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Kapitel 1: Recht auf Diagnose und Behandlung
Gudrun findet nicht mehr nach Hause - Schock nach der Diagnose
Gudrun stand auf der Straße, sie hatte gerade die Arztpraxis verlassen und erinnerte sich nur verschwommen an das, was der Neurologe ihr gesagt hatte. Er hatte in dem Gespräch die Vermutung geäußert, dass sich bei ihr eine Alzheimerkrankheit entwickele.
§§
Das Patientenrechtegesetz regelt u. a. verschiedene Informationspflichten. So hat der Arzt der Patientin sämtliche wichtigen Aspekte zu erläutern, insbesondere eine gestellte Diagnose, die weitere Entwicklung der Erkrankung und ggf. vorhandene Behandlungsmöglichkeiten. Weitere Informationen über die Rechte als Patient finden Sie im Informationsteil Patientenrechte.
Sie war schon seit längerem sehr vergesslich, manchmal verwirrt. Sie erinnerte sich allerdings, dass diese Vermutung schon einmal vor längerer Zeit eine andere Neurologin geäußert hatte. Gudrun hatte damals diese Vermutung mit einem Lachen quittiert und sie als völlig überzogen abgetan. Damals war sie 48 Jahre alt.
Sie dachte, Alzheimer bekämen doch nur alte Leute. Ihre Gedächtnisstörungen müssten doch andere Ursachen haben, Wechseljahre vielleicht, Schilddrüsenfehlfunktion vermutlich, aber doch nicht Alzheimer. Die Neurologin hatte ihr damals erklärt, dass zu einer konkreten Diagnose noch weitere Tests und Untersuchungen erforderlich seien, dazu wolle sie noch weitere Termine machen. Gudrun hatte die weitere Behandlung abgelehnt. Zu dem Unglauben gesellte sich Angst vor der für sie unheimlichen Erkrankung. Die Gedächtnisstörungen nahmen im Laufe der Zeit immer mehr zu, verschwanden nicht, wie von ihr erhofft, von selbst.
Innerhalb der Familie herrschte große Unsicherheit über die Ursache der Vergesslichkeit der mittlerweile 56-Jährigen. Es gab Tage, da saß sie lange am Fenster und vergaß, dass sie einkaufen gehen, das Mittagessen vorbereiten oder sich um andere Dinge kümmern wollte. Ihr Ehemann Hans wunderte sich abends, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, dass viele Dinge, die Gudrun sonst immer zuverlässig und gern erledigte, unerledigt blieben. Deshalb bat er sie, doch einmal einen Neurologen aufzusuchen, diese Veränderungen an ihr mussten doch eine Ursache haben. Hans machte sich Sorgen. Er war schon lange mit Gudrun verheiratet, sie waren immer ein eingespieltes Team, in dem jeder seine Aufgaben hatte und erledigte. Nun war alles anders. Gudrun hatte den Termin beim Neurologen nur widerwillig gemacht, was sollte der schon feststellen.
Aber auch der Neurologe stellte wieder die Diagnose Alzheimer in den Raum, was Gudrun erneut nicht glauben mochte. Sie blickte auf die Verordnung, die der Arzt ihr mit den Worten gab: "Nehmen Sie diese Tabletten, vielleicht helfen Sie Ihnen, und kommen Sie in drei Monaten wieder."
Gudrun wollte nun rasch nach Hause, es war kurz vor Mittag, sie hatte Hunger und ihr war kalt. In der Nacht hatte es erneut geschneit. Sie würde noch eine Weile brauchen, um nach Hause zu kommen, schließlich waren es sieben Kilometer, die sie zu Fuß bewältigen musste. Also marschierte sie los. Wohin sie ging, wusste sie nicht. Warum fand sie sich nicht zurecht? Gudrun lief einfach in die ungefähre Richtung, stundenlang, bis sie vor einem Haus stehenblieb. Es dämmerte bereits. Sie steckte den Haustürschlüssel in das Schloss, die Tür ließ sich nicht öffnen. Das konnte doch nicht sein. Hans, ihr Mann, hielt doch immer alles in Ordnung, er ölte auch die Türschlösser regelmäßig. Gudrun dachte, dass ihr Mann in wenigen Minuten von der Arbeit kommen müsste, dann würde er das Schloss reparieren und sie wäre im Warmen. Sie wartete vergebens. Niemand kam. Es dämmerte und weiterer Schneefall setzte ein. Gudrun war kalt, sie hatte Hunger. Sie sah sich um nach einem Unterstand und ging zu einem anderen Hauseingang. Sie schlief die Nacht dort. Es schneite weiter.
Gudrun erwachte, als es hell wurde. Sie war völlig durchgefroren, hatte Hunger und Durst. Sie konnte sich nicht orientieren, trat auf die Straße. Ach ja, sie war zu Hause. Doch der Schlüssel passte immer noch nicht. Wo war Hans? Gudrun ging in die gegenüberliegende Bäckerei. Sie wollte jetzt erst einmal etwas essen und bestellte ein belegtes Brötchen. Als die Verkäuferin den Preis nannte, suchte Gudrun nach Geld. Sie hatte doch ihre Geldbörse eingesteckt, oder nicht? Sie fand sie nicht. Hatte sie ihre Geldbörse verloren?
Die Verkäuferin drängte sie zu bezahlen. Gudrun bemerkte mit Schrecken, dass sie kein Geld dabei hatte und plötzlich nicht mehr wusste, wo sie sich befand. Mehrere Personen sprachen auf sie ein. Sie fragten sie nach ihrem Namen und wo sie denn wohne. Doch Gudrun konnte keine Antwort geben. Wer bin ich? Wie heiße ich? Wo wohne ich? Und was wollen all diese Leute von mir? All das konnte Gudrun nicht beantworten. Sie fing an zu weinen. Die Mitarbeiter der Bäckerei verständigten die Polizei, denn ihnen war klar, dass Gudrun Hilfe benötigte .
Die zwischenzeitlich eingetroffenen Polizisten stellten ebenfalls wieder Fragen. Wie heißen Sie? Wo wohnen Sie? Haben Sie einen Ausweis dabei? Nein, Gudrun konnte diese Fragen nicht beantworten. Die Polizisten konnten per Funkabfrage herausfinden, dass eine Frau vermisst wurde, deren Beschreibung auf Gudruns Erscheinungsbild passte.
Die Polizei ist für die Suche nach vermissten Personen zuständig. Weitere Informationen über die einzelnen Schritte bei der Suche nach vermissten Personen finden Sie im Informationsteil Suche nach vermissten Personen.
Ihre Familie hatte die ganze Nacht nach ihr gesucht, Freunde und Verwandte nachts aus dem Bett geklingelt. Gudrun war verschwunden, nicht auffindbar. Am nächsten Morgen hatte die Polizei sogar berittene Polizisten an den nahegelegenen See geschickt, um Gudrun zu suchen. Dort gingen Hans und Gudrun gerne und oft spazieren. Die Vermisstenanzeige wurde durch den Sachbearbeiter der Polizei sehr ernst genommen. Die Familie hatte deutlich gemacht, dass Gudrun unter Gedächtnisstörungen litt und deshalb seit Monaten ärztlich behandelt wurde. Am Tag zuvor sei sie von einem Termin beim Neurologen nicht zurückgekehrt. Die Ärzte wüssten aber bislang nicht, was Gudrun fehlte. Die Polizei suchte den Neurologen auf, bei dem Gudrun am Tag zuvor den Termin hatte. Dieser erklärte den Polizisten, dass Gudrun sehr verwirrt gewesen sei, er ihr den Verdacht auf eine Alzheimer-erkrankung mitgeteilt habe und sie dann die Praxis verlassen habe. Die Polizisten fragten ihn, warum er sie denn nicht daran gehindert habe, allein die Praxis zu verlassen, ob er nicht dafür hätte sorgen können, dass Gudrun von jemandem abgeholt würde, wenn ihm schon aufgefallen sei, dass sie so verwirrt und hilfebedürftig gewesen sei. Der Arzt blieb eine Antwort schuldig.
Befindet sich eine Person in einer Situation, in der sie der Hilfe bedarf, machen sich Dritte dann gem. § 323 c Strafgesetzbuch strafbar, wenn sie nicht Hilfe leisten, obwohl ihnen dies zumutbar und ohne Gefahr für die eigene Gesundheit oder die Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist. Die besondere ärztliche Sachkunde, z. B. eines Neurologen, lässt eine besondere Pflicht zur Hilfeleistung entstehen (OLG Hamm 2001).
Gudrun wurde von den Polizisten mit auf die Wache genommen. Sie hatte Angst. Wo war Hans? Sie musste sich in einem Warteraum setzen, dort war es wenigstens warm. Man gab ihr einen heißen Tee und ein Brot, denn sie war immer noch hungrig. Endlich, endlich kam Hans. Er weinte.
"Warum weinst du? Ist etwas passiert? Ist etwas mit den Kindern? Können wir jetzt endlich nach Hause?"
Hans nahm sie in den Arm, sagte nichts. Er dankte den Polizisten und führte Gudrun zum Auto. Endlich nach Hause.
"Wo warst du die ganze Nacht?" Hans war ganz krank vor Sorge.
Gudrun versuchte ihm zu erklären, dass sie doch vor ihrem Haus vergebens auf ihn gewartet habe. Hans wusste von der Polizei, dass Gudrun die Nacht wohl in einem Hauseingang verbracht hatte, das in der Nähe eines Hauses lag, in dem die Familie in den 1980er Jahren gewohnt hatte. Schon seit mehreren Jahrzehnten lebten sie am anderen Ende der Stadt. Gudrun hatte sich nicht mehr daran erinnert, dass sie mit dem Bus hätte nach Hause fahren können. Sie war stattdessen kilometerweit zu Fuß quer durch die Stadt in die falsche Richtung gelaufen, zu diesem Haus, in dem sie schon lange nicht mehr lebten. Weil der Schlüssel nicht mehr passte, hatte sie die Nacht bei Schnee in einer Toreinfahrt verbringen müssen.
Endlich zu Hause. Die Kinder waren da. Gudrun freute sich, aber sie wunderte sich auch, dass die Kinder da waren, denn diese wohnten schon lange nicht mehr zu Hause. Auch die Kinder weinten, sie wirkten besorgt. Gudrun verstand nicht, warum. Sie fühlte sich nur müde und ging zu Bett. Am nächsten Morgen wachte sie mit einem Schnupfen auf, aber sonst fühlte sie sich wohl. Hans war nicht zur Arbeit gegangen. Er sagte ihr, dass er heute nicht zur Arbeit gehen würde. Er hatte mit dem Hausarzt telefoniert, ihm die Geschehnisse geschildert. Der Arzt würde ihn aufgrund seiner eigenen seelischen Belastungen und Sorgen erst einmal für zwei Tage krank schreiben. Gleichzeitig riet er ihm, sich ab der kommenden Woche für 10 Tage von der Arbeit freistellen zu lassen.
Nach dem Pflegezeitgesetz können Beschäftigte bis zu 10 Tage von der Arbeit fernbleiben, soweit dies erforderlich ist, um für eine akut...
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