Schweitzer Fachinformationen
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Kann man eine versendete Mail löschen?
Wo finde ich einen guten Hacker?
Wie melde ich mich arbeitslos?
Verdammt, verdammt, verdammt!
Ich habe es versaut. Wenn selbst Google mir nicht weiterhilft, muss es ernst sein. Tief durchatmen. Krisen bin ich gewöhnt. Wobei das nie meine eigenen sind, sondern die meiner Klienten. Okay, ich darf kein großes Aufsehen erregen. Diesen Fehler muss ich diskret und schnell ausbügeln, bevor Oliver das rausbekommt.
»Geht's dir nicht gut?«, fragt Daniel mich. »Du siehst blass aus.«
Noch ehe ich reagiere, springt Tabea von ihrem Bürostuhl auf und ihre vielen Armreifen fangen zu klackern an. »Soll das eine Anspielung sein, dass sie heute kein Make-up trägt? Dass alle Frauen hässlich sind, die sich für einen natürlichen Look und entgegen dieser gesellschaftlich auferlegten Konvention entscheiden, sich Tonnen von Farben ins Gesicht zu klatschen? Möchtest du das wirklich sagen?«
Ihre schrille Stimme schallt durch das Büro und erreicht selbst Tim, den neuen Praktikanten, der seine Kopfhörer aus den Ohren zieht.
Das war's mit dem Kein-Aufsehen-Erregen.
»Nein!« Daniel steht mit hoch erhobenen Händen auf, als hätte Tabea ihm eine Knarre vors Gesicht gehalten. »Um Himmels willen, nein! Das wollte ich nicht sagen.«
Sie mustert ihn abschätzig. »Frauen tragen Make-up für sich und nicht für die Blicke von Männern. Und wenn Jennifer sich heute dagegen entschieden hat, ist das allein ihre Entscheidung.«
»Ich trage Make-up«, werfe ich ein.
»Ich wollte nur sichergehen, dass es ihr gut geht und ihr meine Hilfe anbieten, falls es nicht der Fall sein sollte.« Daniels Wangen färben sich in ein tiefes Rot. Jetzt wünscht er sich wahrscheinlich doch, die Abteilung vor einem Monat gewechselt zu haben, als es ihm angeboten wurde.
»Natürlich.« Tabeas Augen blitzen hinter ihrer übergroßen Brille angriffslustig hervor. Unter den Blicken der Redaktion zieht sich der sonst so entschlossen wirkende Daniel stammelnd in die Küche zurück.
Ich nutze die Gunst der Stunde, wo keiner mich mehr beachtet und schleiche mich in den Meetingraum hinter meinem Schreibtisch, den wir nur für unsere Abteilungstreffen oder Kundenpräsentationen nutzen. Die Luft steht träge im Raum und ich reiße das Fenster auf, um einen tiefen Atemzug aus Smog, Frittengeruch und Schweiß zu nehmen.
Schweiß? Automatisch fasse ich unter meine Achseln und wünschte, es nicht getan zu haben. Iih, alles nass. Ich muss mich zusammenreißen. Wie schlimm kann es schon sein? Wahrscheinlich halb so wild.
Entschlossen zücke ich mein Handy und wähle fast lässig Jonas Nummer. Nach dem zweiten Klingeln nimmt er ab. »Rheinische Post Düsseldorf, Jonas Stegner .«
»Hast du meine Mail schon gelesen?«
Hoppla, das klingt nicht mehr so lässig.
»Jennifer Ahrns.« Ich kann sein Grinsen förmlich hören. »Dir auch hallo. Wie du weißt, bin ich ein vielbeschäftigter Mensch und deswegen noch nicht dazu gekommen .«
»Nimm die Füße vom Papierkorb und guck in dein Postfach.«
»Woher weißt du, dass ich .? Wie auch immer. Warte .«
Stille. Das Klicken der Maus, Tippgeräusche auf der Tastatur. Stille.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Wie ein Tiger im Käfig fange ich an, im langen Meetingraum auf- und abzuwandern. Das Klackern meiner Absätze macht mich noch wahnsinnig, aber stehen bleiben ist auch keine Option. Wie lange braucht ein Mensch, um eine Mail zu lesen? Oder sind Sekunden schon immer so langsam vergangen?
»Und?«, platzt es aus mir heraus, bevor ich den Verstand verliere.
»Ja«, setzt er vage an. »Das ist . verdammt übel.«
Was nicht mehr so vage ist.
Der letzte Funke Hoffnung in mir erlischt. Ich umklammere gewaltsam mein Handy, versuche, mich darauf zu besinnen, was ich hier bei Sturmstopper vom ersten Tag gelernt habe: cool bleiben, hoch pokern, gewinnen.
Ich wähle als Fixpunkt ausgerechnet das hässliche Bild an der Wand mir gegenüber, das mich immer an den Versuch eines Dreijährigen erinnert, einen Orang-Utan auf einem Segelboot zu malen. Es hilft, um meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. »Kannst du die Mail löschen?«
Jonas reguliert seine Emotionen nicht ganz so gut und prustet los, was wie Husten und Lachen gleichzeitig klingt. »Von allen Rechnern aus deinem Journalistenverteiler? Eher unwahrscheinlich.«
Meine Hand fängt wild zu gestikulieren an. »Ich könnte sagen, dass der Text ironisch gemeint ist. Ein Aprilscherz. Er soll die Leute zum Lachen bringen. Menschen lachen gern.«
»Wir haben Anfang Juni.«
Genervt stöhne ich auf. »Logische Argumente helfen mir nicht weiter, falls du es nicht bemerkt hast.«
Aus der Leitung ertönt Menschengemurmel im Hintergrund. Ich höre eine Frau schrill lachen und sofort entwickle ich die Paranoia, dass sie mich damit meint. Jonas senkt seine Stimme und klingt viel dumpfer, als halte er seine Hand an den Lautsprecher. »Jetzt mal ganz im Ernst: Was hat dich geritten, so was zu schreiben? Das kann man sich in deinem Job vielleicht denken und dann genau das Gegenteil behaupten, aber nicht andersherum.«
»Ich weiß, ich weiß, ich weiß!« Ich schlage im Takt mit meinem Kopf gegen die Wand und komme mir wie eine Comicfigur vor.
All die Jahre, all die Überstunden, all die Arbeit bei der besten Agentur für Krisenkommunikation. Alles für die Katz. Wie eine kleine Göre stampfe ich wütend auf dem Boden auf und unterdrücke den Drang zu schreien.
»Ich störe deinen Nervenzusammenbruch wirklich ungern, aber stimmt es?«, hakt Jonas vorsichtig nach. »Ist Carter&Connor ein, und ich zitiere, Pharmakonzern, der mehr nach Geld lechzt als eine Prostituierte in der Rethelstraße, bevor die Großbordelle in Düsseldorf Champagner gegen billigen Sekt tauschten?«
Eine Hitzewallung nach der anderen durchströmt mich. Mit dem leichten Stoff meiner Bluse wedle ich mir verzweifelt Luft zu, aber es kommt in diesem stickigen Raum nicht mal ein Lüftchen zu mir an. »Damit kritisiere ich mehr die Kommerzialisierung von Prostitutionsstätten als unsere Kundinnen und Kunden.«
»Und was ist mit dem Absatz, wo du schreibst, dass Carter&Corner Trump den Titel >Herr der Lügen< bereits mit ihrem ersten Twitter-Beitrag streitig machen? Kritisierst du da nur das amerikanische Wahlsystem? Oder wie möchtest du dich da rausreden?«
Ich stocke in meiner Bewegung. »Meinst du, damit käme ich als Begründung durch?«
»Nein!« Am anderen Ende der Leitung höre ich ein schweres Seufzen. »Verdammt, Jennifer. Egal, wie sehr mir dein Schreibstil gefällt, aber das bekommst selbst du nicht mehr zurechtgebogen. Hast du die Mail als eine Art therapeutischen Stressausgleich verfasst? An wen wolltest du sie schicken?«
»An Anna«, gebe ich kleinlaut zu.
»Vielleicht solltest du deinen Arbeitslaptop nicht für Privatgespräche mit deiner Freundin nutzen. Egal, wie scharf sie ist.«
Den letzten Teil überhöre ich. »Danke, das weiß ich auch. Hilf mir lieber!« Ich presse das Telefon an mein Ohr, aber am liebsten würde ich es mitsamt meiner Mail aus dem Fenster werfen.
»Kann ich nicht.« Jonas zögert kurz. »Und auf die Gefahr hin, dass du mich tötest: Ich muss darüber schreiben. Bevor es die hundert anderen Journalisten tun. Die Story ist zu gut.«
Mein Puls schnellt in die Höhe, mein Kreislauf verabschiedet sich. Sterne tanzen vor meinen Augen und ich lehne mich an die Fensterbank. Meine Stimme klingt weiterhin ruhig. »Es gibt keinerlei Beweise für diese Aussagen.«
»Wirklich nicht?«
»Kein Kommentar.«
»Dafür ist es zu spät, Liebes. Spätestens, nachdem du Kim das geschickt hast. Wusstest du, dass sie seit zwei Wochen bei der BILD arbeitet?«
Just in dem Moment klopft es an der Tür und ich lege reflexartig auf. Oliver tritt mit seinem gewohnt geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck ein, den es zu seiner Beförderung als Abteilungsleiter inklusive gab. »Brauchst du den Raum gerade?«
Ich schüttle nur den Kopf, weil ich meiner Stimme nicht traue.
Er schließt die Tür hinter sich....
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