dem Raum gehen. Und dann aus dem Haus. Und jetzt geht sie. Oder besser, sie fliegt, und zwar fast siebentausend Kilometer weit.
Mich hat das unerwartet getroffen, ich dachte, ich hätte mit Lilly bis zum Abitur noch viel gemeinsame Zeit. Aber erst war da plötzlich ihre Idee, in die USA zu gehen, was wir natürlich unterstützt haben. Und dann ergab es sich auch noch, dass die Abreise vorverlegt wurde, weil die deutschen Gastschüler an einem Jubiläumsfest der amerikanischen Schule teilnehmen sollten.
Für Lilly ist das kein Problem, sie traut sich das zu. Und so ist es ja auch gedacht. Von der Natur oder wem auch immer. Darauf haben Morten und ich hingearbeitet, das war das Ziel dessen, was wir Erziehung genannt haben. Jetzt ist es vollbracht. Unser Sohn Jakob studiert seit einem Jahr in Freiburg, und Lilly ist jetzt auch flügge. Das Nest ist leer, zurück bleiben Federn, Eierschalen, ein paar Kleckse der lieben Kleinen - und ziemlich gerupfte Eltern.
Aber das ist ganz normal, tröste ich mich, während Lilly ein zweites Stück Hefezopf verdrückt. Kein Grund, die Flügel hängen zu lassen. Morten und ich, wir glätten jetzt erst mal unser Gefieder, dann fangen wir einfach noch mal neu an. Und zwar genau da, wo wir vor der Geburt der Kids standen. Turteln, gurren, schnäbeln. Solche Sachen eben.
Dafür ist es nämlich höchste Zeit. Durch den eng getakteten Alltag in den vergangenen zwanzig Jahren ist bei uns ein bisschen die Luft raus. Wir könnten deutlich mehr miteinander unternehmen. Und endlich mal wieder reden. Die Basis ist ja da, es besteht zum Glück kein Grund zur Sorge. Wir lieben uns nach wie vor, und unser Sex ist immer noch schön. Weihnachten ist allerdings öfter.
Das soll nicht so bleiben, daran werden wir arbeiten.
»Mama?«, fragt Lilly. »Woran denkst du?«
»Dass wir uns so langsam beeilen müssen«, sage ich schnell.
Eine Stunde später sitzen wir zu dritt im Auto, Morten, Lilly und ich. Wir sind wie immer ziemlich spät dran, und wie immer macht mich das nervös, während Morten cool bleibt. Oder ist das gespielt? Neugierig betrachte ich ihn von der Seite, bemerke aber keine Anzeichen von Stress. Irgendwie erinnert er mich optisch an Colin Firth. Von Morten hat Lilly ihre Größe und die warmen dunklen Augen geerbt. Er steuert den Wagen ruhig und gelassen Richtung Flughafen, und genauso unaufgeregt steuert er auch alles andere.
»Reisepass?«, fragt er Lilly mit väterlicher Autorität.
»Hab ich«, piepst unser Küken. Es klingt etwas kläglich.
»Flugticket?«, macht Morten weiter und tut, als merkte er nichts davon.
»Check!« Lillys Stimme klingt schon ein bisschen sicherer.
»Adresse der Gasteltern?«
»Jawoll!« Jetzt hat Lilly sich wieder voll im Griff.
»Gastgeschenk?«, hakt Morten nach.
»Jep.«
»Adresse der nächstgelegenen deutschen Botschaft?«
»Papaaa!«, protestiert Lilly. »Die brauch ich garantiert nicht.«
»Hast du sie?«, beharrt Morten völlig ungerührt.
»Jaaa!« Ich muss mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Lilly gerade die Augen verdreht.
»Aufblasbares Reisekissen, Ohrstöpsel, Kaugummi?«, fragt Morten weiter.
Er fliegt mehrmals im Jahr zu wissenschaftlichen Kongressen in die Staaten und weiß, was man auf Langstreckenflügen braucht.
»Keine Ohrstöpsel. Ich kann immer schlafen. Auch bei Lärm«, verkündet Lilly. Was stimmt, so war sie schon als Baby. »Aber wieso Kaugummi?«, will sie wissen.
»Um den Ohrendruck bei Start und Landung auszugleichen.« Morten setzt den Blinker und zieht an einer Lastwagenkolonne vorbei. Sein Blick ist ruhig, seine großen, schlanken Hände liegen entspannt auf dem Lenkrad. »Der Druckunterschied kann sehr unangenehm sein. Aber macht nix, Prinzessin, wir kaufen dir Kaugummi am Flughafen.« Jetzt wendet er sich an mich. »Und dir besorgen wir Taschentücher, Anna.«
»Was? Wozu?«, fahre ich auf.
»Zum Reinschniefen.« Morten wirft mir einen Seitenblick zu und grinst.
»Ich brauch keine. Mir geht's prima«, behaupte ich.
»Klar«, sagt er. »Deswegen krallst du dich ja auch am Türgriff fest.«
Tatsächlich, das habe ich gar nicht gemerkt. »Das liegt an deinem Fahrstil«, sage ich. Obwohl ich weiß, dass es nicht stimmt.
Morten grinst wieder. »Kann gar nicht sein. Ich fahr wie ein junger Gott.«
Jetzt bin ich es, die die Augen verdreht.
»Mama, mach nachher bloß kein Drama, okay?«, kommt es von hinten.
»Als ob!«, sage ich und löse die Hand, die den Griff umklammert hat. »Warum sollte ich? Ich weiß doch, dass es dir in der Gastfamilie supergut gehen wird. Kein Grund zur Sorge.«
»Na, Empty-Nest-Syndrom und so«, gibt Lilly zurück. »Du wirst furchtbar trauern, wenn deine Küken beide weg sind. Liest man doch überall.«
Ich lache laut auf. »Das ist eine Erfindung von Therapeuten, die Kundschaft brauchen. In Wahrheit ist alles ganz anders. Die Pubertät ist ein ganz natürlicher Ablösungsprozess. Danach starten nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern in eine neue, spannende Lebensphase. Hey, da fällt mir ein Witz ein. Kennt ihr den mit dem Rabbi und dem Beginn des Lebens?«
Sie kennen ihn nicht. Ich räuspere mich und lege los. »Ein Rabbiner, ein katholischer und ein evangelischer Geistlicher werden gefragt, wann ein menschliches Leben beginnt. Der Katholik sagt: zweifelsfrei mit der Befruchtung der Eizelle. Der Protestant betont: Das Leben beginnt mit dem Entstehen eines erkennbaren Embryos. Der Rabbiner denkt kurz nach und meint schließlich: Das...
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