Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
An Tagesschulen wird eine hohe Erwartung an die interprofessionelle Kooperation zwischen Lehrpersonen und sozialpädagogischen Fachpersonen gestellt. Dieses Thema gewann mit der Einführung des Tagesschulmodells an Bedeutung (u.a. Fischer, Kuhn, & Tillack, 2016). Kooperation in Form von fachlicher Diskussion, Arbeitskoordination und Informationsaustausch wird als eine optimierte Handlungspraxis erachtet, durch die die pädagogische Qualität an Tagesschulen verbessert werden soll (Kunze, 2017). Im Rahmen des SNF-Projekts «AusTEr - Aushandlungsprozesse der pädagogischen Zuständigkeiten in Tagesschulen im Spannungsfeld öffentlicher Erziehung» wurden neu überführte Tagesschulen in der Stadt Zürich untersucht. Bei den befragten sozialpädagogischen Fachpersonen liess sich eine ambivalente Offenheit als Handlungsorientierung bezüglich der interprofessionellen Kooperation mit Lehrpersonen feststellen. Diese kommt sowohl in formellen und informellen Austauschgefässen zwischen den Professionen als auch bei der Mitarbeit von sozialpädagogischen Fachpersonen im Unterricht zum Tragen. Gleichzeitig belegen die Befunde, wie mittels Methoden und Arbeitsprinzipien der sozialpädagogischen Fachpersonen ein zentraler Bildungsbeitrag für eine umfassende Entwicklung der Kinder und Jugendlichen an Tagesschulen geleistet wird. Mit den nötigen strukturellen und personellen Rahmenbedingungen und der fortlaufenden Schulentwicklung können diese Potenziale noch stärker genutzt werden.
Im Etablierungsprozess von Tagesschulen - in der Schweiz seit 10 Jahren und in Deutschland seit über 15 Jahren - hat besonders die interprofessionelle Kooperation zwischen Lehrpersonen und sozialpädagogischen Fachpersonen an grosser Bedeutung gewonnen (Böhm-Kasper, Dizinger, & Gausling, 2016; Fischer, Kuhn, & Tillack, 2016; Schüpbach, Jutzi, & Thomann, 2012). Dies ist auf die Konstitution des Tagesschulmodells zurückzuführen, das im Kontext Schule auf struktureller, personeller, pädagogischer und räumlicher Ebene eine Verzahnung der unterrichtlichen und sozialpädagogischen Handlungsfelder der Freizeit zum Ziel hat. Die personelle Mehrheit der an der Tagesschule Beschäftigten stammt aus den Berufsfeldern der Lehrpersonen und sozialpädagogischen Fachpersonen[1] (Breuer, 2015; Schul- und Sportdepartement, 2020). Die Kooperation zwischen diesen zwei Berufsgruppen ist beispielsweise auf struktureller Ebene in Form von institutionalisierten Austauschgefässen möglich, zum Beispiel in den regelmässig stattfindenden Sitzungen der pädagogischen Teams.
Inzwischen besteht eine umfassende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kooperationsthematik, die unter dem Begriff «multiprofessionelle Kooperation» geführt wird. Es besteht breite Einigkeit darin, dass sich mit der intensiveren berufsübergreifenden Zusammenarbeit an Tagesschulen die Handlungspraxis und damit zusammenhängend Tagesschulen verbessern können.[2] Diese Optimierung wird jedoch nicht als Selbstläufer betrachtet.[3] Vielmehr wird angenommen, dass multiprofessionelle Kooperation im Sinn einer optimierten Handlungspraxis auf ein komplexes Zusammenspiel bestimmter organisationaler Bedingungen sowie situations- und akteursbezogener Faktoren angewiesen ist (StEG-Konsortium, 2019).
Spezifischer als die multiprofessionelle Kooperation fokussiert die interprofessionelle Kooperation auf die Zusammenarbeit von zwei Berufsgruppen, die in ihrer Arbeit Synergien erkannt haben und diese im Arbeitsprozess durch Planung und Besprechungen gestalten (Dizinger, 2015). Das Kooperationsverständnis unterscheidet sich je nachdem, aus welcher berufsbasierten Richtung die Kooperation gedacht und initiiert wird, zum Beispiel aus der Sicht einer Lehrperson oder aus der Sicht der sozialpädagogischen Fachpersonen (Chiapparini, Selmani, Schuler Braunschweig, & Kappler, 2018).
Eine Herausforderung im Diskurs zu den dichotomisierten Berufskulturen sind die unterschiedlich klar definierten Berufsfelder. Lehrpersonen weisen ein angeblich klares Berufsfeld sowie Zielerwartungen und eine zurückhaltende Kooperationsbereitschaft auf. Demgegenüber sind das Berufsfeld sowie die Zielerwartungen der sozialpädagogischen Fachpersonen diffuser, haben aber dafür eine ausgeprägtere Gesprächs- und Kommunikationskultur sowie fallorientierte Kooperationsbereitschaft (Olk, Speck, & Stimpel, 2011).
In einer Studie konnten drei Gestaltungsformen der interprofessionellen Kooperation nachgezeichnet werden (Gräsel, Fussangel, & Pröbstel, 2006): Der Austausch (1) bezieht sich ausschliesslich auf das wechselseitige Informieren über berufliche Inhalte und Gegebenheiten. Dazu sind weder Zielabstimmungen noch gemeinsame Arbeiten nötig. Auf der Zielabstimmung zwischen den Individuen basiert die Kooperationsform der Arbeitsaufteilung (2) ohne Wissensaustausch. Erst in der Kooperationsform der Ko-Konstruktion (3) findet ein regelmässiger und intensiver Austausch beider Partner in Bezug auf verschiedene Aufgaben statt, wobei sie ihr jeweiliges eigenes Wissen aufeinander beziehen. Damit werden in der dritten Kooperationsform nicht nur die Ziele, sondern auch der Arbeitsprozess und das damit verbundene professionelle Wissen aufeinander abgestimmt. Diese Kooperationsform wird nach Breuer (2015) fachbezogene Zuständigkeit genannt und als Qualitätssteigerung betrachtet.
Zur Förderung von interprofessionellen Kooperationen an Tagesschulen mittels Weiterbildungsangeboten liegen bislang keine signifikanten Befunde in der Schweiz vor (Jutzi, 2018a; Jutzi, 2018b). Gleichzeitig gibt es aber verschiedene Bestrebungen in Lehrstudiengängen in der Schweiz und in Deutschland, sozialpädagogische Bildungsverständnisse, spezifische Kompetenzen und Methoden bereits im Lehrstudium kennenzulernen (Valentin, Fischer, & Kuhn, 2019).
Seit 2016 nahmen fünf sich neu konstituierende Tagesschulen im Rahmen des Pilotprojekts «Tagesschule 2025» in der Stadt Zürich den Betrieb auf, wobei interprofessionelle Zusammenarbeiten mit unterschiedlichen Settings gezielt gefördert wurden. Zudem fand ein Ausbau des sozialpädagogischen und weiteren Personals in den Betreuungszeiten statt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, an welchen zentralen Handlungsmustern sich sozialpädagogische Fachpersonen orientieren.
Grundlage der Überlegungen ist das SNF-Forschungsprojekt «AusTEr - Aushandlungsprozesse der pädagogischen Zuständigkeiten in Tagesschulen im Spannungsfeld öffentlicher Erziehung».[4] In diesem wurden in vier sich neu konstituierenden Tagesschulen unterschiedliche Akteurinnen und Akteure bezüglich der Ausgestaltung ihres Arbeitsalltags zu zwei Zeitpunkten befragt: kurz vor der Einführung des Tagesschulmodells (t1: Frühjahr 2016) und etwas mehr als ein Jahr später (t2: Herbst 2017).
In diesem Beitrag werden 10 berufsspezifische Interviews mit 16 sozialpädagogischen Fachpersonen aus dem zweiten Erhebungszeitpunkt berücksichtigt, wobei diese mehr als ein Jahr innerhalb der neuen Rahmenbedingungen der Tagesschule mit Lehrpersonen zusammengearbeitet haben. Die Interviews wurden in Anlehnung an das dreistufige Auswertungsverfahren der Grounded Theory ausgewertet (Strauss, & Corbin 1991; Chiapparini, Kappler, & Schuler Braunschweig, 2018). Bezüglich des Themas der interprofessionellen Zusammenarbeit wurden Textstellen ausgewählt, in denen die interprofessionelle Zusammenarbeit explizit oder implizit zum Thema wurde.
Aus der Analysearbeit zeichneten sich folgende zentralen Ergebnisse ab: Die Rahmenbedingungen des Handlungsfeldes der sozialpädagogischen Fachpersonen haben sich wesentlich verändert, und vor diesem Hintergrund sind Themen wie informeller Kontakt, der Fokus auf die Beziehungsarbeit mit den Kindern, Rollenkonflikte in der interprofessionellen Zusammenarbeit und die lebensweltliche Begleitung besonders bedeutsam geworden.
Auf die veränderten Rahmenbedingungen und die vier Handlungsmuster der sozialpädagogischen Fachpersonen wird in den folgenden Unterkapiteln eingegangen.
Durch die Einführung des Tagesschulmodells haben sich verschiedene Rahmenbedingungen verändert. Damit sind neue Herausforderungen im Arbeitsalltag der sozialpädagogischen Fachpersonen verbunden, aber ebenso Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Lehrpersonen.
Das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen einer Regelschule und einer Tagesschule in der Stadt Zürich ist die Mittagszeit. Je nach Schulstufe sind die Schülerinnen und Schüler für zwei bis vier Mittage pro Woche angemeldet.[5] Indem an gewissen Mittagen fast alle Schülerinnen und Schüler anwesend sind und die Mittagszeit auf 80 Minuten gekürzt sowie mit verhältnismässig weniger fachlichem Personal ausgestattet wurde, hat sich das sozialpädagogische Handlungsfeld - in der Praxis als «Betreuung»...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.