Auswahl HIIT Programm
Um die Wirkung von Intervallen gezielt zu beeinflussen, können wir die im letzten Kapitel angesprochenen Parameter variieren, so dass aerober und anaerober Energiestoffwechsel unterschiedlich stark angesprochen werden. Auch die neuromuskuläre Auslastung verändert sich mit der gezielten Ausprägung einzelner Kenngrößen.
Generell müssen wir uns immer fragen, was wir mit dem Training erreichen wollen. Es sollte individuell auf den Athleten und seine Anforderungen ausgerichtet sein.
Wir orientieren uns vor allem an den folgenden Fragestellungen:
- Was sind die physiologischen Leistungsanforderungen an den Athleten, die sich aus seiner Sportart ergeben?
- Wie sieht das momentane Leistungsprofil und die Leistungsfähigkeit des Athleten aus (Stärken/Schwächen)?
- Was ist die langfristige Zielsetzung des Athleten?
- In welcher Trainingsphase befinden wir uns gerade (Mikro-/Meso-/Makrozyklus)?
Sind die Ziele definiert, so können wir das HIIT-Format auswählen, und uns mit Hilfe der Intervallparameter an das Finetuning machen. In der folgenden Abbildung ist ersichtlich, dass für ein bestimmtes Trainingsziel durchaus unterschiedliche HIIT-Programme eingesetzt werden können. Für das Trainingsziel "Steigerung der VO2max" sind zum Beispiel sowohl kurze als auch lange Intervalle bestens geeignet. Je nach Gestaltung von Be- und Entlastungsphasen kann dann individuell ein Schwerpunkt gesetzt werden.
Abb.: Auswahl HIIT Programm nach physiologischen Anforderungen
Trainingsziel Steigerung der VO2max
Wie wir gesehen haben, stellt die Belastungsdauer an der VO2max eine Schlüsselkomponente zur Verbesserung der aeroben Ausdauer dar. Wir können diese Zeit durch geschickte Wahl der Parameter optimieren:
- Bei kurzen Intervallen wählen wir eine Be-/Entlastungsverhältnis von 1. Dadurch ist gewährleistet, dass der Sauerstoffbedarf in den Entlastungsphasen nicht zu weit absinkt!
- Für die Maximierung der Sauerstoffausschöpfung können die Entlastungsphasen aktiv gestaltetet werden. Auch dadurch erreichen wir, dass der Sauerstoffbedarf während der Entlastung nicht zu weit absinkt. Bewährt haben sich Intensitäten von etwa 50 - 60 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme.
Trainingsziel anaerobe Energiebereitstellung
Da die Belastungsphasen im HIIT generell oberhalb der anaeroben Schwelle durchgeführt werden, ist der anaerobe Stoffwechsel immer an der Energieversorgung beteiligt. Um einen möglichst hohen Anteil anzusprechen, sind vor allem wiederholte Sprints sowie das Sprint-Intervalltraining hervorragend geeignet. Diese Trainingsformen sind mit einer entsprechend hohen Laktatakkumulation verbunden: Der anaerobe Stoffwechsel arbeitet auf Hochtouren.
Trainingsziel neuromuskuläre Auslastung
Auch für eine hohe neuromuskuläre Auslastung bieten sich vor allem wiederholte Sprints und das Sprint-Intervalltraining an.
Zusätzlich kann eine hohe neuromuskulär Auslastung bei allen HIIT-Varianten über die Übungsmodalität beeinflusst werden: Steigung, Gefälle, Sand, Widerstandserhöhung und zahlreiche weitere Maßnahmen generieren einen höheren muskulären Stress, vergrößern zum Teil allerdings auch das Verletzungsrisiko. Hier muss man immer das Nutzen-/Risikoverhältnis im Auge behalten und entsprechend abwägen!
Lange Intervalle
Der typische Einsatzbereich langer Intervalle ist die Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme. Der Athlet sollte sich während des Intervalls möglichst lang und nah an seiner maximalen Sauerstoffaufnahme belasten. Daher bewegt sich die Intensität zwischen der anaeroben Schwellen und der Geschwindigkeit, beziehungsweise Leistung, an seiner VO2max.
Die Dauer, bis ein Athlet während eines Intervalls in die Nähe (~95%) seiner VO2max kommt, hängt von der Belastungsintensität, aber auch von seiner Fitness ab. Laut Laursen (2019) bewegen wir uns in einem Zeitrahmen von 1 Minute 20 Sekunden bis 2 Minuten 20 Sekunden. Er empfiehlt daher Belastungsphasen von 2 bis 5 Minuten. So ist gewährleistet, dass etwa die Hälfte der Belastung im trainingswirksamen Bereich absolviert wird.
Als Gesamtbelastungsdauer an der VO2max empfiehlt Laursen (2019) die 2,5 fache Zeit, die ein Athlet bei maximaler Sauerstoffaufnahme durchhalten kann. Die liegt je nach Fitnessgrad bei etwa 4 bis maximal 8 Minuten, so dass das Gesamtvolumen im Training etwa 10 bis 20 Minuten beträgt. Typische Programme sind 5x3min oder 4x5min Intervalle.
Die Entlastung zwischen den Intervallen kann aktiv oder passiv sein. Die aktive Gestaltung hat den Vorteil, dass die VO2max im nächsten Intervall wieder schneller erreicht wird. Bei passiver Gestaltung werden die anaeroben Energiereserven besser aufgefrischt. Laursen (2019) empfiehlt passive Phasen von 2 Minuten. Sollte eine aktive Entlastung gewählt werden, kann diese auf 3 bis 4 Minuten ausgedehnt werden. Die Intensität bewegt sich bei etwa 50-60% der VO2max.
Mit zunehmender Intervalldauer (bei gleichbleibender Intensität) steigt die anaerobe Auslastung. Schließlich bewegen wir uns bei HIIT oberhalb der anaeroben Schwelle, so dass damit auch ein fortwährender Laktataufbau verbunden ist. Ebenso verhält es sich mit der Belastungsintensität. Wird sie (bei gleichbleibender Belastungsdauer) höher gewählt, so ist die anaerobe Auslastung größer. Somit kann man über die Wahl von Belastungsintensität und -dauer, sowie der Gestaltung (aktiv/passiv) und -länge der Entlastungsphasen, die Anteile der aeroben und anaerobe Auslastung gut beeinflussen. Das bietet die Möglichkeit, das Training sehr differenziert steuern.
Kurze Intervalle
Kurze Intervalle stellen das wohl vielseitigste und flexibelste HIIT-Format dar. Durch geschickte Wahl der Parameter lassen sich unterschiedliche Trainingsziele sehr gezielt ansprechen.
Kurze Intervalle werden in einer höheren Belastungsintensität als lange absolviert, in der Regel zwischen 100 und 120 Prozent der Leistung/ Geschwindigkeit an der VO2max.
Geht es um ein Training der aeroben Energiebereitstellung, so muss die Zeit an der maximalen Sauerstoffaufnahme möglichst lang ausfallen. Es hilft, wenn wir uns der VO2max im Intervall schnell annähern. Das erreichen wir dadurch, dass wir den Intensitätsunterschied der Be- und Entlastungsphasen relativ klein halten, so dass die Sauerstoffaufnahme in der Entlastung nicht so weit absinkt. Auch eine Veränderung des Be-/Entlastungsverhältnis zugunsten der Belastung kann unterstützen. Werden die ersten zwei, drei Intervalle in höherer Intensität absolviert, erreichen wir einen ähnlichen Effekt.
Wir können die aerobe Auslastung durch ein lange Belastungsdauer an der VO2max durch folgende Maßnahmen erhöhen:
- Verlängerung der Intervalldauer
- Vergrößerung des Be-/Entlastungsverhältnisses 1:1 2:1
- Erhöhung der Intensität in der Entlastungsphase
Allgemein kann man festhalten, dass durch die unterschiedliche Gestaltung der Entlastungsphase die Belastung an die Trainingsintention angepasst werden kann: Geht es primär um das Training der maximalen Sauerstoffaufnahme, kombiniert man eine (relativ) niedrigere Intervallintensität mit einer kürzeren und intensiveren Entlastungsphase. Geht es um eine hohe anaerobe Auslastung, kombiniert man eine höhere Belastungsintensität mit längeren und passiven Entlastungsphasen.
Wir können also auch den anaeroben Stoffwechsel mit kurzen Intervallen sehr effektiv trainieren. Hohe Belastungsintensitäten sind mit einem großen Anteil an anaerobem Stoffwechsel und einer verstärkten Laktatakkumulation verbunden. Je länger das...