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Im Gespräch mit Lord Salisbury warnt Wilhelm II. davor, die Kraft der Türkei, des Staates, der Administration und der Armee zu unterschätzen. Die Eindrücke, welche der Kaiser während seines Besuches in Stambul 1889 gewonnen hatte, ließen ihn gegen den englischen Premier Front machen, der behauptete, die große Vergangenheit der Türken sei "einmal gewesen" und "das gegenwärtige Heer tauge nichts mehr. Es könne keinen Widerstand leisten"58. Nowak, das Sprachrohr Wilhelms II., fasst die Diskussion innerhalb der Londoner Führungsspitze zusammen, die gegen Ende des Jahrhunderts ablief: "Chamberlain glaubte vor allem an den Anreiz und die Beweiskraft von Ziffern. Lord Salisbury hatte alte und viele Erfahrungen. Von Fürst Bismarcks Russenpolitik bis zu der Unterhaltung mit Kaiser Wilhelm über die Teilung der Türkei hatte er nur Enttäuschungen erlebt. Der junge Chamberlain begann erst mit den Versuchen, etwas aufzubauen. Entzückt war Lord Salisbury nicht von Chamberlains Zukunftsabsichten für England und Deutschland. An ihre Verwirklichung glaubte er nicht. Aber er ließ den Staatssekretär zunächst gewähren"59.
In England stritten die Protagonisten einer bündnispolitischen Anbindung an das Festland und die Isolationisten. Asquith vertrat die Position einer Anbindung an Europa. "Nur die Isolierung" habe "Zwischenfälle, wie Pendjeh und Faschoda, die zeitweiligen Schreckbildnisse russischer Absichten in Asien und" Englands "gefährliche internationale Situation während des Burenkrieges möglich" gemacht. Es sei "ohne Zweifel...die praktische Erkenntnis der Schwierigkeiten und sogar Gefahren der Isolierung" gewesen, "die 1899...Mr.Chamberlain dazu" geführt habe, "auf eine englisch-deutsche Alliance zu drängen und Lord Salisbury, mit ihr zu spielen"60.
Es bestand die Chance, dass sich in diesen Jahren seit 1897 die deutschen und englischen Annäherungsversuche treffen würden. Wohl die Einschätzung des Generalstabes gibt Nowak (Wilhelm II.) wieder, wenn er zum Bündniswert Englands ausführt:
"England besaß zahlreiche Panzerschiffe. Sie nützten Deutschland nichts, wenn es mit Rußland und seinem Bundesgenossen Frankreich im Kriege lag. Daß England allein mit seiner Flotte Frankreich an seiner atlantischen Küste, an seinen Mittelmeerufern und durch die Bedrohung seiner Kolonien in Schach halten konnte, daß Italien mit angespannten Kräften an Englands Seite marschieren mußte, so wie Großbritannien es befahl, daß England auf dem Kontinent wiederholt mit großen, eigenen Armeen gefochten hatte, seit den Tagen der Jeanne d'Arc über Hochstaedt, Oudenarde und Malplaquet bis zu der Entscheidung von Waterloo, daß die deutsche öffentliche Meinung darüber wie gewöhnlich in abgedroschenen Schlagwörtern dachte, die in Wahrheit gar nicht zutrafen: all das spann sich auch der Staatssekretär von Bülow nicht weiter aus. ,Das Hazardspiel der Vertragsschließung', den durch Jahre gesuchten Bund mit England, lehnte er in dem Augenblick ab, da er erreicht schien".
Doch auch Holstein "traute England nicht über den Weg". Für ihn war ein deutschenglisches Bündnis nur dann von Wert, wenn
Wilhelm II. erfuhr angeblich nur von einem englischen Bündnisangebot62. Allerdings führe, so Chamberlain, "Englands Weg zum Zweibund..., wenn Deutschland nicht mit ihm gehen könne". Das habe, so Nowak (Wilhelm II.), Bülow dem Kaiser allerdings verschwiegen. Auch Metternich, der deutsche Botschafter in London, habe die Bülowsche Position unterstützt. Im Gespräch mit Wilhelm II. in Homburg habe er ausgeführt:
"Jawohl, Majestät, - er will unsere Bajonette haben'.
[Wilhelm II.]: ,Aber gegen wen?'
[Metternich]: ,Gegen Rußland, Eure Majestät!'-
[Wilhelm II.]: ,Aber wir leben mit Rußland doch im tiefsten Frieden! Wir können doch nicht einfach über Rußland herfallen'. [Metternich]: ,Ja,...das weiß ich auch nicht'-
[Wilhelm II.]: ,Ein Bündnisangebot von England ist eine sehr ernste Sache!...Da Chamberlain wissen ließ, daß es gegen Rußland gehen soll, geben Sie ihm die Traditionsskizze--... Moralisch... sind wir Rußland auch durch Bindungen nahe, die ich - ohne jeden Grund - nicht alle durchbrechen kann!'...Daher ist es nötig, daß Chamberlain den Beweis erbringt, daß er Ministerium und Parlament hinter sich hat'"63.
Bülow beabsichtigte, das englische Angebot als Spielmaterial gegenüber Russland zu benutzten, um in Petersburg mehr herauszulocken, als ohne dieses Pressionsmittel möglich schien. Die Tendenz herrschte allerdings bei Bülow vor, sich im Osten auf Russland abzustützen, wenn überhaupt eine Bindung Deutschlands eingegangen werden sollte. Andererseits beabsichtigten Bülow und Holstein, von England Kompensationen auf kolonialem Gebiet zu erhandeln. Chamberlain verkündete in Birmingham im Mai 1898, Englands Vorteil bestünde in seinen guten Beziehungen zu den Flügelmächten Amerika und Deutschland, und hier einem Bündnis mit Berlin. Die Kompensation für das Reich bildete in diesem Zusammenhang der westafrikanische Kolonialbesitz Portugals. Doch der Disput um den Burenkrieg, und der Streitfall um den spanischen Besitz auf den Philippinen, gossen Wasser in den Wein der deutsch-englischen Beziehungen. Als Bülow ein ganzes Bündel von Forderungen in London präsentierte (Togo, Sansibar, Samoa, Walfischbai), lieferte er den Grund für Salisbury noch weiter auf Distanz zu gehen, als schon zuvor mit dem Satz gegenüber dem Botschafter Hatzfeld geschehen:
"Sie verlangen zuviel für Ihre Freundschaft",
hatte Salisbury verlauten lassen. Wilhelm II. rechnet 1931 mit Bülow scharf ab. Dessen Verantwortung für das Scheitern des epochalen englischen Bündnisses wird Schritt für Schritt herausgearbeitet. Dem gegenüber sah Bülow das Reich unabhängig am stärksten, denn Deutschland würde "entweder Rußland oder England zum Übergewicht" verhelfen. Doch ließ er - ähnlich wie Salisbury einstmals gegenüber Bismarck - das Angebot Chamberlains zu den portugiesische Besitzungen "auf dem Tisch liegen". Die Bedrohung der deutschen Ostgrenze, im Fall eines Abschlusses mit England, führten Bülow und Holstein inneramtlich als Argument gegen das "englische Bündnis" an. Dem Kaiser sollen sogar unzutreffende Informationen über das englische Bündnisangebot zugegangen sein. Eine Manipulation des Monarchen durch seinen Außenminister soll stattgefunden haben. Selbst die Unterstellung, England habe Russland einen Vertrag angeboten, sei durch Bülow benutzt worden.
So gerieten im Gegenzug die Kaiserreise in die Türkei, und der Bagdadbahnbau (bis Bagdad, Konia und Kuwait), zu einer Belastung der deutsch-englischen Beziehungen. Als Chamberlain in Wakefield dennoch offenlegte, auch Amerika in den Bund einzubeziehen, war "der große Zusammenschluss der angelsächsischen und germanischen Rasse" vorgezeichnet. Der Streit um Samoa führte schliesslich zum Bruch mit Salisbury. Für Samoa bot Chamberlain das Volta-Delta in Afrika, was die deutsche Kolonie Togo aufgewertet hätte. Doch der Verbündete Bülows, Tirpitz, bestand auf Samoa (Stützpunkt/Weltkabelsystem). Gespräche des Kaisers mit Cecil Rhodes hatten zu der Formel geführt, "Afrika den Briten, Vorderasien den Deutschen!"
Die Möglichkeit einer Annäherung an Russland entschwand zunehmend und parallel zum Beginn des Burenkriegs, wie der starken Neigung des Kaisers zu England und trotz der zugunsten der Buren aufschäumenden deutschen öffentlichen Meinung. Dennoch reiste Wilhelm II. nach England. Er sprach Chamberlain, der erneut den Plan einer Einheit "von Deutschland, von England, von Amerika" entwickelte. Dieses Gespräch zeichnete einen anderen Strich, als jenen, den die Geschichte bald darauf zog. Samoa hatte Deutschland zugeschlagen erhalten .Gegen die Urteile und Ratschläge des englischen Geschäftsträgers in Tanger, Sir Arthur Nicolson, wandte sich Chamberlain:
"England sollte sich in Tanger festsetzen. Deutschland sollte sich die Westküste am atlantischen Ozean sichern. In Kleinasien wollte er Deutschland keine Schwierigkeiten machen. Es sollte die Bagdadbahn bauen. Englisches Kapital sollte beigesteuert werden".
Auch Balfour, der Gesinnungsgenosse Chamberlains, warb um die Sympathie Wilhelms II.. Staatssekretär Bülow, gleichfalls in London anwesend, wurde mit Chamberlain konfrontiert. Se Ibst die Ankündigung der deutschen Flottenpläne schreckte den englischen Kolonialminister nicht ab. Entsprechend den Vereinbarungen mit Bülow, verkündete Chamberlain wenige Tage darauf, in seiner großen Rede in Leicester:
"...und ich glaube, in dem Moment, wo dieses Verlangen entstand, muß jedem klar geworden sein, daß unser natürliches Bündnis jenes zwischen uns und dem großen deutschen Kaiserreiche sein müßte. Wir...
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