Schweitzer Fachinformationen
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Die Schulklingel ertönte. Rahel Schmickler blieb sitzen, während die meisten anderen Schüler der 9b schon lautstark ihre Stühle zurückschoben. Wie auf Kommando schwatzte alles durcheinander; der Lärmpegel schwoll auf ohrenbetäubende Lautstärke an. Frau Wendtland, die Englischlehrerin, rauschte aus dem Raum ins Wochenende, ohne ihren Schülern "Auf Wiedersehen" zu sagen. Es sah aus, als würde sie die Flucht ergreifen. Rahel schlug ihr Englischbuch zu und strich sich die langen braunen Haare aus dem Gesicht.
"Ferien", sagte sie zufrieden. "Endlich zahlt es sich mal aus, dass man einen Rechtsanwalt zum Vater hat."
"Das hat nichts mit deinem Vater zu tun", sagte das Mädchen neben ihr. Zur Bekräftigung schüttelte Sophia ihre Lockenmähne. Kokosduft wehte in Rahels Nase, und die dunkelbraunen Haare kitzelten ihr Ohr. "Die Schulordnung Rheinland-Pfalz erlaubt Beurlaubungen ausnahmsweise auch vor den Ferien", dozierte Sophia mit erhobenem Zeigefinger.
"Aber nur aus guten Gründen, und niemand schreibt so prima schriftliche Begründungen wie Papa", sagte Rahel.
Übermütig zog sie an einer der langen Locken ihrer Freundin. Sophia quiekte empört.
"Lass das! Die brauche ich noch."
"Wofür? Oder soll ich besser sagen: für wen?", zog Rahel ihre Freundin auf.
"Auf so eine Frage antworte ich nicht", gab Sophia lachend zurück.
"Ihr Glücklichen", stöhnte Johanna, ein schwarzhaariges, etwas dickeres Mädchen. "Ihr habt Spaß, und wir gewöhnlichen, einfachen Menschen müssen noch eine ganze Woche zur Schule gehen. Die Welt ist ungerecht."
"So schlimm ist das eine Woche vor Weihnachten ja auch nicht", meinte Alina. Sie war Klassenbeste und hielt Ferien für unnötig. "Ist doch kaum noch etwas los. Tschüss, ihr beiden. Ich freue mich schon auf eure Berichtsmappe", sagte sie und meinte das nicht böse. Sie war nur wie immer ehrlich. Trotzdem dämpfte die Erinnerung an die Bedingungen für ihren Sonderurlaub Rahels Übermut.
"Mann, das hatte ich gerade erfolgreich verdrängt. Ausgerechnet auf Englisch müssen wir das machen. Eine Seite verfassen über jede Stadt, die wir besichtigen. Erdkunde hätte doch viel besser gepasst", beschwerte sie sich und stand auf. "Und dann auch noch alles mündlich vortragen. Ich werde mir schön etwas zurechtstammeln."
"Das wird schon", sagte Sophia und hob ihren Rucksack vom Boden hoch. "Du wirst sehen, wenn wir zurück sind, you will speak English fluently."
"Hä?", machte Rahel. "Was spreche ich?"
"Fließend Englisch."
"Na klar." Rahel schmiss sich den Schulrucksack auf den Rücken und eilte auf die Klassenzimmertür zu. "Hoffen wir, dass du recht behältst. Wenigstens holt Papa uns heute von der Schule ab. Dann sind wir schneller zu Hause."
"Musst du etwa noch packen?", fragte Sophia, als sie zusammen über den Flur gingen.
"Ich nicht."
"Das heißt: Silas schon, oder?", riet Sophia.
Rahel lachte.
"Ja. Mama wird ihn ganz schön scheuchen heute", war sie sich sicher. "Sie kommt nicht gern zu spät. Und ein Flieger über den Atlantik wartet nicht auf Familie Schmickler."
"Haben deine Eltern euch immer noch nicht verraten, wo genau uns der Roadtrip hinführt?"
Rahel schüttelte den Kopf.
"Nein. Papa ist stur, und Mama mit ihm einer Meinung. Da macht man nix. Ich hätte schon gerne einen Blick in ihre Pläne geworfen. Aber sie haben ihr Notebook so eifersüchtig bewacht wie Caruso seine Lieblingsleckerli."
Vor Sophias innerem Auge erschien der Riesenschnauzer, Onkel Antons Hund, wie er misstrauisch zur Seite schielend seinen Napf leerschlang, damit ihm bloß niemand etwas wegfraß. Dann sah sie Frau Schmickler mit demselben Ausdruck in den Augen auf ihr Notebook starren. Sie musste grinsen.
"Papa hat die Reise sehr genau geplant, alle Hotels im Voraus gebucht, den Mietwagen klargemacht und so. Frau Blühdorn hat ihn ein wenig beraten", erzählte Rahel weiter.
"Frau Blühdorn? Das ist seine Sekretärin bei den Chemischen Werken Leverkusen, oder? Ich glaube, ich kann mich noch vom Girls' Day an sie erinnern. Die hatte doch so eine dicke Brille und einen Dutt."
Sophia ließ die Hand um ihren Hinterkopf kreisen.
"Ja, genau. Die hat das richtig gern gemacht, sagt Papa. Sie war schon öfter in den USA und Mexiko unterwegs. Spricht auch prima Spanisch. Silas ist ein wenig sauer deswegen."
"Warum? Weil es noch andere Menschen gibt, die gerne Fremdsprachen lernen?"
Sophia lachte und hielt Rahel die Tür zum Schulhof auf.
"Nein. Weil er sich nicht wie gewohnt auf all die Sehenswürdigkeiten vorbereiten kann, wenn er nicht weiß, durch welche Städte oder Nationalparks wir genau kommen. Trotzdem sitzt er seit Wochen stundenlang vor seinem PC und wälzt digitale Reiseführer."
Rahel verdrehte die Augen.
"Das kann ich mir vorstellen", sagte Sophia, während sie über den Schulhof gingen. Links und rechts drängten sich andere Schüler an ihnen vorbei. Sie schienen es alle eiliger zu haben. "Ich habe mich bei meiner Vorbereitung auf Hutchinson und San Francisco beschränkt. Die beiden Städte, die feststehen. Auch wenn wir nicht wissen, wohin es zuerst geht."
"Richtig. Die sind Pflichtprogramm. In Hutchinson ist Tabea ein Jahr zur Schule gegangen. Jetzt macht sie gerade ein Praktikum in der Chirurgie der Hutchinson Clinic", erklärte Rahel. "Das geht noch bis kurz vor Weihnachten. Und in der Zeit wohnt sie wieder bei ihren ehemaligen Gasteltern."
"Die bald ihre Schwiegereltern werden." Sophia kicherte. "Bist du nicht auch gespannt auf ihren Freund?"
"Doch. Schon", antwortete Rahel etwas wortkarg.
Sie mochte Josh Unruh, den Sohn von Tabeas Gasteltern. Ein paar Mal hatte sie mit ihm telefoniert, so gut das mit ihrem schlechten Englisch ging. Doch wenn ihre große Schwester tatsächlich einen Amerikaner heiratete, dann war es sehr wahrscheinlich, dass Tabea dort auch wohnen blieb, mehrere tausend Kilometer entfernt. Bei diesem Gedanken wurde Rahel ein bisschen traurig.
"Und in San Francisco studiert Tabea Medizin. Die Stadt soll megacool sein", schwärmte Sophia. "Ich freue mich schon auf die Golden Gate Bridge. Die ist fast drei Kilometer lang und auf der ganzen Welt bekannt."
Langsam leerte sich der Schulhof, und auch Rahel und ihre Freundin hatten das Ende des städtischen Grundstücks erreicht.
"Golden Gate Bridge?", fragte eine Stimme hinter ihnen. "San Francisco?" Dann fing die Stimme an zu singen: "If you are going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair."
Rahel hatte sich zu der Sängerin umgedreht. Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht, in dem sich ein wenig zu viel Schminke befand, und war nach der neusten Mode gekleidet.
"Hi Nora", grüßte Rahel. "Klingt schön." Wie immer, wenn du singst, dachte sie.
"Aber warum soll man sich in San Francisco Blumen in die Haare stecken?", fragte Sophia lächelnd.
Nora zuckte die Schultern.
"Weiß nicht."
Dann zeigte sie auf einen dunkelblauen Audi am Straßenrand. Er parkte zwei Autos hinter Papa Schmicklers Familienkutsche.
"Kennt ihr den Typen?"
Rahel drehte sich wieder nach vorn. In diesem Moment gab der Fahrer Gas und fädelte sich zügig in den fließenden Verkehr ein. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sah Rahel seinen Hinterkopf. Er war mit dichtem blondem Haar bedeckt. "Keine Ahnung. Wie kommst du darauf?", fragte sie Nora.
"Ach, hat sich wohl erledigt. Ich dachte, der wartet auf euch. Es sah so aus, als hätte er euch angestarrt. Hab mich wohl getäuscht. Sonst wäre er jetzt wohl kaum losgefahren. Schicke Karre übrigens."
Bewundernd guckte sie dem Audi hinterher.
"Wie sah er denn aus?", fragte Rahel misstrauisch.
"Puh", machte Nora. "Blond. Dreitagebart. Ganz normal halt. So Typ mitteljunger Lehrer." Sie errötete. "Sorry, aber mehr...
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