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Kulturelle Hemmnisse für Nähe in Beziehungen
Nähe und Vertrautheit wären kein so großes Problem, wenn Sie von Ihrer Familie oder Kultur dazu ermutigt worden wären, Ihre Verbannten mitfühlend zu beachten. Unglücklicherweise kennen jedoch nur wenige Menschen dieses Geheimnis für erfolgreiche Beziehungen. Wahrscheinlich haben Sie in Ihrer Familie genau das Gegenteil davon gelernt: nämlich Ihre Teile wegzusperren, wenn Sie sich verletzt, bedürftig oder beschämt etc. fühlten. Dann wurden Sie in unserer westlichen Gesellschaft auch noch mit Botschaften bombardiert, wie wunderbar es sein würde, wenn Sie endlich Ihren »Seelenpartner« fänden.
Isolation
Die Verknüpfung intimer Beziehungen mit Romantik, Befreiung und Erlösung mag nötig sein, um uns die moderne Ehe und Familie schmackhaft zu machen. Wie die Kulturanthropologin Margaret Mead sagte: »Die amerikanische Ehe (.) ist eine der schwierigsten Eheformen in der Geschichte der Menschheit.«7 Paare waren einst eingebettet in ein Netz von Verwandten und Freunden, von Menschen, mit denen sie gemeinsame Werte teilten und die ihnen unter die Arme griffen. Heutzutage sind Paare isolierte, mobile Einheiten. Von ihnen wird erwartet, dass sie alleine zurechtkommen. Das Paar ist nicht nur von der Allgemeinheit isoliert, sondern die Partner sind oft voneinander abgeschnitten - aufgrund der horrenden Arbeitsanforderungen oder der Kindererziehung fernab eines unterstützenden Netzwerks. Kinder sind in der Tat eines der größten Hemmnisse für Nähe, mit denen Paare zu kämpfen haben. Praktisch jede Studie über Ehezufriedenheit belegt, dass diese mit der Geburt des ersten Kindes jäh sinkt und nicht wiederhergestellt werden kann, bevor das letzte Kind das Haus verlässt.
Letztendlich werden Paare von ihrem Selbst abgeschnitten. Sie sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, die sich so mit dem äußeren Schein beschäftigt, dass authentische innere Sehnsüchte ignoriert und gefürchtet werden. Zu diesen beinahe unmöglichen Rahmenbedingungen kommt die Erwartung, dass Ihr Partner Sie glücklich machen soll und dass etwas sehr falsch läuft, wenn er das nicht tut.
Kultureller Druck: Rettung durch Romantik
Diese Annahmen über Ihren Partner bewirken, dass Ihre Verbannten die Erfüllung Ihrer Sehnsüchte eher von einer äußeren Beziehung als von Ihnen selbst erwarten. Dadurch schafft die westlich geprägte Sichtweise auf romantische Liebe als ultimative Erlösung schwierige Rahmenbedingungen. Viele Schriftsteller haben bereits darauf hingewiesen: Die unrealistischen Erwartungen unserer Kultur in Bezug auf Ehen stellen einen wesentlichen Grund für die hohe Scheidungsrate dar. Ich stimme damit insofern überein, als diese Erwartungen das Partner-als-Erlöser-Syndrom fortbestehen lassen.
In dieser Gesellschaft verlassen wir unsere Eltern und unsere Kinder verlassen uns. Der einzige Mensch, der für immer bei uns bleiben soll, ist unser Partner. Solange wir eine hochmobile, vom Äußeren besessene, arbeits- und konsumabhängige Kultur bleiben, müssen unsere isolierten Paare ihre Zufriedenheit zum Großteil wirklich aus der Beziehung schöpfen. Das trifft im Besonderen zu, wenn sie Kinder haben und ihnen den Schmerz einer Scheidung oder das Gefühl ersparen möchten, für das elterliche Wohlbefinden verantwortlich zu sein. Wenn uns gezeigt worden wäre, wie wir unsere Teile selbst heilen können, wären wir in der Lage, viele unserer Bedürfnisse in einer Liebesbeziehung abzudecken. Dann wären wir weniger bedürftig. Viele Erwartungen an Liebesbeziehungen sind nicht per se unrealistisch. Sie können sehr viel von Ihrem Partner bekommen, wenn Sie bereit sind, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Wenn Sie selbst Ihren Teilen beistehen, anstatt ihm die Bürde allein aufzuhalsen. Ihr Partner kann vom extremen Druck befreit werden, sich einerseits um Ihre Teile zu kümmern und andererseits mit Ihrer Wut oder Ihrem Schmollen zurechtzukommen. Dann kann er der Liebhaber, Gefährte und Mitabenteurer sein, den Sie sich wünschen. Sobald Sie selbst Ihre eigenen Verbannten heilen, können Sie die Zugbrücke Ihres Schlosses herunter- und Ihren Partner nahe genug an sich heranlassen, um eine erfüllende Partnerschaft zu gestalten.
Georg beklagt sich darüber, dass er seiner Frau Anna scheinbar nichts mehr recht machen kann. Dabei arbeitet er den ganzen Tag hart und verbringt die Abende an den Wochenenden damit, ihrem Sohn beim Fußballspielen oder ihrer Tochter beim Hockey zuzusehen. Anna, eine Buchhalterin, beteuert, dass sie ebenfalls beruflich voll gefordert ist und dass daheim noch eine zusätzliche Schicht Hausarbeit auf sie wartet. Sie hasst Georgs lange Arbeitszeiten und dass sich das Leben der beiden ihrem Gefühl nach nur um Karriere und Kinder dreht. An den Wochenenden treffen sie sich gelegentlich mit einem anderen Paar. Zu zweit gehen sie allerdings nicht mehr aus. Beide fürchten die bedrückende Stille, die immer dann aufkommt, wenn sie keine häuslichen Angelegenheiten mehr zu besprechen haben.
Georgs und Annas Therapeut versucht, ihnen dabei zu helfen, anders zu kommunizieren. Er unterstützt sie dabei, sich nicht mehr mit Vorwürfen zu bombardieren und stattdessen über ihre verwundbaren Gefühle zu sprechen: über Georgs Gefühl, als Ehemann versagt zu haben, und über Annas Einsamkeit und dass sie annimmt, Georg sei die Arbeit wichtiger als sie. Der Therapeut bringt sie dazu, sich gegenseitig genau zuzuhören. Das sollen sie tun, ohne sich zu unterbrechen und einander zu zeigen, dass sie das Gesagte verstanden haben, indem sie es wiederholen. Sie werden auch dazu angeleitet, Zeit füreinander einzuplanen, die Arbeiten im Haushalt gerechter zu verteilen und das auszudrücken, was sie aneinander wertschätzen. Diese Interventionen scheinen zu helfen. Beide berichten, dass es einen großen Unterschied macht, wenn ihr Partner wirklich zuhört und sich in ihre missliche Lage einfühlt. Zusätzlich tut es Georg gut, wenn Anna ihm gegenüber wertschätzender ist. Auch sie meint, dass sie ihre chronische Gereiztheit losgeworden ist, seit Georg im Haushalt mehr Aufgaben erledigt.
Sich von gefährlichen Gewässern fernhalten
Georg und Anna sind ein typisches Beispiel für viele amerikanische Paare aus der Mittelschicht. Auch die Therapie, die sie erhielten, ist gängig. Ich habe jahrelang auf diese Weise mit Paaren gearbeitet, bis mir klar wurde, dass sie die Fortschritte meistens nicht aufrechterhalten konnten.
Ohne die Bestätigung vonseiten des Partners fühlt sich fast jeder mehr oder weniger wertlos, leer, wie ein Versager, einsam, abgelehnt, verzweifelt, hässlich, lästig, unsicher und ängstlich. Da diese Gefühle so unerträglich sind, setzen wir alles daran, sie zu vermeiden. Was wir »glücklich sein« nennen, ist oft nur die Abwesenheit dieser Gefühlszustände. Unser Partner kommt nur allzu oft in die Rolle des Lebensretters: Er oder sie hält unseren Kopf über Wasser, wenn wir im dunklen See aus Schmerz, Scham und Angst herumtreiben. Kein Wunder, dass wir uns so bedroht fühlen und eifersüchtig sind, wenn es so aussieht, als würde unser Partner uns verlassen. Er oder sie hält aus dem einen oder anderen Grund unseren Kopf nicht mehr über Wasser oder drückt uns sogar runter. Dann liegt es auf der Hand, dass wir davon träumen, einen besseren Partner zu finden, und uns wieder auf die Suche machen.
Dieses Kopf-über-Wasser-Glück ist instabil und leicht zu trüben. Unser Partner wird unter der Belastung zusammenbrechen, uns über Wasser zu halten. Große Wellen (wie Misserfolg bei der Arbeit oder Kritik vonseiten unserer Eltern) werden uns überschwemmen, egal wie angestrengt unser Partner sich bemüht, uns zu retten.
Unsere Kultur bietet andere vermeintliche Lebensretter: Fernsehen, Internet, Einkaufen, Arbeit, Rauchen, legale und illegale Drogen, Alkohol, Pornographie, Prostitution, Schönheitsoperationen, Diäten und Sport, fettes und süßes Essen - einfach alle weitverbreiteten Süchte. Der amerikanische Schriftsteller John Updike drückte es folgendermaßen aus: »Ganz Amerika ist ein riesiges Komplott, das darauf abzielt, dich glücklich zu machen.«8 Diese Lebensretter sind allerdings zu schwach, um echten zwischenmenschlichen Kontakt zu ersetzen. Obwohl sie uns nicht lange über Wasser halten, können diese Ablenkungen und Süchte uns dennoch davon abhalten, die Partnerschaft über Bord zu werfen. Sie betäuben unsere Enttäuschung darüber, dass unsere Beziehungen nicht mehr als Schwimmweste fungieren können. Oder sie betäuben den Schmerz, wenn wir gerade nicht in einer Beziehung sind. Wir gelangen zur Überzeugung, dass das Glück nur so weit entfernt ist wie das nächste Urlaubswochenende, ein neues Paar Schuhe oder ein neuer Job.
Diese Ablenkungen werden selbst Teil eines Teufelskreises, der uns auf der Suche nach dem Kopf-über-Wasser-Glück gefangen hält. Sie stehen einem nachhaltigeren Glück im Wege. Je mehr wir den Ablenkungen nachjagen, desto mehr isolieren wir uns von uns selbst und von unseren Mitmenschen. Je ängstlicher uns die Wellen um uns machen, umso verzweifelter stürzen wir uns allerdings in diese Süchte. Es ist, als würden wir in einem Loch stecken und das Einzige, das uns unsere Kultur anzubieten hat, ist eine Auswahl von Schaufeln. Leonard Cohen drückt diesen Teufelskreis in einem seiner Lieder folgendermaßen aus: »You are locked into your suffering, and your pleasures are the seal.«9
Übung
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