Schweitzer Fachinformationen
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1. KAPITEL
Jörg
Einfach verwählt? - oder: Ein echtes Blind Date
»Hallo? Ist da nicht Silvia?«
»Nein. Ich glaube, Sie haben sich verwählt!«
»Oh, das tut mir sehr leid - bitte entschuldigen Sie die Störung!«
Ich legte wieder auf und war mir unsicher. Ich hatte doch richtig getippt? Ungläubig sah ich auf die weißen Tasten meines nagelneuen rosa Telefons.
Mein Gott, war ich damals stolz auf das Plastikungetüm mit Endloskabel. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen in Zeiten von Handy, Internet und iCloud. Aber dieser kleine, 15 mal 15 Zentimeter große Apparat war 1993 meine einzige Verbindung in die Zivilisation und hatte erst vor ein paar Tagen das graue Einheitsmonstrum mit Wählscheibe der Telekom, die damals noch Post hieß, abgelöst.
Ich wohnte in einer Kleinstadt in einer wunderbaren Wohnung. Aber: Nette Nachbarn? Null. Freunde? Null.
Also telefonierte ich damals schon gern - zum Beispiel mit meiner Freundin Silvia.
Umso mehr wunderte ich mich, dass ich heute eben nicht sie am anderen Ende der Leitung, sondern eine fremde Person vorfand.
Ich wählte noch einmal.
»Hallo?!«
Wieder diese Männerstimme. »Entschuldigung. Ich bin es schon wieder. Das gibt es doch gar nicht.«
»Anscheinend doch.«
Wir glichen die Nummern ab - Silvia hatte hinten die -27, dieser Mann die -72.
»Das ist mit jetzt aber echt peinlich. Sorry! Ich versuche es gleich noch einmal. Wenn es jetzt wieder bei Ihnen klingelt, gehen Sie doch bitte einfach nicht ran, okay?«
»Okay.«
Wieder legte ich auf. Komisch.
Noch einmal tippte ich im Zeitlupentempo die Ziffern: 0 . 2, 7. Es klingelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Ich dachte: »Na endlich. Keiner hebt ab. Silvia. Nicht wieder dieser Typ.« Fünfmal. Sechsmal. Gerade wollte ich wieder auflegen - »Hallo?!«
Wieder der Mann.
»Och Mann! Das gibt's doch nicht. Also entweder hat mein Telefon eine Macke, oder da bei der Post stimmt irgendwas mit der Leitung nicht! Und ich hatte doch gesagt, Sie sollen nicht wieder rangehen, wenn ich jetzt noch einmal falsch wähle!
»Ich wollte noch einmal Ihre Stimme hören. Sie klingen so nett. Und sexy. So was hat man nicht jeden Tag in der Leitung .«
»Ach, tue ich das? Wo ich Sie doch die ganze Zeit nerve. Und Sie sind sich sicher, dass Sie nicht vielleicht doch der neue Freund von Silvia sind, der mich hier die ganze Zeit veräppelt?!«
Plötzlich hatte ich so einen Verdacht. Silvia hatte immer etwas übrig für kleine Späße, und neulich erst hatte sie jemanden Neues in der Disco kennengelernt.
»Nein. Ich kenne keine Silvia. Beziehungsweise: Doch! Die Nachbarin meiner Eltern heißt so. Aber die ist ungefähr 75 Jahre alt und wohnt rund 300 Kilometer entfernt. Ich glaube nicht, dass Sie die meinen?! Wir können uns übrigens duzen: Ich heiße Jörg!«
»Und ich Kerstin! Und Jörg: Was machst du nun bei Silvia in der Wohnung?«, fragte ich lachend. Die ganze Situation war ja echt total schräg.
Jörg erzählte mir, dass er genau wie ich Mitte 20 war und in Freiburg lebte, genau so wie meine Freundin. Die er aber tatsächlich nicht zu kennen schien. Jörg studierte, ich erzählte ihm von meinem Job und meinen beruflichen Vorstellungen. Wir plauderten fröhlich und unbeschwert miteinander. So, als würden wir uns schon ewig kennen.
Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, telefonierten wir bereits eineinhalb Stunden miteinander. Jörg gähnte leise in den Hörer. »Sorry. Ich musste heute Morgen schon ganz früh raus und sollte dringend ins Bett. Morgen steht eine wichtige Klausur an!«
»Klar«, sagte ich, »Mensch, ich will ja nicht auch noch Schuld daran sein, wenn du deine Klausur verhaust. Husch, ins Bettchen mit dir!«
»Kerstin?«
»Ja?«
»Das war schön mit dir!«
»Fand ich auch! Ich wünsche dir alles Gute! Und toi, toi, toi für die Klausur!«
»Danke. Telefonieren wir morgen wieder?«, fragte er ein wenig schüchtern.
»Wenn du das Bedürfnis hast, meine Stimme zu hören, sehr gern .«, sagte ich.
Ich hatte ein leichtes Kribbeln im Bauch, seine männliche Stimme gefiel mir.
»Darf ich dich dann vielleicht anrufen und dir erzählen, wie die Klausur gelaufen ist? Nicht, dass du morgen dann doch immer nur bei deiner Freundin landest - wenn du meine Nummer wählst«, fragte er lachend.
Ich überlegte, ob ich es dem Zufall überlassen sollte, ihn wieder zu hören. Aber seine Stimme gefiel mir, und mein Interesse war sowieso längst geweckt .
Ich gab ihm also meine Nummer und wir verabredeten uns für den nächsten Abend zum Telefonieren.
»Schlaf gut!«, flüsterte er mir ins Ohr, und komischerweise durchflutete in diesem Moment eine wohlige Wärme meinen gesamten Körper .
»Du auch!«, sagte ich mit sanfter Stimme.
Als ich schon fast auflegen wollte, rief Jörg noch einmal in den Hörer: »Halt! Eins noch!«
»Hast du eigentlich einen Freund?« Ich musste lachen und sagte einfach: »Finde es heraus!«
Am ganzen nächsten Tag musste ich an unser nettes Telefonat denken. Immer wieder fielen mir Dinge und Sätze ein, die Jörg gesagt hatte. Den ganzen Tag waren meine Gedanken nur bei ihm.
Gegen 19 Uhr war ich zu Hause, machte mir eine Kleinigkeit zu essen, zog eine gemütliche Kuschelhose an und legte mich aufs Sofa.
Ob er wirklich anrufen würde? Ich sah auf die Uhr. 19:50. Noch zehn Minuten. Ich gebe zu, ich war ein bisschen aufgeregt.
Um 19:55 klingelte mein rosa Telefon.
»Hallo?«
»Ja, hallo Kerstin! Ich bin es.« Jörg. »Rufe ich zu früh an?«
»Nein, alles fein. Ich habe deinen Anruf schon erwartet.«
Sofort setzten wir unser Gespräch vom Vorabend fort. Seine Klausur war super gelaufen, er war bester Dinge.
Wir telefonierten bis nach Mitternacht - die Zeit verging wie im Flug. Wir redeten über Belangloses genauso wie über sehr Persönliches. Und auch, dass ich Single war, hatte er natürlich bereits in der ersten Viertelstunde herausgefunden. Er hatte einfach gefragt: »Und: Gibt es jemandem, mit dem du zusammen bist?«
Doch von meinem Leben, meiner Leidenschaft wusste er zu diesem Zeitpunkt natürlich nichts.
Ja, ich fand Jörg super sympathisch, von Anfang an. Doch wer hätte gedacht, welche unvergesslichen Dinge ich mit ihm noch erleben sollte, Dinge, die einer der größten Kicks meines Lebens bleiben würden .
Dass ich schon damals mit sehr vielen Männern schlief, verschwieg ich ihm, obwohl wir inzwischen sehr intime und offene Gespräche führten, denn das allabendliche Telefonritual um 20 Uhr hatten wir beibehalten.
Es vergingen ein paar Wochen, und Jörg stellte die Frage, mit der ich schon viel früher gerechnet hatte: »Kerstin! Ich möchte dich kennenlernen. Die Frau sehen, mit der ich seit Wochen telefoniere. Du bist so offen, so voller Lebenslust, du strahlst so viel positive Energie aus und weißt genau, was du willst .«
Auch ich war einem Treffen gegenüber nicht abgeneigt, denn telefonisch hatte sich zwischen uns wirklich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt. Mit einer erotischen Note. Denn längst hatten wir am Telefon auch »ganz beiläufig« besprochen, was wir in Sachen Sex mochten - und was nicht.
Und genau da lag das Problem: Was, wenn Jörg äußerlich so gar nicht meinen Vorstellungen entsprach? Wir hatten komischerweise nie über unser Aussehen gesprochen. Klar, heute würde man mal eben ein Bild per MMS oder WhatsApp schicken. Aber damals? Hätten wir zur Post gehen und uns gegenseitig Fotoabzüge schicken sollen? Äußerliches war nie ein Thema gewesen.
Das war damals für mich eine ganz neue Situation. Normalerweise sah ich einen Typen in der Disco, der meinem Beuteschema entsprach, und dann versuchte ich, ihn rumzukriegen. Es ging einzig und allein um die Optik, seinen Körper, seine Männlichkeit. Was er im Kopf hatte, wie er redete, war damals total nebensächlich für mich.
Jörg hatte ich auf anderer Ebene kennengelernt. Wir funkten auf einer Wellenlänge, hatten ähnliche Interessen, Hobbys und Vorlieben und ja, ich gebe zu, ich hatte mich schon ein bisschen in Jörg verliebt. Und das wollte ich mir und ihm nicht kaputtmachen. In meiner Vorstellung war Jörg das Idealbild meines Traummannes: groß, schwarze Haare, gut gebaut, glatt rasiert, muskulös, männlich.
Aber was, wenn er in Wirklich klein, dicklich, blond und behaart war? Etwas, worauf ich überhaupt nicht stand?
Ich ärgerte mich über mich selbst. Und fragte mich: »Bist du denn wirklich so oberflächlich?! Geht es dir wirklich nur um den Körper? Das Aussehen? Kann ein Mann denn nicht auch einmal andere Qualitäten haben? Zuhören können? Nett sein?«
Ich hatte das Thema »Treffen« also im Gespräch mit Jörg erst einmal geschickt abgebogen, um mir selbst klar zu werden, was ich wirklich wollte. »Klar, irgendwann gerne! Im Moment habe ich nur so viel zu tun .«, log ich.
Es vergingen wieder ein paar Tage und an einem Sonntagnachmittag schaute ich eine DVD, die ich mir ausgeliehen hatte: Eyes Wide Shut, den Erotikthriller mit Tom Cruise und Nicole Kidman. Ein großartiger Film! Fremde haben miteinander Sex, sehen sich dabei nicht - unglaublich total prickelnd. Und plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich verspürte ungeheure Lust auf fremde Haut...
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