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Es war einmal ein schönster Tag im Jahr
Als die zehnjährige Emily an diesem Morgen erwachte, wurde es draußen gerade hell. Im Bett unter ihr war das leise Schnarchen ihrer drei Jahre älteren Schwester Laura zu hören, mit der sie sich ein Zimmer teilte.
Heute ist Heiligabend, dachte Emily glücklich. Der Tag, auf den sie schon seit Wochen hingefiebert hatte. Der schönste Tag im Jahr ! Endlich !
Sie schlug die Bettdecke zurück, kletterte die Leiter am Etagenbett nach unten, ohne Laura zu wecken, und schlüpfte in die Hausschuhe. Leise verließ sie im Schlafanzug das Kinderzimmer, putzte sich im Bad die Zähne und ging in die Wohnküche am anderen Ende des Flurs.
Ihre Mutter Luise stand mit dem Rücken zur Tür an der Arbeitsfläche und summte vergnügt zur weihnachtlichen Popmusik aus dem Radio.
»Guten Morgen, Mama !«, sagte Emily. Ihre Mutter drehte sich um.
»Guten Morgen, Mäuschen !«, sagte sie mit einem Lächeln, und Emily sah, dass sie gerade Eier für einen Kuchen trennte. »Du bist ja schon früh wach.«
»Ich konnte nicht mehr schlafen . Wo ist denn Papa ?«
»Er muss noch etwas besorgen.«
»Was denn ?«
»Sei nicht so neugierig, mein Schatz !«
Emily hakte nicht weiter nach. Sicherlich hatte es etwas mit dem Christkind zu tun, und da würde ihre Mutter natürlich nichts verraten.
»Magst du mir helfen, den Weihnachtskuchen zu backen ?«, fragte Luise.
»Au ja !«
Emily nickte begeistert.
Der Weihnachtskuchen war ein besonderer Kuchen, den es nur am 24. Dezember gab. Und zwar am Nachmittag, während die Geschwister zusammen in einem der Kinderzimmer saßen, das sie ab Mittag bis zur Bescherung am Abend nur noch verlassen durften, um auf die Toilette zu gehen. Damit sie dem Christkind nicht versehentlich in die Quere kamen.
»Der Kuchen, der die Wartezeit versüßt« nannte ihr Papa Karl diesen traditionellen Kuchen, den es in seiner Kindheit schon für ihn und seine drei älteren Geschwister gegeben hatte. Das Rezept dafür stammte von seiner bereits verstorbenen Mutter. Dazu gab es heiße Schokolade, die mit weihnachtlichen Gewürzen zubereitet war. Karl gesellte sich bei diesen Gelegenheiten immer für eine Weile zu den Kindern und verputzte mindestens zwei große Kuchenstücke, während Luise irgendetwas Geheimnisvolles in der Wohnung zu tun hatte. Emily freute sich schon sehr auf diese Stunden. Die zogen sich zwar bis zum Abend endlos wie Kaugummi, aber trotzdem hatte sie immer viel Spaß mit ihren Geschwistern. Sie saßen auf einer Decke am Boden und spielten Monopoly. Und wenn sie davon genug hatten, würden sie auf dem alten Fernseher mit eingebautem Videorekorder, den sie vor ein paar Wochen von ihrem Onkel Franz bekommen hatten, Pumuckl-Filme anschauen. Am späten Nachmittag würden sie dann in schönere Sachen schlüpfen, die ihnen ihre Mutter bereits zurechtgelegt hatte. Dann erst durften sie in den Flur und mussten zusammen mit Margot, ihrer Oma mütterlicherseits, die natürlich auch bei der Bescherung dabei war, so lange warten, bis im Wohnzimmer das Glöckchen klingelte.
Emily schlug gerade mit dem Mixer das Eiweiß mit einer kleinen Prise Salz steif, und Luise rieb die Äpfel für den Teig, als der elfjährige Markus in die Küche kam. Er war schon fix und fertig angezogen, und seine noch etwas feuchten Haare zeigten, dass er bereits geduscht hatte.
»Morgen !«, rief er über den Lärm des Mixers.
»Guten Morgen, Markus !«, sagte Luise.
Emily schaltete das Rührgerät aus. Das Eiweiß war so steif geschlagen, dass es glänzte, so wie es auch bei ihrer Mutter immer aussah.
»Wann musst du denn los, Markus ?«, fragte Luise ihren Sohn.
»Um halb zehn werde ich abgeholt«, antwortete er.
Der Junge führte am Vormittag mit einigen Mitschülern aus seiner Klasse im Seniorenheim das Krippenspiel auf und spielte Caspar, einen der Heiligen Drei Könige.
»Dann hast du ja noch ein wenig Zeit, bis du losmusst. Sobald der Kuchen im Ofen ist, mach ich uns ein schönes Frühstück«, versprach Luise.
Emily reichte ihrer Mutter die Schüssel mit dem geschlagenen Eiweiß.
»Das hast du toll gemacht, Emily !«
Luise zog die weiße Masse vorsichtig mit einem Schneebesen unter den Teig, gab ihn dann in die Kastenkuchenform und stellte sie in den Ofen.
»Deckt ihr zwei doch schon mal den Tisch«, bat sie die Kinder und spülte inzwischen die Rührschüssel ab.
»Wo ist denn das Brot ?«, fragte Emily.
»Im Brotkasten, wo es immer ist !«, sagte Luise.
Was davon noch übrig war, war nicht der Rede wert.
»Ach herrje, ich habe vergessen, vor den Feiertagen noch Brot einzukaufen !«, sagte Luise erschrocken. »Das brauchen wir aber unbedingt. Lauf doch bitte schnell zum Bäcker, Markus.«
Markus schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht, Mama. Ich muss noch den Text üben.«
»Den kannst du doch schon im Schlaf«, meinte Emily.
»Sicher ist sicher«, erklärte ihr Bruder, der es immer besonders genau nahm und es hasste, einen Fehler zu machen. Dementsprechend gut waren auch seine Schulnoten.
»Dann geh eben ich zum Bäcker, Mama«, sagte Emily.
»Das ist lieb von dir . Aber hoffentlich nicht im Schlafanzug«, meinte ihre Mutter mit einem Zwinkern.
»Ich ziehe mich ganz schnell an.«
»Mach das. Und wecke schon mal deine Schwester auf.«
Emily nickte und ging in ihr Zimmer, um in ihre Jeans und den roten Lieblingspulli zu schlüpfen, den ihre Oma für sie gestrickt hatte.
»Hey, du Schlafmütze ! Aufstehen !«, sagte sie zu Laura, die immer noch im Bett lag. »Es gibt bald Frühstück.«
»Lass mich in Ruhe ! Ich hab noch gar keinen Hunger !«, murmelte Laura verschlafen und drehte sich auf die andere Seite.
»Aber es ist doch Weihnachten.«
»Na und ?«
»Das Christkind kommt heute ! Freust du dich denn gar nicht ?«, wollte Emily wissen.
»Babyquatsch. Du glaubst doch nicht immer noch, dass es das Christkind wirklich gibt ?«, brummte Laura unter dem Kissen hervor.
»Doch. Das Christkind gibt es wohl, du blöde Kuh !«, empörte sich Emily.
»Selber blöde Kuh. Das ist alles nur eine Erfindung !«
»Und ob es das Christkind gibt !«, beteuerte Luise entschieden, die in der offenen Zimmertür stand und die letzten Worte ihrer Töchter mitbekommen hatte. Doch sie bedauerte die Tatsache, dass sicherlich auch die zehnjährige Emily nicht mehr allzu lange daran glauben würde. Solange es ging, wollte sie ihr diesen besonderen Weihnachtszauber unbedingt bewahren.
»Siehst du, Laura !«, rief Emily.
»Allerdings mag das Christkind ganz bestimmt keine solchen Schimpfwörter hören !«, mahnte Luise.
»Entschuldige, Mama !«, sagte Emily.
»Entschuldigung«, kam es auch von Laura.
Emily ging hinaus in den Flur.
»Hier hast du fünf Mark. Wir brauchen zwei Pfund Mischbrot«, sagte Luise, als Emily in ihre Winterjacke schlüpfte. Sie drückte ihrer Tochter die Münze und eine Stofftasche in die Hand.
»Vielleicht fragst du Oma, ob sie auch noch was vom Bäcker braucht.«
»Mache ich.«
»Und beeil dich, damit wir bald frühstücken können.«
Emily nickte, setzte ihre Mütze auf und ging aus der Wohnung ins Treppenhaus. Eilig sauste sie zwei Stockwerke nach unten und klingelte bei ihrer Oma Margot, die ebenfalls im Mietshaus wohnte.
»Hallo, Omi, brauchst du auch was vom Bäcker ?«, fragte die Kleine.
»Guten Morgen, Emily. Das ist aber lieb, dass du fragst. Bring mir doch bitte zwei Brezen mit. Warte, ich gebe dir gleich das Geld.«
Sie öffnete die Schublade einer Kommode im Flur und zog ihre Geldbörse heraus. Dann gab sie ihrer Enkelin zwei Mark.
»Vom Restgeld darfst du dir was kaufen«, sagte sie mit einem Lächeln. »Oder du fütterst damit dein Sparschwein.«
»Danke, Omi. Kommst du heute Nachmittag auch zu uns, wenn wir den Weihnachtskuchen essen ?«
»Da bin ich auf dem Friedhof und zünde am Grab von deinem Opa eine Kerze an. Aber vielleicht kannst du mir ja ein Stück aufheben ?«, bat die ehemalige Friseurin.
»Mache ich«, versprach Emily. Sie mochte ihre lustige Großmutter sehr. Wenn ihre Mutter nachmittags arbeitete, kochte Margot und achtete darauf, dass Emily und ihre Geschwister die Hausaufgaben machten. Wobei sie Letzteres nicht immer allzu genau nahm. Viel lieber spielte sie mit den Kindern Mensch ärgere dich nicht und Uno oder erzählte ihnen Geschichten von früher, die vor allem Emily gern hörte.
»Bis gleich«, sagte Emily und sauste die nächsten beiden Stockwerke nach unten ins Parterre. Als sie die Haustür öffnete, wehte ihr ein eiskalter Wind entgegen, der ihr einen Moment den Atem raubte. Sie schnappte nach Luft. Kleine Schneeflocken wirbelten herum, und Emily bemerkte erst jetzt, dass sie vergessen hatte, Handschuhe anzuziehen. Sie steckte die Hände in die Jackentaschen und machte sich eilig auf den Weg. In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder heftig geschneit, und überall lagen große Schneehaufen auf den Bürgersteigen und in den kleinen Vorgärten der Mietshäuser.
Die Bäckerei befand sich nur zweihundert Meter entfernt in derselben Straße. Emily kaufte die Sachen ein und machte sich schnell wieder auf den Rückweg.
»Hallo Emily !«, rief Hans-Peter ihr zu, ein Junge, der mit seiner...
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