Schweitzer Fachinformationen
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Ich legte keinerlei Pause ein, sondern kehrte sofort wieder zu meinem alten Trainingspensum zurück. Gewissenhaft zog ich zweimal täglich meine Workouts durch und blendete alles andere aus.
Es stießen mir nun vermehrt Dinge zu, die den Verlauf meines Lebens stark beeinflussten. Der Mann, dem das Sportstudio gehörte, das ich leitete, entschied plötzlich, aus dem Studiogeschäft auszusteigen, um künftig nur noch seine Zeitschriften zu veröffentlichen und Protein herzustellen. Als Erstes bot er mir sein Geschäft an. Das war die perfekte Chance für mich. Mit einem eigenen Studio hätte ich nach Belieben trainieren können und wäre unabhängig gewesen. Etwas Besseres hätte ich nicht verlangen können. Doch ich besaß nicht das nötige Geld, um all die Geräte zu bezahlen. Ein wenig hätte ich mir leihen können, aber nicht alles. Für einen Bankkredit war ich nicht etabliert genug und meine Freunde hatten selbst kaum Geld. Ich musste also irgendwie welches auftreiben. Und das tat ich - indem ich andere Studios leitete, Nahrungsergänzungsmittel verkaufte, Privattraining gab und wirklich jeden noch so seltsamen Job annahm, den ich finden konnte.
Mit diesem Geld und dem, das ich mir von meinen Freunden leihen konnte, hatte ich schließlich genug zusammen, um die Ausstattung des Fitness-Studios zu bezahlen. Damit war die Sache allerdings lange nicht erledigt. Ich musste das geliehene Geld schließlich zurückzahlen, außerdem hatte das Studio einige Renovierungsarbeiten nötig. Das Ganze war ein Kampf - ein wirklich harter Kampf.
Mit 19 Jahren vor der Kulisse der bayerischen Alpen, eine Woche vor dem zweiten Platz beim Mr. Universe
Meinen Eltern erzählte ich von diesen Problemen nichts, sie ahnten nicht, was in München los war. Sie waren ohnehin wütend, weil ich nach dem Wehrdienst meine Heimat verlassen und nach München gezogen war, um dort ein Fitness-Studio zu leiten, statt zur Schule zu gehen und eine respektable Ausbildung zu machen. Von Zeit zu Zeit riefen sie an oder schrieben mir Briefe. Dann fragten sie, wann ich mir einen richtigen Job suchen und endlich ein solides Leben führen würde. »Ist es das, was wir großgezogen haben - einen Penner?«, meckerten sie. »Wie lange willst du noch den lieben langen Tag im Sportstudio trainieren und weiter in deiner Traumwelt leben?« Mit solcher Negativität musste ich fertigwerden. Immer wenn ich zu einem Feiertag heimkam, nahm meine Mutter mich beiseite und sagte: »Warum hörst du nicht auf deinen Vater, Arnold? Nimm dir ihn als Vorbild. Sieh nur, was er aus seinem Leben gemacht hat. Er hat vieles erreicht und arbeitet für die Polizei. Er ist ein respektierter Mann.«
Ich ließ alles, was sie sagten, zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Mein Horizont reichte längst über einen geregelten Beruf, Österreich oder den Respekt unserer Kleinstadtgemeinde hinaus. Ich tat weiter genau das, was ich meiner Überzeugung nach tun musste. Für mich gab es nur eine einzige Möglichkeit: Ich wollte der Beste sein und es an die Spitze schaffen. Alles andere war nur Mittel zum Zweck.
Meine Eltern hatten keine Vorstellung davon, wie nah ich während meiner Anfangszeit in München am Existenzminimum lebte, sonst wären sie mit ihren mahnenden Worten noch viel hartnäckiger gewesen. Was mich in dieser Zeit rettete, war mein Geschäftssinn. Ich hatte Betriebswirtschaft als Schulfach gehabt und damals schon realisiert, dass ich gut mit den Grundlagen des Geschäftslebens vertraut sein musste, um meine Träume eines Tages nicht nur leben, sondern auch meinen Lebensunterhalt damit bestreiten zu können. In München setzte ich dieses Wissen erstmals ein und nutzte die Bekanntheit, die ich durch den zweiten Platz beim Mr. Universe erlangt hatte, um neue Mitglieder für mein Sportstudio zu werben. Praktisch von heute auf morgen wuchs die Mitgliederzahl von 70 auf 200.
Kurz nachdem ich aus England zurückgekehrt war, nahm ich an einem Wettbewerb in Essen teil. Aufgrund meines Auftritts beim Mr. Universe behandelte man mich dort wie Superman. Ich glaube, die Jury hat mich nicht einmal kritisch begutachtet. Ich hatte den Wettbewerb praktisch schon gewonnen, als ich durch die Türe trat. Obwohl es eigentlich nicht üblich war, während eines Wettkampfs Maß zu nehmen, holte einer der Wertungsrichter ein Maßband heraus und legte es mir um den Arm. Die gut 50 Zentimeter Umfang, die er dort ablas, genügten ihm offensichtlich. Für mehr schien er sich nicht zu interessieren.
Zurück in München, stand in der Bodybuilding-Presse noch mehr über mich zu lesen, weshalb die Mitgliederzahl meines Studios weiter wuchs. Dadurch lief es langsam besser für mich, ich konnte meine Schulden zurückzahlen und hatte sogar noch etwas Geld für mich selbst übrig.
Später in diesem Herbst erreichte mich ein Brief aus London, in dem ich gebeten wurde, an einer »Exhibition« teilzunehmen, also im Rahmen eines öffentlichen Auftritts meine Muskeln zu präsentieren. Innerhalb weniger Tage kamen ähnliche Anfragen aus Newcastle, Plymouth, Portsmouth und sogar aus Belfast. Ich war verwirrt. Diesen Aspekt des Bodybuildings kannte ich noch nicht und konnte mir nicht vorstellen, was mit »Exhibition« überhaupt gemeint war.
Der Brief aus London stammte von Wag Bennett, einem der Jurymitglieder des Mr. Universe. Er hatte mich nach dem Wettbewerb zum Abendessen in sein Haus eingeladen und mir versichert, dass er meinen Körpertyp lieber mochte als Yortons. Er hatte mich sogar auf Platz eins gesetzt. Er war es, der die Exhibition in London organisierte und die anderen Promoter aus der britischen Szene dazu animierte, mich ebenfalls einzuladen. Er erzählte mir, dass er und seine Familie mir gern helfen und mich bei meiner Posing-Kür beraten könnten. Ich erinnerte den Abend bei Bennet als angenehm, also schrieb ich ihm zurück und nahm sein Angebot an.
Ich flog bereits einige Tage vor dem Auftritt nach London. Wag lud mich erneut in sein Haus ein, um mir dort beizubringen, zu Musik zu posen. Zunächst war ich verärgert darüber. Ich war Zweiter beim Mr. Universe geworden und dachte ich mir: Was glaubt der, mir zeigen zu können, wie eine Posing-Kür auszusehen hat?
Das war eine dämliche und ziemlich arrogante Reaktion. In Wahrheit hätte ich mir keinen besseren und fachkundigeren Trainer wünschen können. Wag Bennett war seit vielen Jahren Wertungsrichter und wusste genau, womit sich Jury und Publikum beeindrucken ließen. In seinem Wohnzimmer gab er mir grundlegende Instruktionen, worauf es beim effektiven Posing ankommt. Dabei wollte ich mein T-Shirt zunächst nicht ausziehen, sondern abwarten und ihn damit überraschen, wie sehr ich mich seit dem Wettkampf einen Monat zuvor verbessert hatte. Als ich mich schließlich bis auf die Unterhose auszog, war er beeindruckt und meinte, dies sei ein Grund mehr, eine dynamische Posing-Routine mit Musik zusammenzustellen.
Sein Vorschlag, zu Musik zu posen, bereitete mir allerdings Probleme, denn ich besaß keinerlei Ohr für Musik und mochte den semi-klassischen Kram nicht, den er mir ans Herz legte. Damals hielt ich Klassik und Alte Musik für langweilig und eine Zeitverschwendung. Ich mochte moderne Sounds, etwas Angesagtes mit Beat, das zum Tanzen anregte. Geduldig erklärte er mir, dass ich für eine Exhibition eine komplexere Art von Musik benötigen würde, mit mehr Tiefgang und Struktur. Die Musik, die seiner Meinung nach gut zu mir passte, stammte aus dem Soundtrack des Films Exodus: Götter und Könige.
Wag machte mir begreiflich, worüber ich mir bis dahin keine Gedanken gemacht hatte: Bodybuilding ist eine Show, vor allem die Spitzenwettbewerbe und Exhibitions. Wenn ich es in diesem Geschäft zu etwas bringen wollte, müsste ich lernen, ein Showman zu sein. Dieses Argument überzeugte mich natürlich.
Er legte die Platte mit der Musik aus Exodus auf. Zunächst war mir das etwas peinlich und ich musste lachen. Wie sollte ich dazu posen? Er ermutigte mich, es dennoch zu versuchen und brachte mir bei, die besten und dramatischsten Posen während der Höhepunkte der Musik einzunehmen und die weniger dramatischen, etwas subtileren Posen während der ruhigeren Abschnitte. Er zeigte mir, wie man sich zum Rhythmus der Musik flüssig bewegt. Er holte Fotos und Videos von anderen Bodybuildern beim Posing hervor. Daran erklärte er mir, warum einige Posing-Küren funktionierten und andere nicht. Nach zwei Tagen hatte ich eine komplett neue Posing-Routine beisammen.
Ich bin mir nicht sicher, ob Wag anfangs daran glaubte, dass ich das packen würde. Ich wirkte groß und verunsichert, bestimmt war ich ganz unbeholfen und viel zu langsam. Ich machte nur ganz kleine Fortschritte. Befinde ich mich im Übungsstadium, bin ich nie wirklich gut. Kommt es dann aber drauf an, legt sich bei mir ein Schalter um. So war es auch bei meiner ersten Exhibition in London. Von dem Moment an, als ich auf die Bühne trat, lief alles wie geschmiert. Das Ergebnis beeindruckte selbst mich. Alles lief genauso, wie Wag es vorhergesagt hatte. Die Zuschauer applaudierten, wenn die Musik aufbrauste, und sie waren still, wenn sie ruhiger wurde. Das Ganze funktionierte perfekt. Nachdem ich das Posing beendet hatte, jubelte und applaudierte das Publikum weiter und ich erkannte, dass die Musik einen bedeutenden Unterschied ausmachte. Zuvor war meine Kür wie ein Stummfilm, nun war sie ein Film mit Ton. Sie erhielt dadurch eine völlig neue Dimension. Das Licht war übrigens so ausgerichtet, dass es Schatten auf meinem Körper erzeugte, die Musik startete und stoppte dramatisch und ich hatte das Gefühl, dass wir etwas ganz Besonderes für mich geschaffen hatten, etwas sehr Befriedigendes: Ich stand auf einer Bühne vor 2.000 Zuschauern und fühlte mich großartig.
An diesem...
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