Schweitzer Fachinformationen
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Eine Handvoll reicher Italiener möchte Venedig in ein Disneyland für Superreiche verwandeln. Ein Mordfall bringt Commissario Morello ins Spiel – und ihn selbst in höchste Gefahr.
Weg mit den ärmlichen Tagestouristen! Weg mit den Sandalen tragenden Studienräten aus Deutschland, die nur zwei, drei Tage auf der Biennale bleiben! Und vor allem: raus mit den noch verbliebenen Bewohnern Venedigs. Die Gruppe, die sich auf das Erbe der venezianischen Dogen beruft, über Jahrhunderte Herrscher der Serenissima, bereitet eine beträchtliche Erweiterung des Flughafens vor. Sie plant eine U-Bahn, die unter der Lagune hindurch vom Festland nach Venedig führt. Die Pläne sind fertig. Nur eine klitzekleine Kleinigkeit fehlt noch: Die zuständigen Politiker müssen bestochen werden. Diese Aufgabe übernimmt der treue Buchhalter Paolo Salini. Doch als dieser ermordet wird und das Bestechungsgeld verschwindet, übernimmt Commissario Morello den Fall und bringt das lang geplante Projekt in Gefahr. Da beschließen die reichen Männer: Morello muss weg .
Wolfgang Schorlau und Claudio Caiolo, die bereits zwei Bestseller um ihren aus Sizilien stammenden Commissario geschrieben haben, sagen über ihr neues Buch: "Die Pläne zur Umgestaltung Venedigs muten nur auf den ersten Blick absurd an. Nach unseren Recherchen existieren sie wirklich. Wenn unser Buch hilft, diese Pläne zu durchkreuzen, haben wir den richtigen Job gemacht."
Ein kleines Haar zittert.
Es ist ein kräftiges, borstiges kleines Haar, das bei jedem Luftzug vibriert. Es ist dunkel, nahezu schwarz und deshalb kaum zu sehen, weil es sich in der Höhle, in der es wächst, nicht von dem dunklen Hintergrund abhebt. Mit jedem Atemzug kitzelt die Spitze des Haares die empfindliche Schleimhaut in der Nasenspitze des Commissarios.
Im Schlaf bläst Morello mehrmals einen festen Luftstoß durch die Nasenöffnung. Das verschafft ihm für einen Augenblick Erleichterung. Doch als seine Atemzüge wieder regelmäßig fließen, kitzelt ihn das verfluchte Haar erneut. Mit einer unwirschen Bewegung wischt er sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
Und ist wach.
Im gleichen Augenblick hört er die Kirchenglocke des schiefen Turms neben seiner Wohnung.
Kling-dong, kling-dong, kling-dong .
Cazzo, es waren nicht diese Glocken, die ihn aus dem Schlaf gerissen haben, sondern ein Nasenkitzeln. Die Glocken dröhnen vielleicht schon minutenlang. Das kann nur eines bedeuten: Er hat sich an den Glockenlärm gewöhnt. Und das ist gar nicht gut.
Cazzo, er will sich in dieser Stadt an nichts gewöhnen. Nicht an die Touristenmassen, nicht an die stinkenden Kanäle und erst recht nicht an diesen dröhnenden schiefen Turm direkt neben seinem Schlafzimmer. Immerhin: Lombardi hat versprochen, ihn zurück in seinen Heimatort Cefalù in Sizilien zu versetzen, wenn er den Mörder von Paolo Salini gefasst hat.
Er zieht sich die Decke über den Kopf und schließt die Augen.
»Verfluchte Stadt!«, schreit er und springt aus dem Bett.
Ein Handtuch um die Hüfte gewickelt kommt er aus dem Bad und geht in die Küche. Dort startet er sein geliebtes morgentliches Ritual. Er schaltet das kleine Radio an, nimmt den Bialetti-Espressokocher aus dem Schrank und stellt ihn aufs Spülbecken.
Das Radio spielt einen Song von Lucio Dalla: Balla balla ballerino.
Gut gelaunt singt er mit und bewegt sich im Rhythmus der Musik. Schraubt das Kannenoberteil ab, hält den Kessel unter den Wasserhahn und lässt mit einem schmalen Strahl Wasser hineinlaufen. Dann überprüft er die Feineinstellung des Mahlwerkes, korrigiert sie ein wenig, sodass das Pulver heute etwas feiner wird, gibt die Bohnen hinein, die seine Mutter ihm letzte Woche aus Sizilien geschickt hat, mahlt sie, füllt das Pulver mit einem Teelöffel sorgsam in das Sieb, drückt es leicht an, schraubt das Oberteil auf den Kessel und stellt das Gerät auf die Flamme des Gasherdes.
Das Lied ist zu Ende. Es folgen die Nachrichten. »In Venedig wurden zwei Touristen festgenommen, weil sie eine Gondel gestohlen haben sollen. Die beiden Franzosen sollen die Gondel von der Accademia-Station neben der gleichnamigen Brücke entwendet haben, um eine Spritztour auf dem Canal Grande zu machen. Einheimische alarmierten die Polizei, weil ihnen auffiel, dass die Gondel im Zickzack hin und her fuhr. Giorgio Bognolo, der Besitzer der Gondel, wurde um 3.10 Uhr von der Polizei angerufen. >Sie benutzten es als Kanu, aber eine Gondel lässt sich nicht wie ein Kanu steuern, sie fährt nicht geradeaus. Die Polizei hat uns voneinander abgehalten, aber ich hätte sie gerne verprügelt.<
Heute findet im Consiglio regionale, dem Parlament von Venetien, eine wichtige Abstimmung über den Ausbau des Flughafens Marco Polo statt. Da sich zuletzt auch die Partei LIGA dafür ausgesprochen hat, ist die Zustimmung nur noch eine Formsache. Wegen Warnstreiks kommt es heute zwischen 8.00 und 20.00 Uhr zu Flugausfällen.«
Immer noch nur mit Handtuch bekleidet geht Morello zurück ins Schlafzimmer. Er schiebt die Gardinen ein Stück zur Seite und schaut nach draußen. Leichter Nebel umhüllt den Glockenturm und den gesamten Platz vor der Kirche San Pietro di Castello. Morello schüttelt sich. Norditalien. Was erwartest du hier schon vom Wetter, Antonio?
Dann schlüpft er in Hemd und Hose.
Als er zurück in die Küche kommt, röchelt die Bialetti bereits fröhlich und signalisiert ihm: Der erste Espresso des Tages ist fertig. Pfeifend füllt er die tiefschwarze Flüssigkeit in eine kleine Tasse, rührt einen Löffel Zucker hinein. Er schließt die Augen und hebt langsam die Tasse zum Mund.
Sizilien - bald bin ich zurück.
Cazzo, der Tag kann beginnen.
Pünktlich um acht Uhr klingelt es.
»Buongiorno, Commissario.«
Claudio betritt mit einer großen Papiertüte und einer Zeitung Morellos Wohnung.
Morello hat den jungen Mann mal sanft, mal deutlicher gezwungen, seinen früheren Beruf als Taschendieb aufzugeben. Er drohte, ihn ins Gefängnis zu stecken, wenn er nicht aufhöre, Touristen zu bestehlen, aber er gab ihm auch den nötigen Kredit, damit der Junge einen Bootsführerschein machen konnte. Zufrieden registriert Morello, dass Claudio offensichtlich in seinem neuen Beruf als Chauffeur eines Lastboots Erfolg hat. Die helle Cargohose ist ohne Flecken und scheint neu zu sein. Auch die dazu passenden Turnschuhe wirken neu und sind farblich stimmig ausgesucht. Nur die Aufschrift des T-Shirts lässt ihn für einen Augenblick die Stirn runzeln. Auf der linken Seite, dort wo Claudios Herz pocht, ist der Öffner einer Sardinendose zu sehen. Darunter steht: Hier öffnen.
»Originelles T-Shirt. Du bist tatsächlich pünktlich. Hoffentlich hast du ein paar Cornetti mitgebracht?«
»Vier, Signor Commissario. Eins ist für mich. Drei für Sie. Ich habe noch nicht gefrühstückt. Auch eine Zeitung habe ich gekauft.«
Morello greift nach der Papiertüte und zieht ein Cornetto raus. Er begutachtet das Cornetto und findet das winzige Loch an der Seite des Hörnchens.
Claudio: »Alla Crema! Genau so, wie Signor Commissario es mag.«
»In der Küche gibt es einen doppelten Espresso für dich.«
Kurz danach sitzen sie an Morellos Tisch und frühstücken. Morello beißt in das Cornetto und lobt die süße Creme.
Claudio hat sein Gebäck bereits verschlungen. Er starrt auf die Papiertüte. »Vielleicht genügen dem Commissario heute Morgen zwei Cornetti. Dann könnte ich .«
Er wartet die zustimmende Geste Morellos nicht ab. Seine Hand schnellt zur Papiertüte und zieht das nächste Cornetto heraus.
»Sie sollten die Zeitung lesen, Signor Commissario«, sagt er dann mit vollem Mund. »Gestern ist ein Mann in Venedig getötet worden.«
Morello trinkt einen Schluck Kaffee. »Ja, Claudio, ich weiß. Ich bin der Commissario in dieser Stadt, in der die Kirchenglocken ständig läuten und die Menschen nicht schlafen lassen.« Er greift sich die Zeitung. Elena Parisi hat den Artikel über den Mord an Salini geschrieben. Er kennt sie von den beiden zurückliegenden Fällen. Eine sorgfältig arbeitende Journalistin. Er überfliegt ihren Artikel. Sie deutet an, dass ein Mord »an einem Buchhalter der vermögenden Klasse Venedigs« noch manche unangenehme Wahrheit ans Tageslicht bringen könne. Morello schmunzelt. Wenn jemand die vermögende Klasse der Stadt kennt, dann diese Frau mit der spitzen Feder.
Claudio wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Sie wollten mit mir reden, Commissario? Doch sicher nicht über den Lärm des Campanile.«
»Nein. Du kennst Venedig wie deine Hosentasche. Du bringst doch mit deinem Boot Waren frühmorgens nach Dorsoduro. Ist dir gestern Morgen etwas aufgefallen? Oder hast du den Mann, der in der Zeitung abgebildet ist, früher schon einmal frühmorgens gesehen?«
Morello gibt ihm die Zeitung. »Schau genau hin.«
Claudio wirft einen kurzen Blick auf das Papier und starrt dann wieder Morello an. »Der sieht nicht aus wie ein Venezianer. Er kommt bestimmt von auswärts.«
»Also nicht. Du kennst ihn auch nicht aus deinem kriminellen Umfeld? Deinem früheren kriminellen Umfeld, meine ich natürlich . Wieso starrt du mich so an?«
»Die Haare, Commissario. Sie sind so .«
Morello fährt sich mit beiden Händen über den Kopf. »Was ist mit meiner Frisur?«
»Es ist . äh, nicht die Frisur.« Claudio steckt den letzten Bissen des Cornettos in den Mund und kichert leise.
Morello steht auf, geht in den Flur, betrachtet sich im Spiegel, kommt zurück und setzt sich.
»Ich sehe ganz normal aus«, sagt er. »Ich bin frisiert und frisch rasiert. Entweder du redest mit mir in klaren italienischen Worten oder du hältst die Klappe.«
»Gut, gut, ich halte die Klappe.«
»Hast du den Mann schon einmal gesehen?«
Claudio schaut erneut kurz auf die Zeitung. »Ihre Haare sind sehr lustig, Herr Commissario.«
»Rede keinen Unsinn. Konzentrier dich auf das Bild. Meine Frisur ist in Ordnung.«
»Es ist nicht Ihre Frisur. Ich meine das Büschel Haare, das aus Ihrer Nase wächst.«
»Mir wachsen keine Haare aus der Nase. Bei meinem Vater war das so. Er hatte mehr Gestrüpp unter seinem Riechkolben als auf dem Kopf. Aber ich habe so etwas nicht. Denn ich bin dazu zu jung. Und jetzt schau auf das Foto und .«
»Gut, Commissario, wenn das so ist, dann sehe ich in Ihrem Gesicht eine Fata Morgana.«
Verärgert greift sich Morello an die Nase. Tatsächlich, sein Daumen und sein Zeigefinger ertasten einige robuste Haare an seinem rechten Nasenloch.
»Cazzo.«
Claudio betrachtet gelangweilt die Fingernägel seiner rechten Hand. »Commissario, ich könnte Ihnen helfen.«
Morello tastet immer noch sein Gesicht ab. Auch am linken Nasenloch kann er einige Haare greifen. »Jetzt schlagen...
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