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Nun, da Kant die ordentliche Professur erreicht hatte, war sein akademischer Ehrgeiz erfüllt. Um sich ganz auf das Lehramt zu konzentrieren, gab er im Jahre 1772 seine Tätigkeit an der Schlossbibliothek auf, weil sie seine Arbeit als Professor zudem zeitlich stark belastete. Lediglich in der Fakultät rückte er auf, gemäß seinem Alter, aber nicht schneller. In der Königsberger philosophischen Fakultät waren die ersten vier Mitglieder zugleich im akademischen Senat vertreten, in den Kant 1780 eintrat, als er die vierte Stelle der Fakultät erreicht hatte.
Im Sommer 1786 fiel ihm zum ersten Male das Rektorat der Universität zu; in seiner Amtszeit hatte er die Aufgabe, im Namen der Albertina dem soeben gekrönten König Friedrich Wilhelm II. die Huldigung der Universität darzubringen, als der Monarch Königsberg besuchte. Der Kabinettsminister Graf von Herzberg, der den König als Huldigungskommissar begleitete, versäumte nicht, bei dieser Gelegenheit den Philosophen besonders auszuzeichnen, ohne dass dieser sich in irgendeiner Weise - das ist bestätigt - danach gedrängt hätte. Ebenfalls in diesem Jahre erfuhr das Gehalt Kants eine große, ungewöhnliche Aufbesserung von 220 Talern auf 620 Taler jährlich, eine Zulage, die Kant zugesprochen erhielt, ohne dass er darum nachgesucht hatte. Im Sommer 1788 wurde er zum zweiten Male Rektor, vier Jahre später Senior der philosophischen Fakultät sowie der gesamten Akademie.
Kants Tätigkeit als akademischer Lehrer aber hat in dem Augenblick, da er zum ordentlichen Professor berufen wurde, keine entscheidende Veränderung erfahren, einfach deshalb nicht, weil er seine akademischen Gepflogenheiten sowie die Gestaltung seines Tagesablaufs unverändert beibehielt. Nicht nur seine akademische Ordnung unterlag einer strengen Einteilung, auch sein ganzes Leben wurde einem genauen Tagesrhythmus unterworfen, der keinerlei Abwandlung zuließ. Jeder Arbeitstag dieses Mannes, der mit seinen Kräften haushielt und haushalten musste, war ihm und seinen Absichten so genau angepasst, dass der Erfolg diese Ordnung bestätigte, die nur dem nicht tyrannisch erscheinen konnte, der sie sich selbst gesetzt hatte.
Genau um 5 Uhr ließ sich Kant von seinem Diener, einem ausgedienten Soldaten, mit dem lapidar-militärischen Zuruf: «Es ist Zeit!»[11] wecken. Gleich begann er sodann, sich auf die Vorlesungen vorzubereiten, die er zu Anfang seiner Lehrtätigkeit auf das Maß von 4 bis 5 Stunden täglich ausdehnte. Später jedoch pflegte er viermal in der Woche von 7 bis 9 Uhr, zweimal (mittwochs und sonnabends) von 8 bis 10 Uhr zu lesen, wozu noch ein Repetitorium zu rechnen ist, das er am Sonnabend von 7 bis 8 Uhr abhielt. Diesen Vorlesungen kam er mit Eifer und Beflissenheit nach, sodass niemals eine Viertelstunde verloren ging, besonders weil er nicht krank wurde, wozu seine geordnete Tageseinteilung beitrug - die wiederum die Pünktlichkeit seiner Vorlesungen bedingte.
Nach den Vorlesungen arbeitete er ununterbrochen bis 1 Uhr, ein Zeitraum, der vor allem der schriftlichen Fixierung seiner Gedanken vorbehalten blieb, sodass es sich bei diesen Stunden um die Zeit handelt, in der er am eigensten und entschiedensten philosophisch tätig war. Dennoch kam es nicht vor, dass diese Arbeit, die ihn gar leicht hätte fesseln können, so von ihm Besitz ergriff, dass er darüber den Zeitpunkt des Mittagessens vergaß. «Um ¾ auf 1 Uhr stand er auf, rief der Köchin zu: Es ist dreiviertel!»[12] und erwartete seine Tischgäste pünktlich. Unpünktlichkeit der Gäste erregte seinen Unwillen.
Die Mittagsmahlzeit war für ihn die Zeit der Entspannung, eine Gelegenheit, sich mit gebildeten und doch nicht fachphilosophisch tätigen Männern sehr verschiedener Berufsarten ungezwungen zu unterhalten. Manchmal blieb die Tischgesellschaft bis 4 oder gar 5 Uhr zusammen. Zu jeder Speise nahm Kant Senf, den er für seine Gäste wie für sich selbst sorgfältig herstellte. Neben Wein trank Kant auch Wasser, doch nie Bier, das er für schädlich hielt. Seine Lieblingsspeisen waren Kabeljau, dicke Erbsen, Teltower Rübchen, Göttinger Wurst und Kaviar, den ihm sein Verleger Hartknoch aus Riga schickte.
Doch waren es nicht kulinarische Genüsse, mit denen seine Tafel lockte - es gab drei Gerichte und für jeden Gast eine halbe Flasche Wein, zum Schluss Butter, Käse und Gartenfrüchte -, sondern es war die Art des Philosophen und späteren Hausherrn, seine Gäste zu unterhalten. Alles was an Nachrichten und Neuigkeiten Königsberg erreichte, mochte es sich um politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Ereignisse handeln, war für ihn ein Anlass, sich darüber in freundschaftlich-freier Debatte mitzuteilen. Seine Gäste, von denen er mindestens drei - nach der Zahl der Grazien -, aber nicht mehr als neun - nach der Zahl der Musen - zu sich bat, bildeten mit ihm einen Gesellschaftszirkel, der nicht auseinanderfiel in Gruppen, sondern dessen Unterhaltung stets sanft von dem Witz des Philosophen - besonders in der Diskussion - geleitet wurde. Vorzüglich waren es während der Französischen Revolution politische Fragen, die den Kreis um Kant erregten und an denen er selbst sosehr Anteil nahm, dass er begierig war, möglichst rasch über die neuesten politischen Entwicklungen unterrichtet zu werden. Zeitungen wurden von ihm mit solcher Spannung erwartet, dass er seinen Diener danach ausschickte. Nur in einem Fall konnte der konziliante kleine Mann von einem nicht zu übersehenden Unwillen befallen werden, nämlich dann, wenn einer seiner Tischgäste ihn über schwierige philosophische Probleme befragte. Kam es gar vor, dass jemand es wagte, die Schriften Kants zum Gegenstand der Unterhaltung zu machen, so konnte er sicher sein, sich den zwar gezügelten, aber doch entschiedenen Zorn des Philosophen zuzuziehen. Die Mahlzeit war für ihn Erholung - und nichts als Erholung.
Nach dem ausgedehnten Essen zog sich Kant zurück, um zu lesen, aber auch um zu meditieren, doch nie so lange, dass er seinen Spaziergang, der für 7 Uhr angesetzt war, nur um einige Minuten zu spät antrat. Auch dieser Spaziergang erfolgte mit einer solchen Pünktlichkeit, dass berichtet wird, verschiedene Königsberger hätten ihre Uhren nach dem «Umlauf» des Philosophen gestellt. Nur ein einziges Mal hat Kant diesen Spaziergang versäumt, dieses Versäumnis auch offen eingestanden und damit begründet, er habe an diesem Tage Rousseaus «Émile» gelesen und sei von der Lektüre so ergriffen worden, dass er das Buch ohne Unterbrechung bis zu Ende las.
Die Zeit nach dem Spaziergang pflegte Kant wieder der Lektüre zu widmen, besonders derjenigen neu erschienener Schriften, doch auch sie konnten niemals verhindern, dass er pünktlich um 10 Uhr im Bett lag und ihm somit stets 7 Stunden Schlaf zur Verfügung standen. Diese Spanne Nachtruhe hatte er sich als angemessen und ausreichend festgesetzt, so starr, dass es nichts gab, das ihn hindern konnte, diese Regel umzustoßen.
Über die Art, wie Kant als akademischer Lehrer wirkte, haben Zeitgenossen ausführlich berichtet, sodass selbst eine Darstellung über seine erste Vorlesung im Wintersemester von 1755 zu 1756 erhalten ist, als er Privatdozent geworden war. Borowski, einer seiner ersten Schüler und auch einer seiner Biographen, schildert den Beginn der Vorlesung: «Er wohnte damals im Hause des Professors Georg David Kypke auf der Neustadt und hatte hier einen geräumigen Hörsaal, der samt dem Vorhause und der Treppe mit einer beinahe unglaublichen Menge von Studierenden angefüllt war. Dieses schien Kant äußerst verlegen zu machen. Er, ungewohnt der Sache, verlor beinahe alle Fassung, sprach leiser noch als gewöhnlich, korrigierte sich selbst oft, aber dies gab unserer Bewunderung des Mannes, für den wir nun einmal die Präsumtion der umfänglichsten Gelehrsamkeit hatten, und der uns hier bloß sehr bescheiden, nicht furchtsam vorkam, nur einen desto lebhafteren Schwung. In der nächstfolgenden Stunde war es schon ganz anders. Sein Vortrag war, wie er es auch in der Folge blieb, nicht allein gründlich, sondern auch freimütig und angenehm.»[13]
Bald nach diesem noch etwas zurückhaltenden Anfang hat Kant, obwohl seine schwache Stimme ihn stets zu einem leiseren Vortrag zwang, seine Art des Dozierens gefunden, die darin bestand, weniger die vorhandenen Lehrbücher zugrunde zu legen, als sie vielmehr zum Ausgangspunkt für eigene Gedanken zu benutzen. Wenn man bedenkt, dass damals eine Vorlesung noch eine wirkliche Lesung war, nämlich nach und vor allem direkt aus Lehrbüchern, die der Professor nicht selbst verfasst hatte, so mag die Art, wie Kant dozierte, sich sehr von der seiner Kollegen abgehoben haben. Er verzichtete zwar nicht auf die überlieferten Texte, nahm aber ihren Stoff mehr als Anregung und Anlass, zu eigenen Gedanken abzuschweifen, sodass oft wenige Zettel mit Stichworten als Vorlage für die Vorlesung ausreichten.
Seine Lehrmethode, die er auch theoretisch seinen Schülern bisweilen erläuterte, bestand nicht darin, Philosophie als lernbare Materie zu übermitteln, sondern zu philosophieren und zu dieser Tätigkeit eine Anleitung zu geben. In concreto geschah es in der Weise, dass er nicht Resultate mitteilte, sondern sich vielmehr selbst an die Untersuchung machte, eine wissenschaftliche Operation vollzog, allmählich die richtigen Begriffe herausarbeitete, mit ihnen seine Tätigkeit des Denkens und Demonstrierens begann und so mehr auf den Weg als auf das Ziel der Gedanken...
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