Schweitzer Fachinformationen
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»Lucy, es gibt eine Programmänderung!«, rief Jacky und wechselte so abrupt die Spur, dass der Fahrer des Wagens hinter uns wütend hupte.
Ich zuckte zusammen.
»Was . was meinst du damit?«, stotterte ich erschrocken und umklammerte vorsichtshalber den Griff der Beifahrertür.
Doch meine beste Freundin grinste nur und schaltete schwungvoll in den nächsten Gang, was ihr aber erst beim zweiten Versuch so richtig gelang und dem Getriebe unangenehme Geräusche entlockte. Jacky, die eigentlich Jacqueline hieß, hatte erst sehr spät beschlossen, den Führerschein zu machen, und ihn vor zwei Wochen im dritten Anlauf schließlich bestanden. Leider war Jacky etwa genauso talentiert am Steuer, wie ich singen oder irgendein Instrument spielen konnte. Also grottenschlecht bis unterirdisch. In meinem Fall konnte ich keine musikalischen Fortschritte mehr erwarten. Doch es war schwer zu hoffen, dass sich bei ihr mit zunehmender Praxis zumindest eine deutliche Verbesserung erkennen lassen würde. Noch war es allerdings nicht so weit, und ehrlich gesagt wäre ich die zwei Stationen zu meiner Lieblingspizzeria viel lieber mit der Straßenbahn gefahren. Doch Jacky hatte darauf bestanden, mich in ihrem nigelnagelneuen VW Polo abzuholen. »Schließlich hast du heute Geburtstag!«
Ich hatte keine Chance gehabt, ihr das auszureden.
»Wo fährst du denn hin?«
Jacky zuckte mit den Schultern, während sie Gas gab, um noch rasch bei gelb über die vielbefahrene Kreuzung zu düsen.
Mir stockte der Atem. Doch Jacky schaffte es. Gerade noch.
»Geht es vielleicht ein kleines bisschen langsamer?«, bat ich leise. Schließlich wollte ich die Fahranfängerin nicht verunsichern oder verärgern, schon gar nicht, solange ich noch im Wagen saß. »Es soll heute ja nicht der letzte Geburtstag sein, den ich erlebe«, fügte ich bemüht scherzhaft hinzu.
»Keine Sorge, Lucy. Das wird ganz bestimmt nicht dein letzter sein«, beteuerte sie.
So sicher wie sie war ich mir da im Moment allerdings nicht.
»Gleich stoßen wir mit Prosecco auf deinen 29. an.«
»Ach ja? Und wo werden wir das tun?«
»Lass dich überraschen.«
Ich hasse Überraschungen!
»Überraschung!«
Fünfzehn Minuten später prosteten mir sechs Leute mit einem fröhlichen Grinsen im Gesicht zu und stimmten ein Geburtstagslied an. Die Hälfte der Gäste am Biertisch waren Kolleginnen von Jacky und mir aus der Steuer- und Rechtsanwaltskanzlei Glück & Finke, in der wir als Fachangestellte beschäftigt waren. Dann war da noch Jackys Tante Karin, in deren mit Girlanden und Luftballons geschmückter Doppelgarage die Überraschungsfeier stattfand, ihr Lebensgefährte Tobias und ein mir völlig unbekannter attraktiver Typ, der als Einziger einen Bierkrug in der Hand hielt. Offenbar stand er nicht so auf Prosecco.
»Wow!«, rief ich, als das Lied zu Ende war. »Das ist ja, also . wirklich eine Überraschung!«
Eine, auf die ich gern verzichtet hätte.
Jacky umarmte mich und drückte mich fest an sich.
»Ich hoffe, du freust dich, Lucy!«
»Klar«, log ich. Schließlich wollte ich ihr und den anderen den Spaß nicht verderben. Doch die Wahrheit war, ich hasste Überraschungen genauso wie Geburtstagsfeiern. Gerade deswegen hatte ich mich auf einen gemütlichen Abend nur mit Jacky in der Pizzeria gefreut. Eigentlich wusste Jacky das auch, und ich war gelinde gesagt irritiert darüber, dass sie trotzdem eine solche Aktion geplant hatte. Darüber würden wir noch reden müssen. Später.
Als wir uns voneinander lösten, waren meine Kolleginnen aufgestanden und gratulierten mir ebenfalls mit Umarmungen, Luftschlangen und einem gemeinsamen Geschenk. Sie hatten sich etwas vermeintlich ziemlich Originelles einfallen lassen. Ich holte einen Mini Airfryer aus dem Karton, passend für den kleinsten Single-Haushalt, also auch für meine Mini-Wohnung.
»Den Tipp haben sie von mir«, meinte Jacky. »Weil du doch meine luftfrittierten Austernpilze so gerne magst.«
»Die bekommt aber niemand so gut hin wie du! Also lasse ich mich lieber weiterhin von dir bekochen«, erklärte ich.
Kurzzeitig rutschte Jacky das Lächeln aus dem Gesicht. Doch der Moment war so schnell vorüber, dass ich dachte, ich hätte es mir nur eingebildet.
»Ja, äh, klar«, sagte sie rasch und griff dann nach der Hand des mir unbekannten Gastes, der inzwischen neben sie getreten war. Er trug eine eng sitzende Jeans und ein schwarzes Muscle-Shirt, das seinen durchtrainierten Oberkörper ziemlich gut in Szene setzte.
»Lucy, da ist jemand, den ich dir vorstellen möchte.« Jackys Wangen hatten sich gerötet.
Plötzlich war ich alarmiert. »Doch nicht etwa einen Stripper?!«, rutschte es mir heraus. Keine Ahnung, auf was für verrückte Ideen Jacky und meine Kolleginnen neben der Überraschungsparty noch gekommen waren.
»Stripper?« Der Mann zog amüsiert die etwas buschigen Augenbrauen hoch.
»Also bitte, als ob ich einen Stripper engagieren würde«, protestierte Jacky. »Das . das ist Sven!«
Sven?
»Yep. Auch von mir: Alles Gute zum Geburtstag!« Er griff nach meiner Hand und schüttelte sie fest. Etwas zu fest für meinen Geschmack. »Freut mich, dass wir uns endlich kennenlernen.«
»Danke, äh, Sven.« Ich wandte mich etwas verdattert an Jacky und senkte meine Stimme. »Du meinst aber ganz sicher nicht diesen Tinder-Sven, den du .«
»Na ja, doch!«, unterbrach sie mich. Ihr Wangen hatten sich noch intensiver gerötet, und sie lachte ein wenig verlegen.
Jacky hatte Tinder-Sven vor fünf Monaten während eines Fortbildungskurses in unserer Zweigstelle in Hamburg auf der gleichnamigen Online-Dating-Plattform kennengelernt und sich spontan mit ihm getroffen.
»Aber ich dachte, du wolltest dich nicht mehr .«
Jacky bedeutete mir mit einem heftigen Kopfschütteln, nicht weiterzusprechen. Und sicherlich wäre es auch nicht sonderlich schmeichelhaft für Tinder-Sven, zu erfahren, dass Jacky ihre Begegnung als eine Vollkatastrophe bezeichnet hatte. Mehr noch. Als einen peinlichen Totalausfall - wie immer man das deuten mochte. Das Erlebnis damals war offenbar so unangenehm für sie gewesen, dass sie mir noch nicht einmal ein Foto von ihm gezeigt hatte. Umso weniger verstand ich, wieso ausgerechnet dieser Typ jetzt hier neben ihr stand.
»Ich hab noch eine Überraschung für dich, meine liebe Lucy!«, rief sie, offenbar in dem Versuch, mich von ihm abzulenken, und klang ein klein wenig überdreht.
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Überraschungen hasse?
»Warte kurz!«
Sie verschwand durch die hintere Garagentür ins Haus. Tinder-Sven sah ihr verzückt hinterher, die hellblauen Augen auf ihr knackiges Hinterteil gerichtet.
»Jacqueline ist toll, nicht wahr?«, schwärmte er mit einem Seufzer, und jetzt registrierte ich auch seinen Hamburger Dialekt.
»Äh, ja. Das ist sie.«
Wenn sie nicht gerade irgendwelche blöden Überraschungen für mich ausheckt. Denn auch bezüglich Tinder-Sven würde sie mir einiges erklären müssen.
Es dauerte keine Minute, bis die Tür sich wieder öffnete und ein Kopf in der Garage erschien.
Brad Pitt? Die Überraschung war Brad Pitt? Er war es tatsächlich. Seine offenen Haare fielen über die Schultern auf ein elfenbeinfarbenes, schon etwas vergilbtes Leinenhemd mit Rüschen. Der Blick aus den faszinierend grünen Augen in dem bleichen schönen Gesicht war magisch.
»Auch er wünscht dir alles Gute zum Geburtstag!«, rief Jacky vergnügt und stellte den lebensgroßen Pappaufsteller vor mir auf: Brad Pitt in der Rolle des traurig-schaurigen Louis de Pointe du Lac in dem Filmklassiker der 90er Jahre: Interview mit einem Vampir.
Die anderen applaudierten und lachten - und ich musste nun doch grinsen.
»Der wird ab jetzt bei dir wohnen.«
»Du bist so eine verrückte Nudel, Jacky! Aber danke!« Ich fiel ihr um den Hals und umarmte sie.
»Ich weiß ja, wie sehr du auf das ganze Vampirzeugs stehst«, murmelte sie und löste sich wieder von mir.
Es stimmte. Das hatte schon in meiner Kindheit mit Büchern wie Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg angefangen und war später mit der Twilight Saga von Stephenie Meyer und den Dracula-Filmklassikern mit Christopher Lee weitergegangen. Vor allem aber hatte es mir Brad Pitt als melancholischer Unsterblicher angetan. Keine Ahnung, wie oft ich diesen Film - oder andere, in denen der Schauspieler mitgespielt hatte - in den letzten Jahren angesehen hatte. Dennoch wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir so einen Pappaufsteller zu kaufen. Trotzdem war es ein besonderes Geschenk, über das ich mich wirklich freute.
Jacky und ihre verrückten Ideen!
»Hach, Brad Pitt«, murmelte Karin mit einem verträumten Seufzer und schob ihre randlose Brille ein Stück nach oben. »Von dem würde ich mich auch beißen lassen.«
Zwei Kolleginnen nickten, während Karins Freund sie mit einem gutmütigen Kopfschütteln angrinste. Tobias nahm die Schwärmerei offenbar nicht sonderlich ernst. Im Gegensatz zu Tinder-Sven.
»Ich krieg das echt nicht in meinen Kopf, dass so viele Mädels auf diesen Typen stehen. Außerdem ist der inzwischen doch schon uralt«, warf er ein und erntete dafür einige böse Blicke, vor...
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