Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Im Zuge der rasanten Veränderungen einer modernen Arbeitswelt haben sich Rolle und Identität der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSLB) verändert. Muteten sich Beratende früher oft zu, Klienten aufzuzeigen, welche Berufe zu ihnen passen, erkennen nun viele, dass hierfür nötige, zuverlässige Prognosen fehlen. Menschen sind viel zu individuell und die Arbeitswelt zu dynamisch. Die BSLB sieht sich heute eher in der Rolle einer Prozessbegleiterin, welche die Verantwortung für diverse Laufbahnentscheidungen eines Berufslebens an Klienten zurückdelegiert und vielmehr beim Navigieren unterstützt. Entsprechende Entwicklungen werden im Buch aufgearbeitet und mit Beispielen veranschaulicht.
Unter Mitarbeit von Anita Glenck stellt Marc Schreiber die konkreten Inhalte und Methoden eines Beratungskonzeptes und dessen Einsatz in der Praxis vor
Prof. Dr. Marc Schreiber ist Professor für Laufbahn- und Personalpsychologie an der ZHAW, Institut für Angewandte Psychologie, und leitet das Zentrum für Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung, das u.a. einen Masterstudiengang Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung anbietet sowie Privatpersonen und Unternehmen berät
2 Wandel in der Arbeitswelt
2.1 Vier industrielle Revolutionen
Digitalisierung als Megatrend hat heute einen weitreichenden Einfluss auf die Arbeitswelt. Einerseits besteht aufgrund der Automatisierung die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten, andererseits ergeben sich durch den technologischen Fortschritt aber auch neue Berufsfelder mit entsprechenden Berufschancen. Gemäß Grünbuch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS, 2015) kann die Digitalisierung der dritten von bis heute vier industriellen Revolutionen zugeordnet werden.
Abb. 2.1: Arbeiten 1.0 bis 4.0 (in Anlehnung an BMAS, 2015)
Die vier industriellen Revolutionen seit dem Ende des 18. Jh. werden im erwähnten Grünbuch (BMAS, 2015) beschrieben ( Abb. 2.1). Die Anfänge der Industriegesellschaft mit der Erfindung der Dampfmaschine Ende des 18. Jh. werden als Arbeiten 1.0 bezeichnet. Der Beginn der Massenproduktion und die damit verbundene fortschreitende Industrialisierung sowie der Beginn des Wohlfahrtsstaates in Deutschland am Ende des 19. Jh. werden als Arbeiten 2.0 umschrieben. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. vollzog sich die Konsolidierung des Sozialstaates im Kontext des zunehmenden Wettbewerbsdrucks, welcher durch die Digitalisierung und die Globalisierung beschleunigt wurde. Diese Konsolidierung im Sinne von Arbeiten 3.0 hat in unterschiedlichen Staaten zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. So weisen Deutschland oder Frankreich bis heute einen stärkeren Arbeitnehmerschutz (oder anders formuliert einen weniger flexiblen Arbeitsmarkt) auf als beispielsweise die Schweiz. Derzeit vollzieht sich eine zunehmende Verschmelzung von Mensch und Maschine, welche mit unterschiedlichen Stichworten wie Arbeiten 4.0, Cognitive Computing, künstliche Intelligenz (KI; auf Englisch Artificial Intelligence, AI), maschinelles Lernen (auf Englisch Machine Learning), Deep Learning oder Virtual Reality (VR) umschrieben werden kann (Morgan, 2018; Stone et al., 2016).
Die Entwicklungen von Arbeiten 1.0 bis Arbeiten 4.0 kann man - analog zum BMAS (2015) - mit Blick auf den Zusammenarbeitsvertrag zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeberin betrachten. Aber sie geht auch mit einer strukturellen Veränderung der Arbeitswelt einher (siehe z. B. Davis, 2016; McAfee & Brynjolfsson, 2017; MGI, 2017; Schwab, 2016). Der sogenannte Strukturwandel hat die Arbeitswelt kontinuierlich verändert: Zuerst von der Landwirtschaft (primärer Sektor) hin zu Industrie und Bau (sekundärer Sektor) und im 20. Jh. rasant in Richtung Dienstleistung (tertiärer Sektor). In der Schweiz spricht man von einer Dienstleistungsgesellschaft, weil mit über 70 % der überwiegende Teil der Bevölkerung im Dienstleistungssektor beschäftigt ist (vgl. dazu auch Schreiber, 2015).
Im Buch »Machine, Platform, Crowd« geben McAfee und Brynjolfsson (2017) einen Überblick über die Entwicklungen der letzten Jahre im Zuge von Arbeiten 3.0 und Arbeiten 4.0. Dabei stellen sie drei Tendenzen fest und gehen davon aus, dass sich diese in Zukunft weiter verstärken werden:
Erstens führen intelligente Systeme (machines) in vielen Situationen zu präziseren und besseren Entscheidungen als der menschliche Verstand (mind). Als Beispiele führen sie die von Google DeepMind entwickelte Software AlphaGo an, welche viel früher als erwartet einen der weltbesten Go-Spieler besiegt hat sowie die vielversprechenden Entwicklungen im Bereich des autonomen Fahrens. Darüber hinaus schildern sie auch konkrete Projekte wie dasjenige einer Bauunternehmung in Japan, die Drohnen einsetzt. Diese nehmen 3D-Bilder einer Baustelle auf und vergleichen die Bilder mit den Bauplänen. Mit dieser Information werden der Baufortschritt evaluiert und autonom agierende Baumaschinen gesteuert. McAfee und Brynjolfsson (2017) gehen zwar davon aus, dass der menschliche Verstand weiterhin gefordert und gefragt sein wird. Aber sie prognostizieren eine Zukunft, in der intelligente Systeme weitere Aufgabenbereiche übernehmen.
Zweitens können Plattformen (plattforms) wie Uber, Airbnb, Booking.com sowie Amazon und Alibaba die Arbeitswelt disruptiv verändern und dadurch ganze Branchen unter Druck setzen. Plattform-Industrien funktionieren ohne eigene Produkte oder Dienstleistungen (products) am Markt. Sie stellen eine Plattform zur Verfügung und bringen dadurch Anbieterinnen (z. B. einer Taxifahrt) und Käufer eines Produktes oder einer Dienstleistung zusammen. Je mehr Personen auf einer Plattform registriert sind, desto größer ist deren Markteinfluss. Uber sowie Airbnb und Booking.com haben die Taxibranche und die Hotellerie stark verändert und sind dabei, klassische Anbieter stark unter Druck zu setzen ( Kap. 2.3). Aufgrund von Plattformen wie Amazon und Alibaba befindet sich der gesamte Detailhandel seit geraumer Zeit in einer Transformationsphase, deren Ausmaß noch nicht absehbar ist.
Drittens werden organisationsinterne Kernkompetenzen (core) vermehrt durch den Einbezug des Know-hows verschiedener Netzwerke im Internet (crowds) ergänzt oder gar ersetzt. In diesem Zusammenhang sind die neueren Entwicklungen von Crowdsourcing (oder auch Crowdworking) zu sehen, die sich insbesondere im IT-Bereich und im Bereich der Data Sciences verbreitet haben. So nutzen Firmen die Ressourcen und Kompetenzen von einschlägigen Fachkräften auf der ganzen Welt, indem sie ihre aktuellen Fragestellungen auf Plattformen wie Topcoder oder Kaggle ausschreiben. In der Schweiz findet seit 2014 jährlich hackzurich statt (www.hackzurich.com). Schweizer (Traditions-)Unternehmen wie Raiffeisen, Bühler oder Swisscom nutzen dort die »crowd«, indem sie in Workshops ihre aktuellen Herausforderungen präsentieren und von verschiedenen Teams innerhalb von 40 Stunden an einem Wochenende Prototypen für die Lösung der Herausforderungen programmieren lassen. Ebenfalls in der Schweiz etabliert hat sich die Plattform Kickstarter (www.kickstarter.com) - eine Finanzierungsplattform für Projekte. Ein weiteres Beispiel eines funktionierenden Netzwerkes im Internet stellt das kostenlose Nachschlagewerk Wikipedia dar.
McAfee und Brynjolfsson (2017) gehen davon aus, dass die drei beschriebenen Parameter in Zukunft einzubeziehen sind in funktionierende Geschäftsmodelle. Sie skizzieren ein Szenario, in welchem der Mensch weiterhin eine zentrale Rolle spielt, der Einfluss intelligenter (und selbstlernender) Systeme jedoch stark zunehmen wird (siehe dazu auch Schreiber & Gloor, 2020).
2.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung
Für die Schweiz hat der Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft (2017) auf der Basis einer umfassenden Analyse einen Bericht über die Chancen und Risiken im Zusammenhang mit den »Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen« herausgegeben. Mit Blick auf die letzten Jahrzehnte, eine Zeit mit verschiedenen Herausforderungen wie Finanzkrise, Währungsaufwertung des Schweizer Frankens sowie Digitalisierung, wird dem Schweizer Arbeitsmarkt ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Der Erfolg wird unter anderem an der hohen Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung und der konstant tiefen Erwerbslosenquote festgemacht. Der Einfluss der Digitalisierung auf die Beschäftigungsstruktur in der Schweiz wird im Bericht im internationalen Vergleich dargestellt. Dabei wird auf verschiedene Sektoren und Branchen, Berufe sowie die Tätigkeitsstruktur eingegangen (Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2017, S. 20ff).
Bezogen auf die Sektoren- und Branchenstruktur wird im Bericht eine Beschleunigung des Strukturwandels in Richtung Dienstleistungssektor (tertiärer Sektor) beschrieben. In der Schweiz war in den letzten 20 Jahren insbesondere in den Hightech-Branchen sowie Branchen mit hohen Qualifikationsanforderungen wie Pharma, Elektronik oder Luft- und Raumfahrzeugbau ein Beschäftigungsanstieg zu verzeichnen. Demgegenüber mussten Lowtech-Branchen wie Nahrungsmittelproduktion, Textil-, Holz- und Druckindustrie einen Rückgang in Kauf nehmen.
Die Struktur der Berufe hat sich gemäß dem Bericht in den letzten Jahren insofern verändert, als technologie- und wissensintensive Berufe mit einem hohen Anteil an kreativen Aufgaben wie wissenschaftliche Spezialistinnen, Technik- und Ingenieurfachkräfte stark zunahmen. Dasselbe gilt auch für Berufe mit einem hohen Anteil an menschlicher Interaktion oder manuellen Nichtroutinetätigkeiten wie Pflege- und Gesundheitsberufe, Ordnungs- und Sicherheitsberufe sowie Bildungsberufe. Mit Blick in die Zukunft wird davon ausgegangen, dass sich neuere Berufe wie Software- und Applikationsentwicklerinnen, Netzwerkfachkräfte, Datenarchitekten, Datenschutzexpertinnen oder Entwickler von Hardware und Robotern weiterentwickeln und auch weiterhin neue Berufe in...
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