Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Er war Phönix!
Aus der Asche seines bisherigen Lebens neu erstanden, war er heute ein anderer. Von nun an zählten Stärke, Klugheit und Mut zu seinen Eigenschaften. Und er hatte eine Aufgabe. Ihm oblag es, über Leben und Tod zu bestimmen. Eine Aufgabe, die er sich selbst auferlegt hatte, weil nur er dazu in der Lage war, über die Schicksale derer zu bestimmen, die es verdienten.
Er hielt inne und schaute sich um.
Der Vollmond leuchtete am nachtschwarzen Himmel und tauchte die Erde in ein geheimnisvolles Licht. Leise knirschten die Schottersteine unter seinen Schuhen. Ein schwacher Wind wehte – setzte die Bäume und Sträucher in Bewegung, womit ein leises Rauschen erzeugt wurde – einem Seufzen gleich.
Wie Stalagmiten ragten die Grabsteine aus dem Boden hervor. Finster hoben sie sich vom silbrig-grauen Hintergrund ab.
Es war eine warme Sommernacht. Fledermäuse flatterten dicht an seinem Kopf vorbei – machten dabei knackende Geräusche, die er zum ersten Mal wahrnahm. Sie klangen so lebendig.
Mit langsamen Schritten schlenderte er die schmale, von Gräbern gesäumte Allee entlang undschaute sich um. Nichts sollte diese faszinierende Atmosphäre stören. Dieser Augenblick war nicht zufällig gewählt. Er wusste genau, welche Auswirkung der Vollmond auf seine Wirkungsstätte haben würde. Seine Augen erfassten ein großes, steinernes Kreuz am Scheitelpunkt des Schotterweges. Auf dem Sockel stand eine Widmung an die gefallenen Soldaten aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 in französischer und lateinischer Sprache.
Er lächelte. Dieser Ort war besser, als er es sich in seiner Fantasie hätte vorstellen können. Er schaute sich um und erkannte, dass der Gedenkstein alles bot, was er für sein perfektes Szenario brauchte, auch wenn der dichte Wuchs der Bäume und Sträucher die Sicht ein wenig versperrte. Aber das schmälerte die Bedeutung seiner Arbeit keineswegs. Im Gegenteil: So hatte er noch den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite, weil der Blick erst auf den letzten Metern frei wurde.
Nun galt es nur noch, die richtige Anordnung für sein Arrangement zu finden. Denn er wusste genau, welche immensen Emotionen die Musik hervorrufen konnte, die er beabsichtigte, durch die Finsternis schallen zu lassen. Leise summte er die Töne, die ihm inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen waren. Es war die Musik, die er einst für seine Bestimmung gehalten hatte, die ihm jedoch verwehrt geblieben war. Heute hatte er dafür eine andere Verwendung – eine viel bessere. Für diesen besonderen Anlass hatte er das große iPad mitgenommen, weil die Akustik dieses Gerätes deutlich besser war als auf allen anderen Geräten – wenn auch nicht perfekt. Das war der einzige Kritikpunkt an seiner Planung. Nichts, aber auch gar nichts hatte er finden können, was seinen Vorstellungen von guter Klangqualität gerecht geworden wäre. Alle transportablen Geräte neigten dazu, die hohen Töne zu verzerren. Damit zerstörten sie den Musikgenuss – seinen Musikgenuss, den er heute mit einem besonderen Ereignis paaren wollte. Begleiten sollte ihn ein »Nachtstück, voll dunkler Stimmungen« – ein Werk, das nicht nur seine Fantasie zu beflügeln vermochte, sondern auch die Einbildungskräfte seiner Auserwählten!
Es sollte das Letzte sein, was sie in ihrem Leben zu hören bekam: Die Mondscheinsonate!
Er schaltete das Gerät ein – Klaviertöne erklangen.
Diese Musik erzeugte mit ihrer radikalen Formsprache eine hohe emotionale Spannung, die ihn mitriss, ihn gefangen nahm, ihn faszinierte. Die Melodie, die stets wie hinter einem Schleier halb verborgen blieb, nährte seine Entschlossenheit. Ließ seine Fantasie die wildesten Blüten treiben. Ließ ihn sich ausmalen, was nun auf ihn zukommen würde. Ernste Stimmung breitete sich in ihm aus, bedeutete ihm, wie wichtig seine Mission war.
Ausgerechnet als der Song »Hangover« von Taio Cruz losschmetterte, kam für Delia Sommer der Moment, das »Nachtwerk« zu verlassen. Aber ihr Date ließ sie alles andere vergessen. Diese Verabredung war so geheimnisvoll und mysteriös – anders als alles, was sie bisher erlebt hatte. Da konnte sie sogar diesen tollen Sound ohne Zögern zurücklassen. Als sie sich dem Ausgang der Discothek näherte, spürte sie eine Hand an der Schulter. Ihre Anspannung war so groß, dass sie erschrocken zusammenzuckte. Doch als sie die Stimme ihrer Freundin Lilli Drombusch hinter sich hörte, musste sie über sich selbst lachen. Sie war so nervös vor diesem heimlichen Rendezvous, als sei es das erste Mal, dass sie sich mit einem Mann traf.
»Gehst du schon?«
Delia nickte und wollte weitergehen, doch Lilli hielt sie zurück.
»Mensch, Delia! Gib mir doch wenigstens einen Hinweis, wo ihr euch trefft!«
»Das würde dir so passen!« Delia schmunzelte. »Dann lauerst du uns am Ende noch auf und verdirbst uns die romantische Nacht.«
»Das traust du mir zu?«
»Nein!« Delia gab schnell nach, als sie sah, dass Lillis hübsches Gesicht ganz traurig wurde. »Es gehört einfach zu unserem Ritual, dass ich nichts verrate. Und daran halte ich mich.«
»Du bist echt gemein! Als deine beste Freundin habe ich doch wohl ein Recht darauf, alles zu erfahren.«
»Keine Sorge! Morgen steht alles auf Facebook. Mit Fotos!« Triumphierend hielt Delia ihr Handy in die Höhe. »Das habe ich schließlich immer dabei.«
»Mir könntest du ruhig vorher schon Bescheid sagen, wie dein geheimnisvolles Date gelaufen ist. Oder gehöre ich schon zu der Masse deiner Freunde?«
Delia nahm Lilli in die Arme und drückte sie zum Abschied fest an sich. »Nein!«, murmelte sie in ihr Ohr, »du bist die beste und neugierigste Freundin, die ich habe.«
»Vielleicht mache ich mir ja auch Sorgen um dich!«
»Jetzt ist es aber gut! Du bist nicht meine Mutter!«
»Hab’ verstanden. Also mache ich mir keine Sorgen und lasse dich einfach ins Ungewisse fahren.«
»Was heißt hier ungewiss? Ich weiß doch, mit wem ich mich treffe.«
»Das wüsste ich auch gern!« Lilli schmollte. »Du kannst mir ruhig sagen, wenn es dieser Gärtner ist. Der Typ ist ja schon an sich ein Abenteuer.«
»Es ist jemand, den du nicht kennst.«
»Wer sagt dir, dass dieser Typ in Ordnung ist?«
»Alles an ihm! Wenn du die Fotos siehst, wirst du mich verstehen.«
Damit ließ Delia ihre Freundin im Eingangsbereich der Disco stehen und trat hinaus in die Sommernacht.
Der Mond stand hell und rund am Himmel. Sie warf einen Blick darauf und war sich sicher, dass ihre Verabredung nicht zufällig heute standfinden sollte. Ein nervöses Kribbeln breitete sich in ihr aus. Sie konnte es kaum noch erwarten, die Überraschung zu erleben, die er ihr versprochen hatte. Nur mit wirklich abenteuerlustigen und mutigen Frauen konnte er etwas anfangen, hatte er zu ihr gesagt. Und genau das war sie. Sie war die Richtige für ihn. Das spürte sie.
Sie steuerte die gelbe Vespa an, die direkt vor dem Eingang abgestellt war und wollte starten. Doch in ihrer Aufregung würgte sie den Motor ab. Erschrocken wartete sie einen Augenblick, bevor sie einen neuen Versuch startete. Auf dem Kickstarter herumzuspringen, kam überhaupt nicht in Frage. Dabei könnte sie in Schweiß ausbrechen, weil sie damit nicht gut zurechtkam. Verschwitzt wollte sie auf keinen Fall ankommen.
Der zweite Versuch gelang. Sie atmete erleichtert durch, setzte ihren Helm auf und fuhr los. Sie bog auf die zu später Stunde wenig befahrene Straße ab und beschleunigte. Das Visier ihres Helms klappte sie hoch und genoss die angenehm kühle Nachtluft auf ihrem Gesicht.
Jeden Meter maß Phönix genau ab und arrangierte den Ort in absoluter Perfektion. Es sollte ein Fest der Sinne werden. Nichts durfte stören, nichts diese göttliche Harmonie verzerren, nichts seinen Plan durchkreuzen. Ihre Wahrnehmung sollte getäuscht werden. Sie sollte sich in Sicherheit wiegen – in dem Glauben, eine berauschende Nacht zu erleben, während sie ihrem unausweichlichen Tod entgegenging.
Der Schock des Verstehens würde umso eindrucksvoller sein, würde ihre Verzweiflung, ihre Ohnmacht und ihre Todesangst zu seinem ganz persönlichen Schauerstück machen.
Er rieb sich die Hände. Das war diese Mühe wert.
Im Einklang mit der Musik, die sanft und leise die Stille der Nacht durchdrang, legte er Meter um Meter zurück und dekorierte seinen Festplatz ganz...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.