3. Zitierte Lieder
In seiner Taufpredigt greift Dietrich Wassermann auf Zitate aus verschiedenen Kirchenliedern zurück, um seine theologischen Ausführungen zu untermauern und die Bedeutung der Taufe seinen Zuhörern auch auf emotionaler und spiritueller Ebene eindrücklich zu vermitteln.
Auswahl und Integration dieser Liedzitate in die Taufpredigt dienen der Verankerung der theologischen Kernbotschaften rund um die Themen Sünde, Gnade, Glauben, Erlösung. Sie weisen auf die zentrale Bedeutung des »heiligen Taufbades der Wiedergeburt« für das christliche Leben hin. Sie bekräftigen die heilende Wirkung der Taufe im Gegensatz zur völligen Wirkungslosigkeit von vergänglichen Schätzen wie »Gold, Silber oder Geld, / Reichtum und zeitlich Gut«.27 Anstatt auf vergänglichen materiellen Wohlstand oder den vergänglichen »stolzen Mut« der Jugend28 zu vertrauen, soll der Mensch Gottes Ratschluss annehmen. Dann braucht weder zu »verzweifeln« noch sich zu »sorgen«.29 Gott wird zur rechten Zeit handeln, denn er »weiß wohl, wann's am besten ist, [...]; des soll'n wir ihm vertrauen.«30
a. Christ, unser Herr zum Jordan kam
»Das Aug allein das Wasser sieht, / Wie Menschen Wasser gießen; / Der Glaub im Geist die Kraft versteht / des Blutes Jesu Christi; / und ist für ihm ein rote Flut, / von Christus Blut gefärbet, / die allen Schaden heilen tut, / von Adam her geerbet, / auch von uns selbst begangen.«
Der Choral »Christ, unser Herr zum Jordan kam«31 wird in Wassermanns Taufpredigt mehrfach als Sinnbild für die Verbindung von Christi Blut und dem Taufwasser herangezogen. Die »rote Flut, von Christus Blut gefärbet«, die sowohl die von Adam ererbte Schuld als auch die individuell begangenen Sünden heilt, unterstreicht eindrucksvoll Wassermanns zentrale These: Durch Christus befreit die Taufe den Menschen von der Macht der Sünde.
b. Warum betrübst du dich, mein Herz?
»Alles was ist auf dieser Welt, / es sei Gold, Silber oder Geld, / Reichtum und zeitlich Gut, / das währt nur eine kleine Zeit / und hilft doch nichts zur Seligkeit.«32
Der Choral »Warum betrübst du dich, mein Herz?«33 hebt die Vergänglichkeit weltlicher Güter wie Gold, Silber und Reichtum hervor. Wassermann greift diesen Choraltext auf, um die Nichtigkeit materiellen Wohlstands angesichts der spirituellen Bedeutung der Taufe zu betonen. So lädt er seine Zuhörer ein, ihr Vertrauen nicht auf vergängliche Dinge, sondern auf Gottes weisen Ratschluss zu setzen.
c. Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn
Dem Reichen hilft doch nicht sein Gut, / dem Jungen nicht sein stolzer Mut, / er muß aus diesem Maien, / wenn einer hätt' die ganze Welt, / Silber und Gold und alles Geld, / doch muß er an den Reihen34.«
Der Choral »Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn«35 thematisiert die Ohnmacht von Reichtum und Jugendlichkeit angesichts des Todes: Alle Menschen, ungeachtet ihres irdischen Besitzes oder gesellschaftlichen Standes, sind dem Tod unterworfen: jeder »muß aus diesem Maien« und den »Reigen«, den Tanz des Todes mittanzen. Aus dieser Perspektive gewinnt der durch die Taufe erlangte immaterielle Reichtum, nämlich spirituelle Wiedergeburt und die Hoffnung auf ewiges Leben, eine ungleich größere Bedeutung alle irdischen Schätze wie »Silber und Gold und alles Geld«.36
d. Aus tiefer Not schrei ich zu dir
»Und ob es währt bis in die Nacht / und wieder an den Morgen, / doch soll mein Herz an Gottes Macht / verzweifeln nicht noch sorgen. [...]«
Das Zitat aus »Aus tiefer Not schrei ich zu dir«37 vermittelt - eingebettet in die Schilderungen der sündhaften Natur des Menschen und der Anfechtungen durch Welt und Teufel - die tröstliche Botschaft, dass das Herz trotz aller Widrigkeiten auf Gottes Macht vertrauen und weder verzweifeln noch sich sorgen soll. Die »tiefe Not« korrespondiert mit der von Wassermann beschriebenen grundlegenden Sündhaftigkeit des Menschen. Die Formulierung »bis in die Nacht / und wieder an den Morgen« lässt sich als Hinweis auf den fortwährenden Kampf des Christen gegen die Sünde deuten, der auch nach der Taufe fortbesteht. Denn die Taufe bedeckt zwar die Sünde, nimmt sie aber nicht gänzlich hinweg.
Im Zentrum stehen die Zuversicht auf Gottes Macht und die bewusste Ablehnung von Verzweiflung und Sorge. Wassermann ermutigt die Gläubigen zu Geduld und Vertrauen, auch wenn Erlösung oder die Überwindung von Schwierigkeiten nicht unmittelbar eintreten. Diesen Gedanken greift Wassermann später erneut mit einem Zitat des Propheten Habakuk auf.38 Die Taufe ist in diesem Sinne nicht das Ende aller Probleme, sondern der Beginn eines neuen Lebens in Christus, das vom Glauben und vom Vertrauen auf Gottes Gnade geprägt ist. Selbst in tiefster Not sollen sich die Getauften ihrer durch die Taufe erlangten Gotteskindschaft und der Vergebung ihrer Sünden erinnern und daraus Trost schöpfen.
e. Es ist das Heil uns kommen her
»[...] Die Hoffnung wart' zur rechten Zeit, / was Gottes Wort zusage; / wann das geschehen soll zur Freud, / setzt Gott kein gwisse Tage. / Er weiß wohl, wanns am besten ist, / und braucht an uns kein arge List; / des solln wir ihm vertrauen.«
Der Choral »Es ist das Heil uns kommen her«39 bekräftigt die zentrale theologische Aussage von der Rechtfertigung allein durch den Glauben und die Gnade Gottes. Wassermann erkennt darin, dass Gott »wohl weiß, wann's am besten ist« und dass man ihm vertrauen soll, ein Argument dafür, dass die Taufe - selbst bei Säuglingen - ein von Gott eingesetztes Gnadenmittel ist, dessen Zeitpunkt und Wirksamkeit allein in Gottes Hand liegen und nicht durch menschliches Verständnis oder Vernunft in Frage gestellt werden dürfen.
Der Choraltext verarbeitet den theologischen Klassiker der Rechtfertigungslehre aus Kapitel 3 des Römerbriefs: »Ich rede von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus« - nicht durch menschliche »Verdienste«. Allein Gottes »Gnade« und »die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist«, vermögen den Menschen zu retten. Deshalb gilt es, darauf zu vertrauen, dass Gott durch Christus »die Sünden vergibt, die früher begangen wurden, [...] um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen.«
Summa summarum: »So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.«
f. Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn
»Was hilfft den glerten grosse kunst? / der weltlich pracht? / es ist umm sunst, / sie müssen alle sterben: / Wer sich inn Christum nit ergeyt / die weyl noch ist der gnadenn zeytt, / ewig muß er verderben.«
Das Lied »Kombt her zu mir, sagt Gottes son« wurde von dem Wiedertäufer und Bußprediger Georg Grünwald (geb. um 1490 in Kitzbühel, gest. 1530 in Kufstein) verfasst. Philipp Wackernagel (1800-1877) dokumentierte das Lied 1870 und hielt dabei sowohl die älteste überlieferte Fassung als auch spätere Umarbeitungen fest.40 Die Verfasserschaft Grünwalds gilt heute als gesichert, obwohl das Lied zeitweise irrtümlich auch anderen zugeschrieben wurde41. Grünwald wurde wegen seiner Täufertätigkeiten 1530 in Kufstein auf dem Scheiterhaufen verbrannt42, also 60 Jahre vor Wassermanns Jochsberger Predigt gegen das Wiedertäufertum. Ob Wassermann klar war, dass der von ihm zitierte Grünwald Wiedertäufer war, ist ungewiß. In jedem Fall tritt in seiner Predigt die Wendung »Wer sich inn Christum nit ergeyt / die weyl noch ist der gnadenn zeytt, / ewig muß er verderben« in der Tauf-Variante auf: »Wer sich durch Tauff Gott nicht ergeit / weil er lebt in der Gnaden zeit / ewig muß er verderben.« 43
Das Lied bündelt zentrale reformatorische Gedanken: die Erlösung allein aus Gnade, die Bedeutung der Nachfolge und die Hoffnung auf das ewige Leben. Es beginnt mit Jesu Einladung an alle, die mit Sünden beladen sind, und hebt die Gnade und Vergebung hervor, die Christus schenkt. Die Nachfolge Christi wird als Gehorsam gegenüber Gottes Willen verstanden, wobei Leiden und Anfechtungen untrennbar zum christlichen Leben gehören.
Das Lied erinnert an die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und die Nichtigkeit aller irdischen Güter angesichts des Todes. Es warnt davor, die Hinwendung...