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Eine durch schriftliche Überlieferung gesicherte und an den fortwirkenden Institutionen erkennbare englische Geschichte beginnt mit dem Eindringen der Angelsachsen in England im 5. und 6. Jahrhundert, das Teil des umfassenden Vorgangs der Völkerwanderung gewesen ist. Die Angelsachsen, die sich offenbar mit den dort lebenden Kelten zunächst kaum vermischten, gestalteten die politisch-territoriale Organisation des Landes. Sie bildeten Königreiche, von denen im ausgehenden 9. Jahrhundert Wessex die Hegemonie erlangte. Unter Alfred dem Großen, der von 871 bis 899 König von Wessex war, erfolgte im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die eingefallenen Wikinger die Zusammenfassung von ganz England außerhalb des von den Dänen besetzten Gebietes im Nordosten. Auf einem Silberpfennig der Zeit ist Alfred mit dem Titel "Rex Anglorum" abgebildet.
Im England des 10. Jahrhunderts bildete sich eine königliche Autorität heraus, die umfassender und intensiver war als in irgendeinem anderen zeitgenössischen europäischen Land. Ein wichtiges Indiz für die vergleichsweise zentralisierte und effiziente englische Verwaltung dieser Zeit ist das einheitlich geregelte Münzwesen, das gegen Ende der angelsächsischen Periode das fortgeschrittenste in Europa war. Es gab keine von Territorialherren geprägte Münzen wie in Deutschland und Frankreich. Dabei war die Gestaltung des Münzwesens charakteristisch für das nach dem Prinzip des "self-government at the king's command" gestaltete englische Regierungssystem mit seiner Zentralisierung der Zuständigkeiten einerseits, seiner Dezentralisierung und Delegation der praktischen Aufgaben andererseits. Das Münzwesen unterstand allein dem König und wurde von ihm kontrolliert; die Prägung der Münzen erfolgte dagegen in einer Vielzahl von Orten. Das geschriebene und gesiegelte "writ" - ein kurzer königlicher Befehl, der sowohl in der Verwaltung als auch im Rechtswesen benutzt wurde - war ebenfalls ein höchst effizientes, anderswo nicht vorhandenes Instrument der Zentralgewalt und ein Beleg für die Macht des englischen Königtums.
Ein Grund dafür, daß die Zentralgewalt und das Königtum in England so stark waren, ist in der Geographie zu suchen. Das Land war vom territorialen Umfang her nicht zu groß, so daß seine Zusammenfassung und Verwaltung die damals gegebenen Möglichkeiten nicht überstiegen. Obwohl die angelsächsischen Könige ihre Zeit zumeist im Süden des Landes verbrachten - Winchester und London wurden die wichtigsten Zentren des Landes -, waren auch die anderen Landesteile für den König durchaus leicht erreichbar.
Neben den günstigen geographischen Voraussetzungen spielte aber auch die äußere Bedrohung bei der Stärkung der Zentralgewalt und der staatlichen Organisation des Landes eine wichtige Rolle. Die Einfälle der Wikinger haben durch die von ihnen geforderten Tribute ebenso wie durch die von ihnen provozierte Abwehrreaktion in diese Richtung gewirkt. Die Zahlungen, die den Angelsachsen auferlegt wurden, führten 865 zur Erhebung des sog. "danegelds", welches die erste dauerhafte nationale Steuer wurde. Die zentralisierende Wirkung der Verteidigungsanstrengungen wird an dem System von mehr als dreißig befestigten Plätzen deutlich, mit denen Alfred d. Gr. Wessex umgeben ließ. Diese "burhs" (ein dem deutschen Wort "Burg" verwandter Begriff, aus dem sich später die allgemeine Bezeichnung "borough" für Städte oder Marktflecken entwickelte) mußten jeweils von ihrem Umland bemannt und finanziert werden.
Die Erfüllung solcher, dem örtlichen Bereich zugewiesenen Aufgaben setzte eine ausgebildete und funktionierende Lokalverwaltung voraus. Diese ist denn auch über Jahrhunderte hinweg neben und komplementär zu der Macht der Zentralgewalt ein charakteristisches Merkmal der englischen Geschichte gewesen. Das "Prinzip der Selbstregierung", das nach dem Urteil Rankes in England "von jeher" viel kräftiger war als auf dem Kontinent[1], wurde in einem relativ gut geordneten System auf verschiedenen Ebenen wirksam. Die oberste Ebene bildeten die "shires", die später "counties" genannt wurden und mit dem Wort "Grafschaften" ins Deutsche übersetzt werden. Bereits gegen Ende des 9. Jahrhunderts war das Königreich Wessex in "shires" unterteilt. Im 10. und frühen 11. Jahrhundert wurde diese territoriale Gliederung auf ganz England ausgedehnt, das schließlich 37 "shires" umfaßte. Die "shires" waren ihrerseits in "hundreds" oder "wapentakes" unterteilt. Die kleinste Einheit der englischen Lokalverwaltung war das "vill" oder "tun", die Gemeinde.
Die "shire courts" waren neben der Monarchie die wichtigste Institution des angelsächsischen England. Sie traten zweimal jährlich unter dem Vorsitz von Grafen und Bischöfen oder deren Vertretern zusammen. Sie besaßen eine unbegrenzte Fülle von rechtlichen und verwaltungsmäßigen Funktionen. Prinzipiell waren alle Freien zur Teilnahme an den "shire courts" verpflichtet. Die weniger bedeutenden Angelegenheiten wurden von den "hundred courts" behandelt. Darunter gab es noch das "tithing", eine Gruppe von zehn Männern, die füreinander hafteten und sich bei Verfehlungen oder der Flucht eines von ihnen vor dem "hundred court" zu verantworten hatten. Insgesamt besaß das angelsächsische England ein für die damalige Zeit bemerkenswert einheitliches Gerichtssystem, in dem zwar nach dem jeweiligen lokalen Recht geurteilt wurde, wo der König aber jederzeit eingreifen konnte. Erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erhielten Grundherren ("lords") in größerem Umfang vom König wichtige jurisdiktionelle Befugnisse, die jedoch stets als delegierte Rechte verstanden wurden. In England hat der Monarch grundsätzlich niemals den Anspruch aufgegeben, der direkte Herrscher über sein gesamtes Königreich zu sein.
Die in angelsächsischer Zeit vorgenommene, für Rechtsprechung und Verwaltung maßgebliche, gebietsmäßige Gliederung des Landes hat offenbar einen Vorgang gefördert, den man als Territorialisierung des Lebenszusammenhangs bezeichnen kann. Blutsmäßige Bande traten gegenüber der durch das räumliche Zusammenleben und die nachbarschaftliche Gemeinschaft geschaffenen Zusammengehörigkeit zurück. Die Engländer betrachteten sich in vieler Hinsicht eher als die Bewohner eines Gebietes und als Mitglieder einer nicht durch Verwandtschaft konstituierten lokalen Gemeinschaft denn als Angehörige einer Sippe.[2] Der Individualismus, das individuelle Privateigentum und die Kernfamilie haben sich in England offenbar früher und ausgeprägter entwickelt als anderswo,[3] da dort wegen der relativ starken territorialen Organisation und befriedenden monarchischen Gewalt die Schutzfunktion größerer, blutsmäßig miteinander verbundener Personengruppen weniger notwendig war. Der Historiker W. L. Warren hat darauf hingewiesen, daß die englische Sprache kaum Möglichkeiten bietet, über die Kernfamilie und über zwei oder drei Generationen hinaus Verwandtschaftsbeziehungen genau zu beschreiben.[4]
Die vergleichsweise machtvolle Stellung der englischen Monarchie wurde durch die normannische Eroberung im Jahre 1066 noch verstärkt. Wilhelm war der Eroberer des Landes. Er brachte aus der Normandie das Lehnswesen nach England und stärkte seine Königsherrschaft dadurch, daß er zugleich oberster Lehnsherr wurde. Er war es in einem radikaleren Sinne, als es in der Normandie oder in irgend einem anderen Teil Europas der Fall war. Der König war nämlich rechtlich gesehen nach der Eroberung bzw. nach der Niederschlagung der gegen ihn gerichteten Aufstände der alleinige Inhaber des gesamten Bodens in England. Es gab keinen Allodialbesitz, kein volles Eigentum mehr. Die Besitzrechte aller Grundherren leiteten sich direkt oder indirekt vom König her. Der radikale Utopist Gerrard Winstanley hat später in der Englischen Revolution daraus die logische Konsequenz gezogen, daß mit der Abschaffung der Monarchie auch alle Besitztitel am Land hinfällig geworden seien. Der Beseitigung des Königtums, argumentierte Winstanley, müsse auch die der Grundherrschaft folgen.[5]
England wurde mit dem Jahr 1066 zugleich das am meisten und das am wenigsten feudalisierte Land Europas. Es war am meisten feudalisiert, insofern dort jeglicher Landbesitz in den feudalen Nexus einbezogen war. Es war am wenigsten feudalisiert, weil dort die Macht der Feudalherren gegenüber der Zentralgewalt am schwächsten war, eine staatlich-öffentliche Gewalt mit ihren Strukturen weiterbestand und die vorrangige Treueverpflichtung gegenüber dem König ausdrücklich festgehalten wurde. Das feudale System wurde der bestehenden, territorial-nachbarschaftlichen Struktur aufgepfropft, hat sie jedoch nicht verdrängt. Der Monarch war der feudale Oberherr, gleichzeitig aber auch wie vor ihm der angelsächsische König ein...
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