Schweitzer Fachinformationen
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Sternberg erwartete ihn auf dem Bahnhof. Er trug einen langen schwarzen Mantel. Den Kragen hatte er hochgestellt. Sie begrüßten sich nur knapp, dann brachte Sternberg ihn zu seinem Wagen, einem schwarzen 5er BMW.
»Wir fahren zuerst zu meiner Schwester.«
Dengler nickte und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Ihn störte die Einsilbigkeit Sternbergs nicht. Er betrachtete den Mann hinter dem Steuer des BMW. Sternberg starrte auf die Straße vor ihm. Unter seinen Augen bemerkte Dengler dunkle Ringe. Die Mundwinkel hingen noch tiefer als gestern. Was immer der Mann inzwischen erlebt haben mochte, seine Laune hatte es nicht verbessert.
Der lange schwarze Mantel sah teuer aus und künstlerisch leger zugleich. Die schwarzen knöchelhohen Schnürstiefel waren neu und exklusiv. Was immer dem Mann an seinem Leben nicht behagte - fehlendes Geld konnte es nicht sein.
Sie fuhren durch den Ort, der sich entlang der Bundesstraße 10 streckte, und als die Häuser aufhörten, wies ein Schild nach rechts zum Industriegebiet Säulenhalde. Sternberg setzte den Blinker.
Wenig später bog er in den Hof einer Fabrik ein. Sternberg Befestigungstechnik las Dengler auf der Giebelseite eines modernen Bürohauses. Er bedauerte, von Sternberg keinen höheren Stundensatz verlangt zu haben.
Vorsichtig rollte der BMW auf einen Parkplatz vor dem Eingang des Gebäudes. »Reserviert für die Geschäftsleitung«, stand in schwarzen Lettern auf einem weißen Metallschild.
Sternberg zog den Schlüssel ab und sah Dengler an.
»Wir sind da«, sagte er.
Sie stiegen aus.
»Guten Tag, Herr Sternberg!« Die Frau im Glaskasten des Empfangs grüßte freundlich.
Sternberg nickte nur kurz und stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock. Dengler folgte ihm. Sie gingen durch einen langen Flur. Schließlich trat Sternberg in eines der Büros, ohne anzuklopfen.
»Ist mein Schwesterherz frei?«, fragte er eine Frau in einem ockerfarbenen Hosenanzug.
Die Frau blickte auf und sah dann zu Georg Dengler.
»Sie wartet schon auf dich«, sagte sie und wies mit dem Daumen zu einer aufwändig gepolsterten Tür, die halb offen stand.
Ilona Sternberg trug Trauer.
Sie saß hinter einem geschwungenen, modern gehaltenen, ausladenden Schreibtisch. Als ihr Bruder und Georg Dengler das Büro betraten, stand sie auf und kam ihnen entgegen. Dengler registrierte das elegante schwarze Kostüm, dessen Rock eine Handbreit über dem Knie endete und ihre schlanken Beine betonte. Die schwarze Bluse ließ die Ränder eines Spitzen-BHs durchscheinen. Ihr Gesicht blickte ihn wach und mit Interesse an. Ihre Haare waren schulterlang und schwarz, doch in der Mitte, wie ein Scheitel, zog sich eine graue, fast weiße Strähne. Trotzdem: Von den beiden Geschwistern war sie offensichtlich die Jüngere. Dengler schätzte sie auf Mitte dreißig.
Sie lächelte.
Als ob sie sich tatsächlich freut, mich kennen zu lernen.
Sie gab ihm die Hand mit einem angenehm entschlossenen Händedruck. Die Frau schien zu wissen, was sie wollte. Ihren Bruder ignorierte sie.
Mit einer Handbewegung bat sie die Männer, sich an den Tisch am Fenster zu setzen.
Die Sekretärin mit dem ockerfarbenen Hosenanzug erschien und stellte einen doppelten Espresso vor ihn hin.
»Ist das in Ordnung?«, fragte ihn Ilona Sternberg.
»Das ist . perfekt«, sagte Dengler verblüfft.
Die Sekretärin goss ihr und ihrem Bruder eine Tasse Kaffee ein und stellte neben jede Tasse ein Glas Wasser. Dann verließ sie den Raum.
Dengler wartete.
»Der Auftrag, den wir Ihnen erteilt haben, ist für uns sehr wichtig«, sagte Ilona Sternberg.
Sie trank einen Schluck Kaffee.
Mit einem Seitenblick auf ihren Bruder sagte sie: »Mein Bruder hat ausnahmsweise etwas richtig gemacht, als er Sie beauftragte. Sie haben einen guten Ruf.«
Er spürte, wie Robert Sternberg sich auf dem Stuhl neben ihm verkrampfte.
»Danke«, sagte Dengler.
Es lag plötzlich eine gespannte Atmosphäre im Raum.
Ilona Sternberg beugte sich vor. »Das Schlosshotel liegt auf einem wunderbaren Platz. Oben auf dem Schlossberg. Direkt neben der Ruine.«
Nachdenklich rührte sie in ihrer Tasse.
»Man könnte was draus machen. Aber zunächst müssen wir sehen, ob dieser Vertrag rechtens ist und ob die Immobilie vielleicht uns gehört.«
Und nach einer Pause: »Ich hoffe, sie gehört uns.«
Dengler nahm einen Schluck Espresso. Er schmeckte phantastisch.
Dengler sah sie an: »Zunächst einmal: mein Beileid zum Tod Ihrer Mutter.«
Und dann: »Aber gibt es jemanden in Ihrer Familie, der Auskunft über den Vertrag geben könnte? Ihr Vater?«
Robert Sternberg verkrampfte sich noch mehr.
»Lebt er nicht mehr?«, fragte Dengler.
Schweigen.
»Doch, er lebt«, sagte Ilona Sternberg.
»Aber er redet nicht«, sagte sie.
»Schon lange nicht mehr«, sagte Robert Sternberg leise.
Dengler blickte sie fragend an.
Ilona Sternberg rührte weiter in ihrem Kaffee.
Dann sah sie ihn an.
»Unser Vater schweigt seit Jahren«, sagte sie.
Robert Sternberg richtete sich auf.
»Irgendwann, kurz nach meiner Geburt, hörte er auf zu sprechen. Sagte einfach kein Wort mehr. Ich habe ihn noch nie ein Wort reden gehört.«
»Wie jemand, der ein schweres Trauma erleben musste«, sagte Ilona Sternberg, »aber ihm ist nichts passiert, was auf ein traumatisches Ereignis schließen lässt.«
»Wenn man von meiner Geburt absieht«, sagte Robert Sternberg.
Sie unterbrach ihn mit einer unwilligen Handbewegung.
Sie sagte: »Wir stellen Ihnen für die Zeit Ihrer Ermittlungen einen Firmenwagen zur Verfügung. Außerdem habe ich Ihren Vorschuss auf 1000 Euro erhöht.«
»Danke. Ich brauche eine Kopie des Vertrages. Die Adresse des Notars. Und eine Wegbeschreibung zum Schlosshotel.«
»Frau Howling wird Ihnen alles bereitstellen«, sagte sie.
Und zu ihrem Bruder gewandt: »Robert, würdest du Herrn Dengler die Firma zeigen, bis die Unterlagen fertig sind?«
Ihr Bruder nickte. Er schien erleichtert zu sein, dass die Besprechung vorbei war.
»Was wollen Sie sehen?«, fragte er Dengler, als sie im Flur standen. »Produktion, Verwaltung, Vertrieb?«
»Was ist Ihre Aufgabe?«
»Ich erfinde neue Produkte. Wollen Sie mein Labor sehen?«
Dengler nickte. Robert Sternberg stürmte mit großen Schritten den Gang entlang.
Robert Sternbergs Labor lag im Untergeschoss. Es waren fünf große, ineinander übergehende Räume. Sie sahen aus wie die unaufgeräumten Bastelräume eines Kindergartens. Der erste Raum war überfüllt mit bunten Papieren, die zu merkwürdigen Formen geschnitten und geklebt waren. Sie lagen auf den Tischen, auf dem Boden, und einige waren an die Wände gepinnt.
»Neues Projekt«, murmelte Robert Sternberg.
Mit dem rechten Fuß schob er einige Papiere zur Seite und öffnete so den Weg in den zweiten Raum.
Dort lagen auf fünf Tischen kleine, nur wenige Zentimeter große Plastikstäbchen in allen erdenklichen Farben. Auf einem kleinen Podest neben einem Waschbecken stand ein Modell des Eiffelturms, zusammengesteckt aus den bunten Stäbchen.
»Meine Erfindung.« Sternberg deutete auf das Modell. »Markteinführung in sechs Monaten.«
»Sieht aber nicht nach Befestigungstechnik aus.«
»Aber davon abgeleitet. Sehen Sie.«
Er nahm eines der Stäbchen und reichte es Georg Dengler.
»Diese Stäbchen kann man an Kopf- und Fußseite aufeinander stecken. Das Besondere ist jedoch die Miniaturschiene an den beiden Seiten. Mit ihr kann man auch an beiden Seiten weitere Stäbchen befestigen. Es ist ein völlig neues Spielzeug für Kinder. Vielseitiger als die Legosteine. Leider auch komplizierter zu produzieren.«
Sternberg ließ sich auf einen schwarzen Ledersessel fallen.
Er sagte: »Wir haben drei Produktlinien. Befestigungstechnik, das heißt Dübel und Schrauben. Hier, warten Sie mal.«
Er griff in seine Hosentasche und zog einen weißen Dübel hervor.
»Dieser Dübel spreizt sich nicht nur, sondern er fährt kleine Widerhaken aus, wenn man die Schraube hineindreht. Die Widerhaken öffnen sich nach einem ganz neuen System. Meine Erfindung. Wir fertigen die sichersten und stärksten Dübel der Welt.«
Er reichte Dengler ein kaum fünf Zentimeter großes Plastikteil. Dengler drehte es in der Hand und gab es zurück.
Sternberg fuhr fort: »Dann produzieren wir noch Figuren aus Kunststoff. Für Kinder. Alle von mir entworfen. Und ein Laufrad für Kleinkinder - ein ganz großer Hit, seit Jahren. Und jetzt kommt eben dies.«
Er hob die Stäbchen in die Luft.
Dengler bemerkte, dass sich die Wangen Robert Sternbergs gerötet hatten. Aufgeregt fuhr er auf seinem Bürosessel vor und zurück und erklärte Dengler die Besonderheiten der Stäbchen, wie er sie erfunden hatte und welche Probleme es gegeben habe, sie serienreif zu konstruieren.
Dengler kam Sternberg plötzlich jünger vor. Kindlicher. Das Verkrampfte, das Dengler noch während der...
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