Schweitzer Fachinformationen
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Gab es einen Fall, den du nicht verteidigen wolltest?
Ja, es gab Fälle, da habe ich innerlich gerungen. Besonders, wenn es um abscheuliche Verbrechen gegen Kinder ging. Trotz beruflicher Abhärtung bleibt eine tiefe menschliche Reaktion nicht aus. Man fragt sich: Kann ich das wirklich vertreten?
Doch meine Aufgabe als Strafverteidiger ist es, jedem eine faire Chance zu geben, unabhängig von der Tat. Das ist ein Kernprinzip unseres Rechtssystems. Oft werde ich als Verteidiger, der naturgemäß engen Kontakt zu Tätern hat, mit ihnen stigmatisiert. Aber wir verteidigen nicht die Tat, sondern den Menschen - den mutmaßlichen Täter. Es geht um grundlegende Werte:
Die Unschuldsvermutung: Erst nach einem fairen Prozess, in dem alle Fakten auf dem Tisch liegen, kann über Schuld entschieden werden.
Ein faires Verfahren: Schutz vor Willkür, eine ausgewogene Berichterstattung und verhältnismäßige Strafen.
Vertrauen in den Rechtsstaat: Nur wenn jeder eine faire Verteidigung erhält, auch derjenige, dessen Taten wir zutiefst verabscheuen, bleibt unser Rechtssystem glaubwürdig.
Deshalb habe ich mich immer entschieden - gleich welche Tat dem Beschuldigten vorgeworfen wurde -, die Verteidigung zu übernehmen. Es ist ein ständiger Konflikt zwischen persönlicher Moral und professioneller Pflicht.
Interessanterweise wird diese Frage Ärzten nie gestellt. Niemand kritisiert einen Arzt, der nach einem Amoklauf auch den schwerverletzten Täter behandelt. Das wäre ethisch unhaltbar. Diese Doppelmoral zeigt, wie oft Emotionen gesellschaftliche Errungenschaften überlagern. Ärzte und Strafverteidiger teilen ein Ethos: den Schutz von Leben und Würde, das Prinzip der Hilfe. Wir erfüllen im Kern humanitäre Aufgaben.
Was war dein größter Erfolg als Strafverteidiger?
Die Vorstellung, dass die größten Erfolge die Fälle sind, in denen ich meinen Mandanten helfen konnte, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, klingt zwar gut, ist aber oft ein Trugschluss. In der Realität endet das Mandat meist mit dem Urteil, und der Kontakt zum Mandanten ist danach beruflich beendet.
Die wahren Erfolge als Strafverteidiger sind für mich die Fälle, die auf den ersten Blick aussichtslos erscheinen, in denen man aber durch geschickte Verteidigung oder manchmal auch durch einen glücklichen Zufall das Blatt wendet.
Ein Beispiel dafür ist der Fall eines Tischtennislehrers, dem sexueller Missbrauch einer Zwölfjährigen vorgeworfen wurde. Er entsprach dem Klischee des pädophilen Jugendtrainers: ein älterer Mann mit Hornbrille, der in seinem Umfeld als Sonderling galt. Die Vorverurteilung war nahezu perfekt. Das Mädchen schilderte den Missbrauch detailliert und gab an, der Lehrer habe ihr gedroht, ihr Meerschweinchen zu töten, wenn sie etwas erzähle.
Aufgeflogen war die Sache, weil sich das Mädchen der Mutter ihrer besten Freundin anvertraut hatte. Doch in der Verhandlung stellte sich heraus, dass sich auch in der Familie besagter Mutter ein sexueller Missbrauch ereignet haben sollte und der Täter mit der Tötung eines Meerschweinchens gedroht hatte. Damit wurde klar, dass das Mädchen Opfer von Suggestion geworden war. Der Tischtennislehrer wurde freigesprochen.
Und der größte Misserfolg?
In Deutschland enden etwa achtzig Prozent aller Anklagen der Staatsanwaltschaft mit einer Verurteilung. Misserfolge sind daher ein unvermeidlicher Teil des Lebens eines Strafverteidigers. Natürlich gibt es Fälle, die man trotz aller Bemühungen verliert. Das ist hart, aber man lernt, damit umzugehen und idealerweise diese Erfahrungen positiv zu nutzen.
Die größten Misserfolge sind jedoch zweifellos die Fälle, in denen man von der Unschuld des Mandanten zutiefst überzeugt ist und dieser dennoch verurteilt wird. Im Gegensatz zu zivilrechtlichen Streitigkeiten, wo Beweisregeln strenger sind, ist die Hürde für eine strafrechtliche Verurteilung in Deutschland erstaunlich niedrig. Es genügt die bloße Überzeugung des Richters.
Das Fehlen strenger Beweisregeln und die Möglichkeit, jemanden allein aufgrund von Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen zu verurteilen - im schlimmsten Fall sogar lebenslang -, sind in anderen Rechtsgebieten undenkbar. Diese Diskrepanz führt häufiger als gedacht zu eklatanten Fehlurteilen. Ein bekannter Richter des Bundesgerichtshofs geht davon aus, dass jedes vierte Strafurteil ein Fehlurteil ist.
Als Strafverteidiger ist man in solchen Fällen machtlos. Man hat alle Register gezogen, alle Argumente vorgebracht, aber am Ende entscheidet die subjektive Überzeugung eines Einzelnen über das Schicksal eines Menschen. Diese Ohnmacht ist schwer zu ertragen und hinterlässt oft ein Gefühl der tiefen Frustration.
Nimmt man das mit in den Schlaf?
Natürlich lernt man, sich emotional zu distanzieren, eine Art Schutzschild aufzubauen. Man härtet ab, vielleicht stumpft man sogar ein Stück weit ab. Wer wie ich täglich mit Tötungs- und Sexualverbrechen konfrontiert ist, könnte diesen Beruf nicht ausüben, wenn er die Gräueltaten nicht aus seinem Privatleben ausblenden könnte.
Doch diese Distanzierung ist kein vollständiger Schutz. Es gibt Fälle, die einen verfolgen, die sich in die Träume schleichen und einen mit einem Gefühl der Hilflosigkeit zurücklassen. Es ist nicht so, dass man ständig von den Details der Verbrechen gequält wird, aber das Wissen um das Leid, das Menschen einander zufügen können, hinterlässt sicherlich auch die ein oder andere Narbe.
Gleichwohl muss man die Belastung relativieren. Als Strafverteidiger ist man nur mittelbar mit dem Leid konfrontiert. Man sieht die Akten, man hört die Zeugen, aber man ist nicht direkt am Tatort. Viel härter trifft es die Polizisten und Rettungskräfte, die unmittelbar mit dem Grauen konfrontiert sind, die die Verletzten bergen, die die Toten sehen. Ihre Belastung ist ungleich größer.
Dennoch ist es wichtig, die emotionale Belastung des Strafverteidigerberufs nicht zu unterschätzen. Es ist ein ständiges Ringen mit dem Gewissen, ein Abwägen zwischen professioneller Pflicht und menschlichem Mitgefühl. Es ist ein Beruf, der einen fordert, der einen verändert, der einen mit den dunkelsten Seiten der menschlichen Natur konfrontiert. Und ja, manchmal nimmt man diese Dunkelheit mit in den Schlaf.
Wenn du nicht vor Gericht stehst, dann .
. tauche ich ein in die Unterhaltungswelt oder besser gesagt ins Infotainment: spektakuläre Verbrechen, ihre Hintergründe und juristischen Feinheiten - sei es in unseren gemeinsamen Podcasts oder auf unseren Live-Touren. Diese Arbeit ist für mich mehr als nur ein Hobby; sie ist eine Fortsetzung meiner beruflichen Leidenschaft, eine Möglichkeit, komplexe Sachverhalte einem breiten Publikum zugänglich zu machen und gleichzeitig die Grenzen des Strafrechts zu erkunden.
Die Fälle, die wir in unseren Shows und Podcasts besprechen, sind oft mehr als bloße Kriminalgeschichten. Sie sind Fenster in die menschliche Seele, Spiegelbilder gesellschaftlicher Abgründe und Herausforderungen für unser Rechtssystem. Wir analysieren nicht nur die Taten selbst, sondern auch die Motive, die Täter antreiben, die Fehler, die im Ermittlungsverfahren gemacht wurden, und die juristischen Schlupflöcher, die ausgenutzt werden.
Diese Arbeit ermöglicht es mir auch, meine Erfahrungen als Strafverteidiger in einem anderen Kontext zu nutzen. Ich kann mein Wissen und meine Perspektive teilen, ohne an die Zwänge des Gerichtssaals gebunden zu sein. Ich kann kontroverse Themen ansprechen, juristische Grauzonen ausleuchten und alternative Sichtweisen präsentieren.
Darüber hinaus ist es eine Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich für Kriminalfälle und das Rechtssystem interessieren. Wir führen angeregte Diskussionen, beantworten Fragen und geben Einblicke in die oft undurchsichtige Welt der Justiz.
Und natürlich ist es auch eine willkommene Abwechslung zum stressigen Alltag eines Strafverteidigers. Es ist eine Möglichkeit, abzuschalten, kreativ zu sein und gleichzeitig meiner Leidenschaft für das Strafrecht nachzugehen.
Lieblingsfilm und warum?
Einer meiner Lieblingsfilme ist Die Verurteilten. Er zeigt, dass selbst in den dunkelsten Momenten Hoffnung und Menschlichkeit existieren. Die Geschichte von Andy Dufresne, der trotz seiner unrechtmäßigen Verurteilung nicht aufgibt, ist sehr inspirierend.
Was ist an dir britisch, was ist deutsch?
Meine britische Seite äußert sich in einem Hang zu schwarzem Humor und einer gewissen Vorliebe für kulinarische Experimente, sagen wir mal, »jenseits des Mainstreams«. Meine deutsche Seite zeigt sich in einem ausgeprägten Ordnungssinn, der vielleicht auch auf meine familiären Wurzeln zurückzuführen ist - mütterlicherseits britisch, väterlicherseits aus einer Militärdynastie. Sie kommt auch in einer gewissen Disziplin und meinem Hang zur Gründlichkeit zum Ausdruck.
Die Schulzeit bei den Regensburger Domspatzen...
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