Schweitzer Fachinformationen
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Es hätte so ein schöner Tag werden können.
Ich war am Ende. Die Sache überstieg meine Vorstellungskraft. So etwas hatte ich noch nie gesehen, geschweige denn, in meinen kühnsten Träumen erlebt. Meine Poren waren durchlässig wie ein Sieb, die Kleider hingen klatschnass an mir, der Schweiß tropfte mir übers Gesicht. Wenn nur diese furchtbaren Schreie nicht wären.
Von meinem Schweiß abgesehen, war alles voller Blut und anderen Körperflüssigkeiten. Die Szene, die ich mit einem vernebelten Tunnelblick wahrnahm, war bizarr. Jetzt griff die junge Frau, die mir gegenüberstand, mitten hinein und zog etwas heraus, das mit Schleim überzogen war. Neue, bisher nicht gekannte Schreie kamen hinzu. Die Frau hielt etwas vor mich hin, schaute mich kurz an und meinte mitleidsvoll: »So, da ist schon das nächste. Noch zwei oder drei, dann hat es Ihre Frau geschafft.«
Es dauerte nur eine Sekunde, bis ich die Tragweite dieser Worte verstanden hatte. Ich blickte auf und direkt in das wild zuckende Gesicht von Dr. Metzger, dem skurrilsten Notarzt der nördlichen und südlichen Hemisphäre. In der Hand hielt er eine überreife Banane.
»Na, Herr Palzki, Ihnen wird doch von dieser Geburt nicht schlecht werden, oder? Ihre Frau hält sich im Vergleich zu Ihnen verdammt tapfer.« Er lachte sein übliches Frankensteinlachen.
Meine Frau? Ich schaute auf das komische Bett mit den seltsamen Auflagen und versuchte, meine Frau zu fixieren. Ich sah ein Gesicht wie durch eine Nebelwand. Das Bild verwischte immer mehr.
Ein Urschrei zerriss mein Universum.
*
»Was ist los, Reiner?« Jemand schüttelte mich. Ich öffnete die Augen und erkannte Stefanie, die sich über mich gebeugt hatte.
»Hast du wieder schlecht geträumt?«
Mein Herz schlug stakkatoartig, als ich zu Bewusstsein kam. Ich lag zuhause in meinem Bett. Langsam rutschte ich wieder in die Realität. Seit einigen Nächten träumte ich von der in Bälde bevorstehenden Entbindung meiner Frau. Stets war Doktor Metzger dabei und die Zahl der Neugeborenen stieg mit jedem Traum. Es war mir unverständlich, was diese Albträume auslöste. Bei Melanie und Paul hatte ich damals keine. Dennoch, ich durfte Stefanie nichts davon erzählen, um sie damit nicht anzustecken.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich zu ihr. »Ich habe nur etwas Sinnloses geträumt.«
Meine Frau wurde neugierig. »Was war es denn?«
»Och«, stammelte ich, um Zeit zu gewinnen, »ich habe davon geträumt, dass ich unseren Garten umgegraben und ein riesiges Gemüsebeet angelegt habe.«
Stefanie lachte. »Manchmal werden Träume auch wahr.«
»Dieser hoffentlich nicht, das war nämlich eine Menge Arbeit. Hier, fühl mal, wie verschwitzt ich bin.«
»Bäh!« Sie schüttelte sich. »Du gehst am besten duschen und ich mache Frühstück.«
»Kann ich dir dabei irgendwie helfen?«
Meine Frau gaffte mich an. »Das war aber nicht ernst gemeint, oder? Du weißt wahrscheinlich nicht einmal, wo das Besteck ist. Selbst zum Wasser Abkochen brauchst du ein Rezept.«
»Jetzt übertreib mal nicht. Einen Toaster kann ich allemal bedienen.«
»So wie vor drei Jahren, als die Feuerwehr anrücken musste?«
»Jetzt komm doch nicht wieder mit diesen alten Kamellen. Da konnte ich nichts dafür. Das blöde Ding hat geklemmt, und der Thermostat war defekt.«
»Weil du ihn ein paar Tage vorher überbrückt hast«, gab sie bissig zurück.
»Er war halt kaputt«, gab ich kleinlaut zurück.
Stefanie seufzte. »Ich hätte mich besser für eine Hausgeburt entscheiden sollen. Hier bricht das Chaos aus, wenn ich in der Klinik bin. Muss ich dich daran erinnern, wie du die Pommes im Wäschetrockner erwärmt hast, weil du den Backofen nicht angekriegt hast?«
»Das war learning by doing. Die Pommes waren anschließend richtig warm, nur etwas trocken. Das konnte ich aber prima mit viel Mayo kaschieren. Aber dieses Mal hast du uns mindestens 100 Listen geschrieben. Der Kühlschrank ist zum Bersten voll und das Essen vorgekocht und eingefroren, da kann überhaupt nichts schiefgehen. Außerdem werde ich die Kinder auch mal zum Pizzaessen einladen oder so.«
»Das mit dem >oder so< habe ich registriert, mein lieber Reiner. Es würde mich kaum wundern, wenn nach meiner Rückkehr der Kühlschrank immer noch voll wäre.«
»Aber Stefanie, das ist doch für Melanie und Paul die Gelegenheit, die Vielfalt der Nahrungsmittel kennenzulernen. Bisher sind sie ernährungstechnisch ja ziemlich auf dich fixiert. Lass sie doch auch mal über den Tellerrand schauen, was es sonst noch so Leckeres auf dieser Welt gibt.«
Stefanie stand auf.
»Das mit dem Tellerrand meinst du bestimmt nicht wörtlich. In deinen Lieblingsimbissbuden gibt's gar keine Teller. Sei aber bitte so gut, und entfremde mir die Kinder mit deinen Ernährungsmethoden nicht allzu sehr.«
Ich verneinte freundlich und ging ins Bad.
Eine halbe Stunde später saßen wir beim Frühstück. Es war Sonntag vor Ostern und ein recht warmer Tag. Der neunjährige Paul und seine drei Jahre ältere Schwester Melanie freuten sich bereits sehr auf den Familiennachwuchs. Vor ein paar Minuten kam mein Sohn in die Küche gestürmt und teilte uns folgendes mit:
»Heute kann mein Bruder kommen. Ich habe gerade die Autorennbahn aufgebaut. Dann lasse ich es mit ihm mal so richtig krachen. Mit Papa zu spielen macht keinen Spaß mehr, der verliert immer.«
Stefanie lächelte salomonisch. »Wir haben dir ja schon oft gesagt, dass so ein kleines Baby in den ersten Jahren kein Spielkamerad für dich sein wird. Zu Beginn wird das Baby nicht viel mehr machen als schlafen und essen. Außerdem weißt du überhaupt nicht, ob es ein Junge wird, Paul.«
»Mama, seit ich mich erinnern kann, spiele ich mit der Autorennbahn, also vom ersten Tag an. Es muss ein Junge werden. Die sind viel intelligenter als Mädchen. Mit wem soll ich denn sonst Autorennen spielen, Mama? Mädchen sind für so etwas zu blöd.«
Melanie streckte ihm die Zunge raus und sagte: »Du verwechselst da ein paar Dinge, Paul. Autorennen fahren ist blöd. Mädchen machen nur intelligente Sachen.«
Meine Frau konnte eine Eskalation verhindern und alle friedlich an den Frühstückstisch lotsen.
Während ich den für mein Gefühl etwas zu hellen Vollkorntoast aß, erläuterte meine Frau das Tagesprogramm.
»Heute wollen wir endlich mal den Speyerer Dom besichtigen. Das haben wir uns bereits so oft vorgenommen, und immer kam etwas dazwischen. Wenn es unser Nachwuchs nicht ganz so eilig hat, fahren wir gleich nach dem Mittagessen nach Speyer.«
Paul und Melanie zogen eine Schnute, fügten sich aber. Vorteilhaft war, dass Speyer nur wenige Kilometer südlich von Schifferstadt liegt. Selbst wenn die Wehen überraschend einsetzen sollten, konnten wir in kürzester Zeit in der Klinik sein. Da es in Schifferstadt kein Krankenhaus gibt und die Zahl der Heimgeburten verschwindend gering ist, gab es den gebürtigen Schifferstadter in der jüngeren Generation, zu der ich mich locker auch zählte, nur noch in Ausnahmefällen. Fast alle hiesigen Einwohner waren in Speyer oder Ludwigshafen zur Welt gekommen.
Zum Glück kam Stefanie nicht auf die Idee, die Strecke mit dem Fahrrad zurückzulegen. Das Auto war allemal bequemer. Drei Stunden später ging es los.
»Papa?«
Ich drehte meinen Kopf leicht in Richtung Paul, der schräg hinter mir saß. »Ja, was gibt's?«
Er hielt einen Prospekt über die Vorderpfalz in der Hand, den er von Stefanie bekommen hatte. »Was bedeutet eigentlich BASF?« Er sprach den Namen des Unternehmens nicht in einzelnen Buchstaben, sondern als ganzes Wort aus.
»Das ist eine Abkürzung«, erklärte ich ihm. »Sie steht für >Bälzische Anilin- und Soda Fabrik<«.
»Reiner!« Stefanie intervenierte. »Verwirre Paul nicht mit deinen angeblich witzigen Erklärungen.«
Ich gab mich geschlagen. »Mama hat recht. BASF ist die Abkürzung für Badische Anilin- und Soda Fabrik.«
Gedanklich richtete ich mich darauf ein, meinem Sohn ein paar außerschulische Lerneinheiten zukommen zu lassen. Schließlich nahmen sie in der Schule gerade die verschiedenen Bundesländer durch. Bestimmt würde er gleich fragen, warum diese badische Fabrik in Rheinland-Pfalz stand. Doch nichts geschah. Paul schien die Unlogik nicht verstanden zu haben. Ein weiterer Blick nach hinten zeigte mir, dass er wieder in den Prospekt vertieft war. Während ich über die mangelnde Neugier meines Sohnes enttäuscht war, wechselten wir auf der Speyerer Umgehungsstraße von der B 9 auf die B 39.
Aha, nun hatte er es bemerkt. Jetzt konnte ich die Geschichte um die Entstehung der BASF doch noch erzählen und meinen Kindern die Allwissenheit ihres Vaters demonstrieren.
»Papa, wie viele Soldaten hat die BASF eigentlich?«
Ich schluckte und schaute verwirrt nach hinten. »Soldaten? Wie kommst du auf so etwas?«
»Hier steht, dass sie eine chemische Kompanie haben.«
Ich kapierte immer noch nicht. Glücklicherweise hatte meine Frau verstanden.
»Paul, da steht >the chemical company<. Das ist Englisch und heißt >das Chemie-Unternehmen<. Das hat nichts mit Kompanie oder Soldaten zu tun.«
»Das ist aber blöd«, meinte unser Sohnemann. »Warum schreiben die das in Englisch und nicht in Deutsch?«
Ich blickte ernst. »Das mit den Soldaten vergisst du am besten gleich wieder. Die Manager in der BASF verstehen nämlich keinen Spaß. Wenn...
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