Schweitzer Fachinformationen
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4 Das Exposé
[37]Eine Idee ohne Exposé ist nur ein flüchtiger Gedanke. Erst wenn das Thema ausgebreitet, zugespitzt und durch die filmische Umsetzung ergänzt ist, kann ich weiter damit arbeiten und es anbieten. Ich habe das oft erlebt. In unserer wöchentlichen Konferenz in der Produktion geht es um den Stand der Dinge und die Organisation. Aber dazu gehört natürlich auch der Tagesordnungspunkt »Neue Produktionen, Planungen«, also mögliche neue Themen. »Man könnte doch mal was machen über . Geisterhäuser«, schlägt jemand vor. Ich erwidere, ja, das könnte ich mir durchaus vorstellen, ob er denn mehr darüber wisse. Nein, er habe nur gestern irgendwo irgendetwas dazu gesehen und dann ein wenig im Internet herumgegoogelt. Und da gäbe es viele solche Geisterhäuser, Geisterjäger, ja, eine ganze Geistergemeinde im Internet und viele, viele Geschichten. Ich habe dann, genau wie bei unzähligen anderen solcher Gespräche, gesagt: »Ja, recherchiere das mal, besorge am besten mal einen Experten, mit dem wir darüber reden können. Und schreib dann mal ein Exposé.« Wir haben unzählige solcher Gespräche geführt, mal bei Konferenzen, aber auch in der Kneipe oder im Café. Nur: Ich habe nur ganz selten danach auch wirklich ein Exposé zum Thema bekommen, mit dem ich als Produzent weiterarbeiten konnte. Meistens bleibt es bei solchen vagen Ideen, die aber niemals weiter recherchiert und zu einem tragfähigen Themenvorschlag ausgearbeitet werden. Eine solche Idee ist ein Nichts. Und das reicht nicht. Erst mit einer Grundrecherche und einem Exposé wird aus dem flüchtigen Gedanken ein Themenvorschlag.
Aber wie muss ein Exposé aussehen? Zunächst einmal ist es, wie bei vielen anderen Themen: Das Exposé gibt es nicht, genauso wenig wie eine Regel, wie lang, wie ausführlich ein Exposé sein muss. Jede Autorin und jeder Autor hat eine eigene, ganz besondere Art, ein Exposé zu schreiben. Es gibt kurze, knappe und lange, ausführliche, manche sind bis ins Detail ausgeführt, andere nur grob skizziert. Eine vorgeschriebene Form gibt es in der Regel nicht, obwohl inzwischen manche Redaktionen ihre eigenen Formen und Formulare entwickelt haben.
Genauso wenig gibt es einen Leitfaden »Wie schreibe ich ein gutes Exposé?« Denn das hängt auch immer von den verschiedensten Bedingungen ab, vom Sujet, der Redaktion, dem Sender, dem Sendeplatz etc.
Auf jeden Fall soll das Exposé der Redaktion ein Thema möglichst so darstellen und nahebringen, dass daraus ein Auftrag wird, dieses Thema zu realisieren.
[38]Es gibt Redaktionen, die festlegen, dass ein Themenvorschlag nicht mehr als zwei, drei oder vier Zeilen oder Sätze umfassen darf. Auf der anderen Seite gibt es Exposés, die sich in epischer Länge über viele Seiten ergießen. Länge und Form eines Exposés sind von mehreren Faktoren abhängig:
Länge des geplanten vorgeschlagenen Beitrags,
Sendeplatz
Vorgaben der Redaktion,
Kenne ich den Redakteur?
Natürlich sind Länge und Form zunächst davon abhängig, für welchen Sendeplatz der Beitrag vorgesehen ist und welche Länge er haben soll. Ein Zehnminüter hat einen ganz anderen und in der Regel komplizierteren dramaturgischen Aufbau als ein Dreiminüter, den ich mit drei oder vier Sätzen beschreiben kann. Auf jeden Fall muss der Redakteur sofort wissen, worum es geht - und sich den Beitrag vorstellen können. Das ist der entscheidende Punkt.
Von zwei Studenten erhielt ich folgenden Themenvorschlag für einen Fünfminüter, der im Rahmen einer Reportageübung realisiert werden sollte: Es ging um einen Kiosk in einem sozialen Brennpunkt im Ruhrgebiet. Die Studenten schrieben u. a.:
»In dem Stadtteil steht eine reiche Anzahl von Kiosken an beinahe jeder Straßenecke. Einen von ihnen wollen wir ein paar Stunden unter die Lupe nehmen. Im Mittelpunkt der Doku steht der Besitzer des Kiosks, der über seine Arbeit, die Probleme des Alltags und die Stadtteilgeschichten redet, die er in seiner Zeit an seinem Büdchen schon so erlebt hat. Nebenbei kommen natürlich immer mal wieder Leute vorbei, um sich dies und das zu kaufen. Neben der Dokumentation des Ablaufs an einem solchen Kiosk kommt der Betreiber selbst in kleinen Interviewpassagen immer wieder zu Wort.«
Was soll ich damit anfangen? Abgesehen von der sprachlichen Holperigkeit: so geht es natürlich nicht. Denn wir erfahren über den Protagonisten, den Besitzer des Kiosks, gar nichts. Und das genau muss in einem Exposé dargestellt werden. Also z. B. so:
»Vor 35 Jahren hat Max S. seinen Beruf als Postbeamter an den Nagel gehängt und sich im Norden des Ruhrgebiets einen Kiosk gekauft. Mitten im sozialen Brennpunkt. >Mir war das einfach bei der Post zu langweilig<, erzählt er. Ab morgens früh um sieben Uhr steht der massive Zwei-Meter-Mann, den man sich eher als Seemann oder als Postbeamten vorstellen kann, in seinem Kiosk. Die Regale sind voll geräumt mit Zeitungen, daneben das Zigarettenregal. Eine halbe Wand ist reserviert für die Fan-Utensilien vom Fußballverein, die um den kleinen [39]Fernseher herum gruppiert sind. Wenn Spiele des Vereins im Fernsehen übertragen werden, ist hier im Kiosk die Hölle los. Aber auch, wenn es hier ganz voll ist, eines ist allen klar: Max ist der Chef. Seine hellblauen, strahlenden Augen bilden einen scharfen Kontrast zu seinen roten Haaren und dem mittlerweile fast weißen Vollbart. In seinem Kiosk ist von morgens früh um sieben bis abends um 22:00 Uhr immer etwas los. Und die meisten kommen nicht nur, um Zeitungen, Zigaretten, Brötchen, Getränke oder - abends - ein paar Lebensmittel zu kaufen. Bei Max trifft man sich, um einen Kaffee oder ein Bier zu trinken und zu quatschen. Oft über Fußball, aber auch über das Leben im Stadtteil, die da oben und wir da unten und über Gott und die Welt.«
Schon besser, denn jetzt kann sich der Leser Max ganz gut vorstellen. Kurze Beschreibungen und Zitate machen das Exposé lebendig. Das ist zwar für einen kurzen Fernsehbeitrag fast schon etwas lang, vermittelt aber dem Redakteur einen sinnlichen Eindruck und man kann sich den Protagonisten und den Film schon vorstellen. Und zwei, drei Fotos können bei so einem Themenvorschlag auch nicht schaden.
4.1 Die erste Seite und der Rest
»Man teilt ein Exposé in zwei Teile: die erste Seite und den Rest«23, so der Kollege Gregor A. Heussen. Wir können davon ausgehen, dass in einer Fernsehredaktion täglich mindestens fünf bis zehn Themenvorschläge/Exposés ankommen. Exposés von total unterschiedlicher Qualität und Quantität. Manche sind gut gemacht, manche schlecht, sie sind kurz oder lang, mit oder ohne Bilder. Ich habe schon Exposés gesehen, die fast Kunstwerke waren. Da waren die Einbände mit verschiedenen Materialien gestaltet, es gab lange Fotoanhänge und sogar kleine Give-aways. Alles nur, um die Aufmerksamkeit des Kollegen für das vorgeschlagene Thema zu erwecken. Ob sich solche Arbeit für die Kollegen gelohnt hat, weiß ich nicht. Aber die Praxis in der Redaktion sieht wohl eher so aus: ein schneller Blick auf die erste Seite und dann die spontane Entscheidung: »könnte interessant sein« oder »interessiert mich nicht«, was meistens gleichbedeutend ist mit »das schaue ich mir noch mal näher an« oder eben ein schnelles »Weg damit«.
[40]Es ist wie bei einer Bewerbung. Da geht es im ersten Schritt zunächst einmal darum, überhaupt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
Und deshalb spielt in der Tat die erste Seite bei einem Exposé eine wesentliche Rolle. Ich schreibe immer auf der ersten Seite nach dem Titel einen kurzen Absatz, in dem der Film auf den Punkt gebracht wird. So eine Art Küchenzuruf in vier, fünf Sätzen. Für einen kurzen TV-Beitrag reicht natürlich in der Regel auch ein kurzer Themenvorschlag, d. h. maximal eine halbe Seite. In manchen Redaktionen gibt es dazu sogar ein Formblatt. Das sieht dann z. B. bei einer Magazinredaktion so aus:
Planungsraster für Beiträge
1. Autor(in)
2. Titel (unter dem das Stück im Ablauf steht)
3. Die Story (10-15 Zeilen)
4. Darstellungsform
5. Headline
6. Erzählsatz
7. Zielgruppen
8. Emo-Farbe
9. Deutsche Normalos
10. Erzählperspektive
11. Highlight
12. Lösungsperspektive
13. Bemerkungen
Diese Punkte folgen im Wesentlichen dem Dramaturgieschema von Gregor A. Heussen, der mit seinen Seminaren mittlerweile die deutschen Redaktionen überschwemmt hat.24 Ich weiß nicht, ob das alles notwendig und sinnvoll ist, aber ein solch formatiertes Verfahren erleichtert sicherlich die Auswahl der Themen.
4.2 Struktur
Ich mache es einfacher. Für mich sind die wesentlichen Punkte:
Adressat: Für welchen Sendeplatz, für welchen Adressaten ist der Themenvorschlag gedacht?
[41] Titel,
Abstract/Logline (Beitrag wird in wenigen Sätzen geschildert),
Autor,
Aufhänger, Hook,
Inhalt,
die Filmgeschichte, die Story,
filmische Umsetzung.
Das sind die Punkte, die eine Redaktion braucht, um zu entscheiden, ob der Beitrag realisiert werden soll oder nicht - und nur darum geht es zunächst.
4.3 Sendeplatz
Die Voraussetzung für einen guten Themenvorschlag: man muss den Sendeplatz kennen, für den man ein Thema...
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