Schweitzer Fachinformationen
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Diese Geschichte hat Fritz sich schon ein paar Mal anhören müssen. Sein Onkel Justus, der nur ein Jahr jünger war als sein Vater, hat sie erzählt und Vater Friedrich hat sie erzählt. Und das einzige, was er daran spannend fand, waren die beiden explodierenden Handgranaten, die dabei eine wichtige Rolle spielten.
Schifffahrt, in der seine Vorfahren schon sehr viele Jahre aktiv waren, interessierte ihn nicht wirklich, bekam er doch so weit landeinwärts vom Main gar nicht viel mit von diesem Fluss, der 10 Kilometer entfernt durch Karlstadt fließt. Ihre Sommerbadezeiten verbrachten die Kinder dieses Dorfes in kleinen Weihern, auch heimlich mal in Löschweihern, die in manchen Dörfern noch vorhanden waren.
Er weiß nur so am Rande, dass seine anderen Vorfahren und sein Opa Schiffer waren, der seine beiden Söhne, Friedrich und Onkel Justus, natürlich auch als Schiffer sehen wollte, was auch so geschehen ist. Als der Opa 1954 überraschend starb, haben die beiden Brüder den Schleppkahn des Vaters, der TIEFENTAL hieß, verkauft und ein gutes gebrauchtes, Fritz glaubt, 50-Meter-Motorschiff gekauft, dessen Name, soweit er sich erinnert, im Gedenken an seinen Opa auch TIEFENTAL gewesen ist. Diese TIEFENTAL haben sie 1960 schon wieder verkauft und wieder ein anderes, neueres, ein 67-Meter-Schiff gekauft, das wie Justus seine Frau, nur ohne MS, HELGA heißt. Und mit diesen beiden Schiffen nacheinander haben die beiden Brüder die Flüsse im In- und Ausland unsicher gemacht und gar nicht so schlecht verdient in dieser Zeit des Wirtschaftaufschwungs.
Beide hatten längst die nötigen Patente erworben und brauchten keinen weiteren Mann, Matrosen oder Schiffsjungen, um das Schiff bewegen zu dürfen. Es gab nie Streitereien, wer denn an welchem Tag Kapitän sein soll. Das haben sie einfach damit geregelt, dass Friedrich an den ungeraden Kalendertagen und Justus an den geraden Kalendertagen Kommandant spielt. So hatte jeder seine Zeit an Deck und seine Zeit im Steuerhaus, aber auch den Papierkram am Hals, der perfekt geordnet für beide im gleichen Maße verständlich war. Alles, was man nur zusammen bewältigen konnte, wurde gemeinsam erledigt.
Friedrich hat dann 1961 Ruth geheiratet, Friedrich Junior als Erstgeborener war im Anmarsch.
Und da hat dann sein Vater "in den Sack gehauen", wie man so schön sagt. Er wollte bei seiner Frau und seinem Sohn bleiben und wurde Fabrikarbeiter. Bruder Justus fand das damals alles so Hals über Kopf gar nicht lustig und die beiden Brüder haben seitdem ein bisschen ein gestörtes Verhältnis, das sich aber über die Jahre wieder ein wenig normalisiert hat. Irgendwie muss es da um Geld gegangen sein, da sein Vater seinen Anteil am Schiff zurückhaben wollte. Aber Friedrich war seit jener Zeit nie wieder an Bord. Wenn die beiden sich trafen, dann nur noch bei Familienangelegenheiten, beim Telefonieren hin und wieder, wenn Justus seinen Bruder in der Dorfkneipe, der "Eiche", anruft.
Da alle Schönberg-Jungs jeden Sonntag um 11 Uhr zum Stammtisch gingen, wusste Justus genau, wann er Friedrich dort erreichen kann. Böse und laut war keiner mehr, das Verhältnis war eher wortlos, still und distanziert.
Nur Fritz war schon mehrmals an Bord auf der MS HELGA. Einmal, mit ca. 6 Jahren, da wollte er unbedingt bei Onkel Justus mal mitfahren, nachdem er Tante Helga kennengelernt hatte. Mit 7 oder rund 8 Jahren wollte er nicht, aber er musste mitfahren, weil die Eltern ein paar Tage verreisen wollten.
An Bord gebracht hat ihn damals immer Mutter Ruth, erst mit dem Bus, dann mit dem Zug, dann wieder mit dem Bus und dann folgte ein langer Fußmarsch zu dem Liegeplatz, wo das Schiff gelegen hat. An und von Bord ging es immer irgendwo hier am Main, mal an einer Schleuse und mal in einem Hafen. So war das mit der Schifffahrt, die Fritz verband in diesem Dorf in Eußenheim.
Vater Friedrich war nur eine kurze Kriegszeit bei der Wehrmacht. Da er kurz nach Ende 1926, am 19. Januar 1927 geboren wurde, gehörte er zum "weißen Jahrgang", war im September 1939 bei Kriegsbeginn noch zu jung, um von Anfang an eingezogen zu werden. Und wie sich diese Zugehörigkeit zum "weißen Jahrgang" weiterhin auf ihn auswirken sollte, war 1939 noch nicht abzusehen, denn es war doch gar nicht klar, wie lange dieser Krieg dauern sollte.
Die Zeiten davor war ihr Vater sehr viel unterwegs und war strikt gegen die Militarisierung seiner beiden Jungs. Als einstiger kleiner Soldat im ersten Weltkrieg hatte er die Faxen dicke und setzte alles daran, seine Kinder davon fernzuhalten.
Doch gerade in den kleinen Dörfern fanden sich sehr arisch fühlende Anhänger des Regimes, jeder Dorfdepp tauchte auf einmal in irgendwelchen Uniformen auf und wollte ein Volk, ob jung, ob alt um sich scharen.
Vater Roland blieb daher so oft es ging an Bord, dort, wo diese Irren nicht allzu sehr vertreten waren. Friedrich und Justus wurden also oft aufs Schiff geholt und da herrschte striktes Uniformverbot.
Ihre Grundschulzeit, die Zeiten als Pimpfe beim deutschen Jungvolk ab 1933, war somit sehr durchsiebt mit Zeiten, die sie als normale Kinder an Bord verbrachten. Keiner der beiden hat jemals die Ehre erlangt, als Kind ein HJ-Fahrtenmesser zu tragen und es war ihnen auch nicht wichtig.
Ihr Vater war keiner, der die Hakenkreuzflagge im Mast führte, lieber hat er seinen Mast und den kleinen Kran Mittschiffs an Deck gelegt, damit es bloß nichts gibt, woran man diesen Fetzen, wie er ihn immer bezeichnete, hoch ziehen konnte. Auf seinem Schiff, gab es kein drittes Reich.
Im Verlauf der Jahre und dem Heranaltern seiner Kinder kam die Tatsache hinzu, dass beide Brüder Schiffsjungen und Matrosen wurden und in einem Familienbetrieb, bei einem Partikulier in der Binnenschifffahrt tätig waren. Damit galten beide Brüder zusätzlich eine sehr lange Zeit als unabkömmlich, entkamen dem aktiven Kampf. Sie mussten mit dem Schleppkahn ihres Vaters die Städte versorgen und später sogar unter militärischer Führung kriegswichtiges Material befördern. Keine Möglichkeit gab es für den Vater, sich dieser Diktatur zu entziehen. Wehrzersetzung, Befehlsverweigerung und andere lebensbedrohliche Fachausdrücke wurden geläufig. Da auch die Mutter, Gabi Schönberg, immer mit an Bord war, befanden sich alle zusammen in einem sicheren Umfeld und sie mussten zusehen, dass sie den Schleppkahn, die TIEFENTAL, in Betrieb halten.
Erst Ende September 1944 erhielten Friedrich und sein Bruder Justus kurz nacheinander doch noch einen Einberufungsbescheid und mussten mit 17 und 16 Jahren in den Kampf ziehen. Der Volkssturm, das letzte Aufgebot, die letzte Mobilmachung rief, alle wehrfähigen Männer des Landes an die Waffen.
Opa Roland, schon 1885 geboren, ließ seinen 42 Meter langen und knapp 7 Meter breiten Schleppkahn, 1904 in Frankfurt bei Leux gebaut, von einem Dampfschlepper in einen dicht bewachsenen Altarm des Mains kurz oberhalb Würzburg schleppen und versenkte diesen an einer seichten Stelle mit sehr wirkungsvollen Mitteln, damit die Russen oder wer auch immer das Schiff nicht beschlagnahmen, wenn sie kommen sollten, was Opa Roland irgendwie zum Ende 1944 schon riechen konnte.
Am 16. März 1945 war Würzburg nach bereits mehreren kleineren Luftangriffen durch einen weiteren furchtbaren Bombenangriff der britischen Royal Air Force zu 80% zerstört worden. Alle Brücken lagen im Main. Durch Fliegerangriffe versenkte Schiffe lagen im Fahrwasser, in Häfen und an Städten, Schleusen und Schifffahrt war nicht mehr möglich.
Die Siegermächte lauerten überall. Dass es hier im Würzburger Raum die Amerikaner werden würden, stand eigentlich schon fest. Viele Dörfer waren schon in deren Händen, andere wurden noch umkämpft. Alles war stark reglementiert, durch Sirenen wurden Sperrzeiten einberufen und aufgehoben, niemand durfte in diesen Zeiten auf den Straßen sein. Keiner durfte so richtig tun, was er wollte, dauernd folgten Kontrollen der G.I.s, man musste sehr redegewandt sein und immer ausreichend Erklärungen und Ausreden parat haben, um sich einigermaßen frei bewegen zu können.
Abb. 002: Versenkte Schiffe 1945 in Duisburg.
Einer fetten hausgemachten Leberwurst, die Opa Roland ganz bewusst immer am Mann hatte, konnte kein G.I. wirklich widerstehen. Das ging aber auch nicht lange, da selbst die Säue von den Amerikanern gezählt und das, was zu schlachten erlaubt war, kontrolliert wurde.
Aber Opa Roland war mit bald 60 Jahren schon ein alter Mann, seine Haut von der Sonne, immer auf dem Wasser, braun gegerbt und faltig, mit grauem Haar und Zwirbelbart. Man ließ ihn fast immer und überall passieren, wenn er mit dem Ochsenfuhrwerk längs des Weges kam. Viele und lange Wege waren es von Eußenheim zu diesem Altarm bei Würzburg. Eine mühsame Reise, die 4 bis 6 Stunden dauerte, auch wenn ausreichend Abkürzungen durch Wald und über Wiesen bekannt waren.
Überall war dennoch der Teufel los. Und es war gefährlich, sehr gefährlich. Opa Schönberg nahm sich für sein rettendes Vorhaben ausreichend Zeit und nach und nach wurden auch bei Nacht und Nebel das komplette Schiff, die Wohnung und alles, was einst...
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